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Stefan Evers, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus,

© promo

CDU-Vize Stefan Evers zur Ehe für alle: "Wir haben den Kulturkampf um die Ehe gewonnen"

Zur Verpartnerung mit seinem Mann bekam er von der CDU den schönsten Hochzeitsstrauß: Stefan Evers, CDU-Vize im Abgeordnetenhaus, erklärt, warum seine Partei bei der Ehe für alle weiter ist als viele denken - und widerspricht Gegnern in der Union.

Bald will die Berliner CDU ihre Mitglieder über die Ehe für alle abstimmen lassen. Der Streit scheint die Partei zu spalten. Erst haben die Gegner der Ehe-Öffnung einen offenen Brief veröffentlicht. Jetzt haben die Befürworter, zu denen Sie auch gehören, mit einer Aktion vor dem Brandenburger Tor nachgezogen. Wie schätzen Sie die Stimmung in der Partei ein?

Zunächst einmal: Es wäre schlimm, wenn es den Brief der Gegner nicht geben würde. Wir wollen Meinungsvielfalt, da müssen auch alle Argumente vorgetragen werden. Wobei ich mich über manche Feststellungen in dem Schreiben wundere.

Und zwar?

Da wird zum Beispiel behauptet, bei heterosexuellen Paaren sei das Trennungsrisiko in einer Ehe aufgrund der Tiefe der gemeinsam eingegangenen Verpflichtungen wesentlich geringer als bei Homosexuellen. Da spricht die Statistik eine andere Sprache. Die Scheidungsquote bei der Ehe in ihrer heutigen Form liegt bei 36 Prozent, bei Eingetragenen Partnerschaften liegt sie bei 10 Prozent. Dennoch: Gut, dass die Argumente auf dem Tisch liegen – dann kann man sich damit auseinandersetzen.

Wie glauben Sie, wird der Mitgliederentscheid ausgehen?

Das ist sehr, sehr schwer zu sagen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, wie es bereits die Umfragen unter unserer Wählerschaft zeigen. Die sehen zwei Drittel der Unionswählerschaft bei Ja. Beim Landesparteitag sprach mich letztens eine ältere Dame an: ‚Das ist ja unterirdisch, was die CDU mit der Homo-Ehe macht.’ Ich stellte mich innerlich auf längere Diskussionen ein. Und dann erzählt sie, ihre Freundinnen hätten sie empört angerufen und gefragt, warum die CDU den Homosexuellen die Ehe verweigere. Das ginge nicht, wir wollten ja wohl nicht Bayern nach Berlin holen. Gerade viele Ältere sind bei dem Thema ziemlich entspannt.

Es wird nicht klar über Ja und Nein abgestimmt, sondern über ein siebenstufiges Stimmungsbild – von „Stimme überhaupt nicht zu“ bis „Stimme voll und ganz zu“. Was sagen Sie zu dem Abstimmungsprozedere?

Das Präsidium hat sich so entschieden, es wird sich etwas dabei gedacht haben. Für mich gibt es natürlich nur eine klare Antwort.

Ab welchem Durchschnittswert ist die CDU denn klar für die Ehe für alle?

Wie gesagt: Ich kämpfe für ein eindeutiges Maß an Zustimmung. Zustimmung ist Zustimmung: Ob voll oder ganz oder eher oder wie auch immer.

Wie wollen Sie skeptische Mitglieder überzeugen?

Jedes Mitglied bekommt Informationsmaterial zugeschickt. Die Befürworter legen dabei natürlich genauso ihre Argumente dar wie die Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe. Es gibt zahlreiche Diskussionsveranstaltungen in den Kreisverbänden. Wichtig sind vor allem Informationen. Das heiß umstrittene Adoptionsrecht ist einer der Punkte, bei dem wir deutlich weiter sind als viele denken.

Inwiefern?

Seitdem das Bundesverfassungsgericht die Sukzessiv-Adoption erzwungen hat, können homosexuelle Paare gemeinsam Kinder adoptieren. Das wissen viele noch gar nicht. Das Verfahren ist allerdings deutlich komplizierter als bei heterosexuellen Paaren - und zum Nachteil des Kindes, um dessen Wohl es doch dabei geht. Es kann nicht im Sinne des Kindes sein, wenn es bei der Adoption durch ein homosexuelles Paar erst dem einen und dann in einem weiteren formalen Akt auch dem anderen Partner zugesprochen wird. Auch wenn das in der Regel nicht lange dauert: Es kann passieren, dass das Kind Rechtsansprüche verliert, wenn einem der Partner etwas zustößt und es nicht von vornherein gemeinsam adoptiert wurde.

Was folgt für Sie daraus? Dass Lesben und Schwule beim Adoptionsrecht komplett gleichgestellt werden müssen?

Es geht bei der Adoption nicht um eine Gleichstellungsfrage. Weder heterosexuelle noch homosexuelle Paare haben einen Anspruch auf die Adoption von Kindern. Es geht ausschließlich um das Kindeswohl. Das ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare aber nicht ausgeschlossen sein sollte.

Bundesweit steht die CDU derzeit als die Partei da, an der die Ehe für alle noch scheitert. Wie fühlt man sich da als Schwuler in der CDU?

Ich bin gelassen. Das liegt doch eher an der Berichterstattung als daran, was wirklich stattfindet. Meinen schönsten Hochzeitsstrauß habe ich vom CDU-Parteitag bekommen. Großer Applaus, eine Karte, auf der ganz selbstverständlich stand: ‚Alles Gute zur Hochzeit!’ Es gab gar keine Karten mit der Aufschrift ‚Alles Gute zur Lebenspartnerschaft’. In dieser gelebten Wirklichkeit sind wir doch längst angekommen.

Stefan Kaufmann, schwuler CDU-Abgeordneter aus Baden-Württemberg, hat durchaus über feindliche Sprüche von Parteifreunden in Bezug auf seine Homosexualität berichtet.

Ich habe in der Berliner CDU noch nie Pöbeleien erlebt. Hätte das in irgendeiner Art und Weise meinen politischen Werdegang beeinflusst, hätte ich den Schluss gezogen, in der falschen Partei zu sein. Das war aber zu keiner Zeit der Fall.

Wie haben Sie die Äußerung ihrer saarländischen CDU-Parteifreundin Annegret Kramp-Karrenbauer empfunden, die die Ehe für alle in die Nähe von Verwandten- und Viel-Ehen gerückt hat?

Ich fand den Ton sehr unglücklich, aber auch die anschließende Art und Weise, mit ihrer Äußerung umzugehen. Wenn wir aber mal ehrlich sind, dann ist die Frage, wie wir die Ehe zukünftig definieren und abgrenzen wollen, bislang von niemandem deutlich beantwortet worden. Der Slogan „Ehe für Alle“ trifft es ja gerade nicht. Denn dann wecke ich solche Befürchtungen, wie Frau Kramp-Karrenbauer sie äußert.

Wie würden Sie die Bedenken von Kramp-Karrenbauer ausräumen?

Es geht um die Verbindung zweier nicht verwandter Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechts. Es geht um ein auf Liebe gegründetes und auf Lebenszeit gerichtetes Gelöbnis, füreinander einzustehen und Verantwortung zu übernehmen. Diese ganz besondere Zweierbeziehung ist ein Grundelement einer funktionierenden Gesellschaft. Ihr Dualismus ist für mich naturgegeben, tief in unseren kulturgeschichtlichen Wurzeln verankert. Das gilt für gleichgeschlechtliche Partnerschaften ebenso wie für verschiedengeschlechtliche Beziehungen. Ich nehme nicht den Ansatz einer gesellschaftlichen Diskussion wahr, das in Frage zu stellen. Das Gleiche gilt für das Verbot von Geschwisterehen. Insofern halte ich die Sorge vor einer „Ehe für Alle“ für völlig unbegründet. Als Partei haben wir den Kulturkampf um das Verständnis und den Stellenwert von persönlichen Bindungen und gemeinsam gelebten Werten in unserem Sinne gewonnen. Das müssen wir uns endlich bewusst machen. Es gab Zeiten, in denen die politische Linke gefordert hat, die Ehe abzuschaffen, es wurde gegen den bürgerlichen Ehebegriff polemisiert. Heute geht die Linke mit der Raubkopie dieses konservativen Themas bei bürgerlichen Homosexuellen auf Stimmenfang.

In Großbritannien hat Premierminister David Cameron von den Tories gesagt, er sei für die Ehe für alle, weil er konservativ und nicht obwohl er konservativ ist. Warum macht sich das die Bundes-CDU nicht zu eigen?

Unsere Partei befindet sich aber auf einem guten Weg. Ich empfinde die Diskussion gerade in der Berliner CDU viel bereichender als das, als das, was ich in anderen Parteien beobachte. Eine breite Debatte in der SPD sehe ich nicht, obwohl es auch dort durchaus Diskussionsbedarf gibt, wenn man sich an der Basis umhört oder sich die Meinungsumfragen zur Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe anschaut. Wir wollen und werden in der Berliner CDU keine Meinungen von der Spitze her verordnen in so einer grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Frage. Für eine Volkspartei ist es meiner Meinung nach der richtige Weg, die Mitglieder einzubeziehen.

Und wie lange wollen Sie noch diskutieren?

Die Frage einer Weiterentwicklung des Ehebegriffs berührt so viele Menschen in ihrer inneren Haltung, in ihren religiösen oder kulturellen Prägungen, dass ich mir gern die Zeit nehme, die es braucht, um sie zu überzeugen.

Hier lesen Sie das Papier der Befürworter der Ehe für alle in der Berliner CDU - und hier den offenen Brief der Gegner der Ehe-Öffnung.

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