
© Andreas Batke
Sorbische Vogelhochzeit: „Wir wollen einen modernen subkulturellen Raum schaffen“
Mit einer queeren Version der traditionellen Vogelhochzeit hat das sorbische Kolektiw Wakuum in Cottbus Aufsehen erregt. Luka Golinski war beteiligt und erklärt im Interview, was dahinter steckt.
Stand:
Mit ihrem Kollektiv haben Sie vor kurzem eine queere Vogelhochzeit in Cottbus aufgeführt. Was kann man darunter verstehen?
Die Vogelhochzeit ist eigentlich eine sorbische Tradition, die in erster Linie in Kindergärten aufgeführt wird. In diesem Theaterstück geht es immer um die Hochzeitsgeschichte zwischen Wron, dem Raben, und Sroka, der Elster. Das kann durchaus kreativ sein, aber am Ende heiraten dann halt die beiden.
In Ihrer Version haben dann aber nicht der Rabe und die Elster geheiratet?
Nein. Quasi in jeder sorbischen Tradition haben Männer und Frauen eine klare Rolle, da bleibt wenig Raum für alles außerhalb der Binarität oder gleichgeschlechtliche Geschichten. Es gibt zum Beispiel einen Trachtenumzug durchs Dorf, da ist es ganz klar, dass Mann und Frau zusammenlaufen.
Wenn du als Mann einen Freund hast, dann machst du mit diesem Freund einfach nicht mit, sondern separat mit einer weiblichen Partnerin. Aber ein großer Teil des Kolektiw Wakuum ist selbst queer. Uns ist wichtig, unsere Traditionen so leben zu können, wie wir uns in ihnen repräsentiert sehen. Bei unserer Vogelhochzeit hat unter anderem die einzige sorbische Drag Queen mitgemacht, die mir bekannt ist – mit einem Kostüm, das auf der Tracht aus ihrem Heimatort basierte.
Wie war die Resonanz?
Es war rappelvoll, bis zu dem Punkt, dass wir die Vorstellung noch ein zweites Mal machen mussten, weil die Hälfte nichts gesehen hat. Wir dachten vorher, dass es vielleicht doch ein bisschen speziell ist, weil es quasi um zwei verschiedene Minderheiten geht und nur die kommen, die sich an der Schnittstelle sehen. Aber dann passierte das Gegenteil, dass viele aus einer Minderheit waren oder aus keiner von beiden und einfach interessiert. Irgendwann hat dann der RBB berichtet – und danach ging es auf Facebook ab.
Dort gab es mehr als 1000 Kommentare, oft hasserfüllte. Ein Großteil war wirklich unter der Gürtellinie. Ich hatte den Eindruck, dass die meisten von Menschen kamen, die gar keine Sorb*innen sind. Als Sorben kennt man sich oft untereinander. Die, die ich kannte, haben unsere Aktion eher verteidigt. Ich habe oft den Eindruck, dass vielen nicht-sorbischen Personen die sorbischen Traditionen eigentlich egal sind. Das fand ich interessant, dass die jetzt auf einmal ein Problem hatten. Bei sehr vielen anderen Problematiken, ob es der Sprachverfall ist oder ob uns wegen der Braunkohle unsere Dörfer weggenommen werden, würden diese Menschen nichts sagen.
Als Reaktion auf den Shitstorm haben Sie Hasskommentare auf die T-Shirts des Kollektivs drucken lassen und verkauft. Wie sind die angekommen?
Uns ging es eher um das Symbol und nicht darum, einen großen Verkauf zu starten. Wir produzieren die auf Vorbestellung, der Verkauf läuft noch bis diesen Freitag über unseren Instagram-Account.
Oft assoziiert man mit Sprachgruppen wie dem Sorbischen, oder auch dem Friesischen oder Plattdeutschen traditionelles, konservatives Brauchtum. Sie wollen diese Traditionen entstauben und auch Jüngere begeistern, die sorbische Kultur zu leben. Was hat bisher im Alltagsleben gefehlt?
Eins ist mir ganz wichtig: Es geht uns nie darum, die Traditionen abzubauen. Wir mögen die. Aber wir wollen auch einen modernen, jungen, subkulturellen Raum schaffen und den nicht nur im deutschsprachigen Kontext finden. Kunst machen, coole Veranstaltungen oder Partys schmeißen – das muss auch im sorbischen Kontext möglich sein. Deswegen ist uns das Kollektiv so wichtig.
Welche Erfahrungen haben Sie als junge, queere sorbische Person gemacht?
Ich bin in der sorbischen Community mehr im künstlerischen und städtischen Bereich unterwegs, da habe ich relativ positive Erfahrungen gemacht. Sicher kommen mal Leute, die es nicht verstehen, aber mit denen kann man sich unterhalten. Das Schöne ist: Innerhalb des Sorbischen hat man schon diese Gemeinsamkeit, dass man sorbisch ist. Darüber fällt es leichter, den Fuß auch für andere Identitätsaspekte in die Tür zu bekommen. Auf dem Dorf ist es natürlich so, wie es auf dem Dorf ist: Da gibt es auch coole Leute, aber da merke ich schon eher Gegenwind.
Wir leben nur zum ersten Mal in einer Zeit, in der Queerness auch im sorbischen Raum gelebt werden kann.
Luka Golinski
Gibt es eine prominente queere sorbische Person, die als Vorbild dienen könnte?
Forschung über queeres Leben im Sorbischen gibt es nicht, daher ist es schwierig, sich in der sorbischen Vergangenheit Vorbilder zu suchen. Auch wenn es sie sicherlich gegeben hat, denn Queerness ist an sich ja nichts Neues. Wir leben nur zum ersten Mal in einer Zeit, in der sie auch im sorbischen Raum gelebt werden kann. Dabei inspirieren mich hauptsächlich meine queeren sorbischen Freund*innen.
Ihr Kollektiv macht Roadshows durch die gesamte Lausitz. Wie stark ist das Sorbische dort überhaupt noch vertreten?
Es gibt mehr Sprecher*innen des Obersorbischen, also in der Oberlausitz. Dafür wird den Sorben in der Niederlausitz nachgesagt, dass sie einen innovativeren Ansatz haben. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir eine noch kleinere Gruppe sind – und uns die Sorge umtreibt: Wenn man sich denen, die da sind, nicht annimmt, wer bleibt dann noch?
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