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Zerstörung nach einem russischen Angriff auf Charkiw.

© Vitalii Hnidyi/REUTERS

Gespräch mit einer queeren Geflüchteten aus der Ukraine: „Der Krieg hat unsere Pläne zerstört“

Die 23-jährige Anastasiia Udalykh flüchtete zusammen mit ihrer Freundin aus Charkiw nach Berlin. Jetzt leben sie in einem Hostel. Ein Gespräch über ihre Flucht und queere Hilfe.

Was hast Du gemacht bevor der Krieg begann? 
Ich habe unter anderem als Model, Kellnerin und Chemie-Laborantin gearbeitet. Für eine Weile war ich dann in Polen. Im Dezember bin ich in die Ukraine zurückgekehrt, um ein Visum für Polen zu beantragen. Ich wollte zusammen mit meiner Freundin, die Psychologie studiert, dorthin ziehen, um Programmiererin zu werden. Doch dann begann der Krieg und alle unsere Pläne wurden zerstört.

Wie seid Ihr nach Berlin gekommen?
Wir haben Charkiw am 28. Februar mit einem Evakuierungszug verlassen und sind nach Lwiw gefahren. Von dort sind wir zur Grenze gegangen, wo uns eine Freiwillige des queeren Vereins Quarteera mit dem Auto abgeholt hat.

Wie habt Ihr von Quarteera erfahren? 
Meine Freundin war in verschiedenen Telegram-Gruppen und hat dort einen Hinweis auf Quarteera gefunden. Wir haben dann Kontakt mit der Hotline-Managerin aufgenommen, die uns viele Fragen stellte und schließlich helfen konnte. Es war uns wichtig, eine Organisation zu finden, die maximal loyal mit LGBT-Menschen ist, denn wir haben uns Sorgen über Homophobie gemacht.

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Wie war es als queere Person in Charkiw zu leben? 
Es ging eigentlich. Zum Glück ist mir nicht viel Homophobie begegnet. Wenn man nicht so viel über sein persönliches Leben redet, geht es. Allerdings kenne ich Leute, die Homophobie in ihren Familien erlebt haben. Ich übrigens auch – meine Mutter ist eine homophobe Frau. Außerdem kann es manchmal ein Problem bei der Arbeitssuche sein. Aber der letzten Zeit wurden einige Verbesserungen für LGBT-Menschen angestoßen, es sollte zum Beispiel etwas wie die Ehe für alle eingeführt werden. Das hat der Krieg nun erstmal ruiniert.

Konntest Du Hand-in-Hand mit der Freundin durch die Straßen laufen? 
Wir sind mutig und haben das gemacht. Allerdings hatten wir schon ein bisschen Angst, dass jemand aggressiv werden könnte.

Gibt es Orte, an denen sich die queere Community getroffen hat? 
Wir haben etwas ähnliches wie Quarteera. Wir nennen es „Hub“, ein Ort, an dem man sicher ist, wo LGBT-Events stattfinden, Demos organisiert werden etc. Wir haben weiterhin Kontakt mit einigen queeren Leuten. Manche sind nach Berlin gegangen, andere nach Polen oder in die Slowakei. Einige sind im Westen der Ukraine und mache weiterhin in Charkiw, wo sie als Freiwillige arbeiten.

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Wie ist es jetzt für Dich in Berlin? 
Wir sind in einem Hostel mit anderen Leuten. Es ist nett, nicht sehr groß, aber wir sind froh in Sicherheit zu sein. Gleichzeitig stehen wir stark unter Stress und haben auch depressive Gedanken. Meine mentale Gesundheit ist gerade nicht im besten Zustand.
Kannst Du schlafen? 
Ja, schon, allerdings nicht so richtig gut.

Hoffst Du, einmal nach Charkiw zurückzukehren? 
Ja, das habe ich vor. Aber nicht, um dort zu leben, eher als Touristin oder um zu helfen, die Stadt wiederaufzubauen.

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