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„Eine starke Demokratie braucht eine starke Verfassung. Grundgesetz um LSBTIQ ergänzen“, stand auf dem Bundestag.

© LSVD

Protestaktion in Berlin: Queere Verbände warnen vor Rückschritten und fordern Erweiterung des Grundgesetzes

Aktivisten haben mit einer Protestaktion Union und SPD aufgefordert, die Rechte queerer Menschen im Koalitionsvertrag zu verankern und das Grundgesetz zu erweitern. Sie projizierten Forderungen an mehrere Gebäude.

Stand:

Mehrere queere Verbände warnen angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD vor Rückschritten für die queere Community und fordern mehr Schutz für queere Menschen. Am Donnerstag projizierten Aktivisten deshalb Forderungen auf mehrere Gebäude in Berlin.

Slogans wie „Eine starke Demokratie braucht eine starke Verfassung“ oder „Queere Rechte in den Koalitionsvertrag“ waren auf den Parteizentralen von CDU und SPD – dem Konrad-Adenauer-Haus und dem Willy-Brandt-Haus – sowie dem Kanzleramt und dem Bundestag zu lesen.

„Historische Schutzlücke schließen: Grundgesetz um LSBTIQ ergänzen“, stand auf dem Willy-Brandt-Haus, der Zentrale der SPD.

© LSVD

Konkret geht es um die Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes. Queere Verbände fordern seit langem, den Artikel zu ergänzen, um explizit auch queere Menschen vor Diskriminierung zu schützen.

„Nächstenliebe leben, Verfassung stärken: LSBTIQ im Grundgesetz schützen“, wurde auf das Konrad-Adenauer-Haus (CDU-Zentrale) projiziert.

© LSVD

„In den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD spielen die Rechte queerer Menschen öffentlichkeitswirksam kaum eine Rolle“, begründete der LSVD – Verband Queere Vielfalt (vormals Lesben- und Schwulenverband Deutschland) die Aktion in einer Mitteilung. Die Parteien müssten die gelebte Realität queerer Vielfalt anerkennen und LGBTIQ „endlich unter den Schutz des Grundgesetzes“ stellen.

„Queere Rechte in den Koalitionsvertrag: LSBTIQ im Grundgesetz schützen“, war auf dem Bundeskanzleramt zu lesen.

© LSVD

Sorgen bereitet dem Verband vor allem das Erstarken rechtsextremer Kräfte, „die bereits errungene Gleichstellungserfolge wieder rückgängig machen und LSBTIQ* zurück in die Unsichtbarkeit verdrängen wollen“, teilte Henny Engels vom Bundesvorstand des LSVD mit.

Die AfD, die nun mit 24 Prozent im neuen Bundestag sitzt, sei eine „Partei, die sich offen gegen die Gleichstellung von LSBTIQ* ausspricht“, so Engels.Deshalb müssten queere Menschen durch die Verfassung geschützt werden.

Berliner CSD fordert Erhalt des Selbstbestimmungsgesetzes

Auch der Berliner CSD kritisierte in einer Mitteilung am Donnerstag, dass wichtige Forderungen für schwule, lesbische, bi- und trans und inter Menschen in den laufenden Koalitionsverhandlungen nicht berücksichtigt würden. Der Verein fürchtet teilweise sogar Rückschritte. Er fordert Union und SPD auf, „den Schutz von queeren Menschen durch das Grundgesetz, den Erhalt des Selbstbestimmungsgesetzes und die Fortführung des Aktionsplans “Queer Leben” in den Koalitionsverhandlungen verbindlich festzuschreiben“, so der Berliner CSD.. Queere Rechte und queerer Schutz dürften keine Verhandlungsmasse sein.

Queere Menschen bilden die letzte während des Nationalsozialismus verfolgte Gruppe, die bis heute keinen grundgesetzlichen Schutz erfährt.

Thomas Hoffmann, Berliner CSD

Die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um ein Verbot der Diskriminierung gegen die sexuelle Orientierung „wäre nicht nur symbolisch bedeutend, sondern auch historisch überfällig“, teilte CSD-Vorstandsmitglied Thomas Hoffmann mit. „Queere Menschen bilden die letzte während des Nationalsozialismus verfolgte Gruppe, die bis heute keinen grundgesetzlichen Schutz erfährt. Dabei sind sie vielfach Ziel von Diskriminierung und Gewalt. Das muss sich dringend ändern“, forderte Hoffmann.

Besonders scharf kritisierte der CSD-Verein, dass CDU und CSU, wie bereits in ihrem Wahlprogramm angekündigt, das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen wollen – ohne einen konkreten Vorschlag für eine Neufassung zu machen. „Eine Abschaffung des Gesetzes würde für viele trans* Personen bedeuten, dass sie rechtlich und gesellschaftlich unsichtbar bleiben, ihre Identitäten nicht anerkannt und Transitionen faktisch verhindert würden“, so Monique King, Beirätin des Berliner CSD.

Tatsächlich findet sich das Aus für das Selbstbestimmungsgesetz als Unionsforderung in dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen der AG Familie von Union und SPD. Allerdings ist die SPD demnach gegen die Forderung.

Sorgen bereitet dem CSD zudem, dass sich Union und SPD bislang nicht auf eine Fortführung des „Aktionsplans Queer leben“ einigen konnten. Ziel des Planes ist die Bekämpfung von Hassgewalt, Hatespeech und rechtlichen Barrieren. „Dass die Parteien in den Koalitionsverhandlungen keinen Wert auf den Fortbestand dieses Plans legen, gefährdet queere Menschen zusätzlich“, schreibt der Berliner CSD. Laut einer EU-Studie würden etwa 47 Prozent der queeren Menschen Diskriminierung im Alltag erfahren.

Dass es in einer Koalition mit der Union zu keinen Verbesserungen und stattdessen Rückschritte für queere Menschen geben könnte, fürchtet auch so mancher innerhalb der SPD. So warnte Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano seine Partei bereits mehrfach davor, bei den Koalitionsverhandlungen queere Positionen nicht vorzeitig aufzugeben.

„Unsere queeren Rechte sind keine Verhandlungsmasse für politische Positionen oder Kompromisse“, schrieb er auf Instagram. Die „rückwärtsgewandten“ Ideen der CDU, das Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen und Gendersprache in Behörden verbieten zu wollen, bezeichnete Pantisano als „Angriffe auf unsere Rechte und unsere Identität“.

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