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In Mode: die Oscar-Verleihung: Puder-Blau und Rosa

Heftiger Regen in Los Angeles: Aber die Stars kamen doch trocken an, dafür wurde gesorgt. Unser Autor darüber, wer was getragen hat bei der Oscar-Verleihung.

Da wird wohl so manchem Stylisten das Herz in die Hose gerutscht sein: Die letzten Stunden hat es in Los Angeles heftig geregnet. Dass die vielen Couture-Kleidchen und Wasserwellen den Platzregen überstehen, dafür hatte The Academy natürlich gesorgt. Unzählige Regenschirm-Träger geleiteten die Stars von der Stretch-Limo zum roten Teppich, der ohnehin überdacht war. Die Anzüge und Kleider der Herrschaften konnten also in aller Pracht - und trocken - begutachtet werden.

Viel Abwechslung gab es aber nicht zu sehen, eine farbliche Tendenz ließ sich ganz schnell erkennen: Ganz schön pudrig ging es zu! Jedes zweite Kleid, das da über den Teppich flanierte, strahlte in einem Puder-Ton. Kerry Washington im pfirsichfarbenen Miu Miu-Zweiteiler mit Schößchen, ein rosafarbenes Marchesa-Kleid an Karolina Kurkova, Jennifer Aniston in glitzernden Nude-Tönen von Atelier Versace, Oprah Winfrey in einer drapierten Vera Wang-Robe der gleichen Farbe. Und so weiter und sofort. Eine Bonbon-Farbe jagte die nächste, fast drohte die Zuckerwatten-Parade langweilig zu werden.

Ein paar besondere Exemplare stachen dann doch aus dem ganzen Pastell-Einerlei heraus: Das Kleid von Lupita Nyong'o zum Beispiel. Darin steckte nämlich besonders viel Arbeit: Fleißige Mitarbeiter von Calvin Klein Collection haben das Kleid den Vorstellungen von Chefdesigner Francisco Costa entsprechend per Hand mit rund 6000 Perlen bestickt. Hat sich gelohnt! Der dezente Perlenschimmer in zartem Nude-Ton konnte durchaus mit Lupita Nyong'os viel gelobtem hellblauen Prada-Kleid von den Oscars des letzten Jahres mithalten. Auch Faith Hills Stylist hatte eine Sternstunde: Die Country- und Popsängerin verirrte sich in einem cremefarbenen J. Mendel-Kleid auf den Filmpreis. Das Dekolleté der Robe war einem Wickelkleid entlehnt, das Rockteil fiel schmal zu Boden, dezente Stickereien unterstützten die 20er-Jahre-Optik.

In ihrer Masse wirkten die vielen hellen Farben trotzdem einschläfernd, ihre Trägerinnen wurden gestern Abend allerdings von ganz Oben bestätigt: Auch US Vogue-Chefin Anna Wintour trug ein Kleid in zartem Rosé. Und Pelz und Sonnenbrille. Klar. Die nahm sich auch während der Verleihung nicht ab. Ganz schön frech.

Viele derer, die nicht in Puder-Blau oder Rosa, Pfirsich oder Nude zu den Oscars 2015 gekommen waren, hatten auf noch mehr Helligkeit gesetzt. Die hellste aller Farben, die im Grunde gar keine ist, hatte gestern besonders gute Karten: Gleich drei der fünf Nominierten als beste Hauptdarstellerin kamen ganz in Weiß. Marion Cotillard in technoid inspirierter Haute Couture-Robe von Dior, Reese Witherspoon im starken Kontrast mit schwarz abgesetzter Gürtel- und Dekolleté-Linie von Tom Ford und Julianne Moore im Pailletten-Kleid von Chanel. Letztere ging schlussendlich als Siegerin nach Hause und machte so auch Karl Lagerfeld zum Gewinner. Der ist nämlich verantwortlich für die trägerlose Haute Couture-Robe mit floralen Details. Zumindest modisch betrachtet hätte sich hier noch besser Dior-Chef Raf Simons als Sieger gemacht. Beziehungsweise Marion Cotillard. Ihr geschmackvoller Auftritt baute auf ein Attribut, das in Hollywood im Allgemeinen und bei den Oscars im Besonderen sonst eher rar ist: Zurückhaltung.

Ich mag - dein Kostüm? Jennifer Aniston (l.) und Emma Stone herzen sich.
Ich mag - dein Kostüm? Jennifer Aniston (l.) und Emma Stone herzen sich.

© AFP

Lady Gaga nahm wieder einmal sehr viel Platz auf dem roten Teppich ein

Darin hat sich Lady Gaga bekanntlich nie geübt. So auch am Sonntag nicht. In ihrer ausladenden Robe beanspruchte die Sängerin ganz schön viel Platz auf dem roten Teppich. Das silbern glitzernde Rauschekleid steuerte Azzedine Alaïa bei. Eine Premiere für den Designer: Obwohl der tunesische Modeschöpfer seit den 80er Jahren innerhalb der Szene als einer der Talentiertesten seiner Zunft gilt, wurde noch nie einer seiner Entwürfe zu den Oscars ausgeführt. In mancherlei Hinsicht ist Alaïa ohnehin immer modischer Außenseiter geblieben. Über Anna Wintour hat er einmal gesagt, dass er “ihrem Geschmack nicht nur eine Sekunde lang vertraut”, Karl Lagerfeld hält er nur für eine “Karikatur seiner selbst”, die in ihrem Leben “nicht einmal eine Schere in der Hand gehalten hat.” Soviel Trotz gegenüber den vermeidlich ganz Großen ist natürlich erfrischend, mit dem Kleid gestern Abend hat Azzedine Alaïa allerdings weder sich noch Lady Gaga einen Gefallen getan. Der großzügige Schnitt, das ganze Glitzer, die bizarren blutroten Handschuhe: Das alles sah viel zu verkleidet aus. Gut, das tut Lady Gaga ja sowieso immer. Hauptsache Auffallen. Das war ihr im lilafarbenen Atelier Versace-Kleid letztes Jahr auch mit weniger Dramatik gelungen.

Ebenso auffällig: Crossdressing bei den Oscars! Zwar gab es diesmal keinen Jungs-in-Mädelssachen-Eklat, wie bei den Academy Awards 2000 - die für den besten Song des Films “Blame Canada” nominierten South Park-Macher Matt Stone und Trey Parker stürmten damals als Jennifer Lopez und Gwyneth Paltrow verkleidet und im LSD-Rauch den roten Teppich - für modischen Gesprächsstoff dürfte aber auch die umgekehrte Variante sorgen. Hat man Diane Keaton schon viele Male in Hosenanzug und Krawatte bei den Oscars gesichtet, lassen sich jetzt immer mehr Schauspielerinnen bei der Wahl zum Oscar-Outfit von ihren männlichen Kollegen inspirieren. Meryl Streep tastete sich im Lanvin-Outfit aus langem schwarzen Rock, weißer Bluse und schwarzem Jackett noch langsam ans Thema ran, Komponistin Diane Warren ging aufs Ganze und kam gleich in Hose und Blazer. Shirley McLane tat es ihr gleich, Jason Batemans Ehefrau Schauspielerin Amanda Anka kombinierte ihre schmale schwarze Hose mit High Heels und buntem trägerlosen Oberteil.

Auch Milena Canonero orientierte sich an der Männermode und trug weißes Hemd zum schwarzen Hosenanzug. Und die Canonero muss es schließlich wissen: Bereits zum vierten Mal nahm die Italienerin den Oscar für das beste Kostümdesign entgegen, diesmal für “The Grand Budapest Hotel”. Die anderen drei Gold-Trophäen hatte sie für “Barry Lyndon” 1976, “Die Stunde des Siegers” 1982 und zuletzt 2007 für Sofia Coppolas Kostüm-Sensation “Marie Antoinette” eingeheimst. Die Frau ist also vom Fach.

Von ihr hätten sich vielleicht auch einige männliche Kollegen beraten lassen sollen. An der Männer-Front war nämlich wieder ziemlich wenig los: Nur wenige lösten sich vom traditionellen schwarzen Einreiher. Jared Leto war einer von ihnen. Traute er sich letztes Jahr mit weißem Jackett und roter Fliege noch nicht ganz so viel, riskierte er gestern Abend deutlich mehr. Leto hatte sich für einen hellblauen Einknopf-Anzug mit Schalkragen von Givenchy entschieden. Ganz ähnlich der Gastgeber des Abends, Schauspieler Neil Patrick Harris: Auch er trug auf dem roten Teppich Einknop und Schalkragen, bei ihm in hellem Grau und von Ermenegildo Zegna Couture. Zwei gute Optionen dem obligatorischen Schwarz zu entsagen. Dass so was auch nach hinten losgehen kann, bewies HipHop-Musiker Will.I.Am. Modische Konventionen brechen hin oder her: Im längsgestreiften Stehkragen-Hemd, mit kragenlosem Jackett, hochgekrempelter Hose und weiß besohlten Schuhen, sah er dann doch zu locker für die Veranstaltung aus.

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