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Letzte Party im Schwuz: Berlins queerer Schutzraum wurde selbst zu schlecht geschützt
Berlins größter queerer Club muss schließen. Das ist bitter, aber auch ein Signal an die LGBTIQ-Community, sich stärker für ihre Räume zu engagieren.

Stand:
Ausverkauft! Für die letzten beiden Partys im Schwuz gibt es keine Tickets mehr – solche Erfolgsmeldungen aus dem Vorverkauf hätte Berlins größter queerer Club öfter und vor allem früher gebraucht.
Doch viel zu lange kamen nicht mehr genug Feierwillige in die Neuköllner Betonhallen. Und diejenigen, die da waren, kauften nicht genügend Drinks, um den Betrieb noch wirtschaftlich zu gestalten. Deshalb ist nach Monaten mit Verlusten von bis zu 70.000 Euro, einer Entlassungswelle und einer gescheiterten Investorensuche im Insolvenzverfahren am Samstag Schluss mit der Location, die vor 48 Jahren als Schwulenzentrum in Schöneberg gegründet worden war.
Dass die Regenbogenhauptstadt nach dem Aus der Busche im August nun keinen queeren Club mehr hat – sieht man vom Lab.oratory für schwulen Sex einmal ab – hat große Symbolkraft. Entsprechend zahlreich sind die von einer Mischung aus Nostalgie und Dankbarkeit erfüllten Trauerbekundungen aus der LGBTIQ-Community.
Oft wird die Rolle des Clubs als Schutzraum erwähnt. Doch dieser Raum ist selbst nicht ausreichend geschützt worden, wobei ihm ja sogar das Gentrifizierungsgespenst horrender Mietforderungen erspart geblieben ist. Aber die Verantwortlichen trafen bei Personal und Konzept zu viele Fehlentscheidungen, ließen Dinge zu lange laufen. Auf das veränderte Ausgehverhalten nach der Pandemie wurde nie angemessen reagiert, dabei machten einzelne Erfolgsformate wie Ivanka T. mit ihrer „Femme Top“-Party vor, wie es gehen kann – vor allem auch durch eine engagierte Zielgruppenmobilisierung im Netz sowie ein ambitioniertes Booking.
Die Dragqueen wird sicher bald einen anderen Club finden, um diese oder eine ähnliche Reihe fortzusetzen. Denn glücklicherweise gibt es ja inzwischen in der ganzen Stadt Feiermöglichkeiten für queere Menschen, die ohnehin seit jeher zu den wichtigen Triebfedern des Nachtlebens zählen. Nicht zuletzt das Berghain und das Kitkat beweisen das. Sie trotzen der Clubkrise, die zuletzt legendäre Läden wie Watergate oder Mensch Meier und demnächst die Wilde Renate hinweggerafft hat.
Attraktive Konkurrenz ist ein weiterer Grund dafür, dass es für das Schwuz schwerer geworden war, den Laden voll zu bekommen. Gerade für ein nicht-männliches Publikum hatte die Neuköllner Institution in den vergangenen Jahren äußerst wenig zu bieten, während sich gleichzeitig neben dem Klassiker „Girlstown“ eine lebendige FLINTA-Partyszene an wechselnden Orten etablierte.
Weiterhin einen festen Ort zu haben, an dem immer etwas für die LGBTIQ-Community läuft, wäre trotzdem wichtig für Berlin. Denn stabile Schutzräume, in denen die queerfeindlicher werdende Welt für ein paar Stunden vergessen werden kann, braucht es derzeit mehr denn je. Sie zu schützen, ist eine Aufgabe für die ganze Szene. Vielleicht schafft das Schwuz ja eine Auferstehung in kleinerem Rahmen, mit frischem Konzept, bei dem es wieder regelmäßig heißt: „Wir sind ausverkauft!“
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