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Trotz Gefahr in der Heimat: Schwuler Mann wurde in den Irak abgeschoben
Nach einem fragwürdigen Asylverfahren ist diese Woche ein homosexueller Iraker in sein Heimatland abgeschoben worden. Dort wurden erst in diesem Jahr die Repressionen gegen die queere Community verschärft.
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Abschiebungen erzeugen oft menschliches Leid. Das gilt besonders für Ali, der schwul ist und am 10. September in den Irak abgeschoben wurde. Dort droht ihm eine Gefängnisstrafe oder sogar der Tod. Ali wurde abgeschoben, ohne dass seine Homosexualität im Asylverfahren als Fluchtgrund berücksichtigt wurde.
Tobias Wöhner vom Verein Imedana Nürnberg, bei dem Ali und sein Partner Adam Hilfe gesucht hatten, war bei der letzten Anhörung des Paares anwesend. „Das Ergebnis stand offensichtlich bereits fest“, erinnert er sich. Die Entscheiderin habe klargemacht, dass sie keine Zeit habe, Alis Partner anzuhören. „Ich hatte das Gefühl, dass es sich hier um eine ,Alibi-Anhörung’ handelt.“
Obwohl Alis Queerness Hauptgrund für seine Flucht und die Kernfrage des Asylverfahrens war, wurde sein Partner nicht angehört. „Nach 90 Minuten erklärte die Entscheiderin Alis Homosexualität für unglaubwürdig. Dabei war seine langjährige Beziehung eidesstattlich versichert und wir kennen das Paar schon lange“. Der Input der queeren Community sei ignoriert worden.
Ali war im Irak von seiner Familie gezwungen worden, eine Cousine zu heiraten, berichtet Wöhner. Später sei er zusammen mit seiner Familie aus dem politisch unstabilen Land in die Türkei geflohen. Dort lernte er Adam kennen, der ebenfalls Iraker ist. Die beiden entschieden, dass es für sie in Deutschland sicherer sei, konnten aber nicht gemeinsam ausreisen. Unterwegs verloren sie ihre Mobiltelefone und den Kontakt.

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„Erst nach Monaten in Deutschland haben sie sich durch Zufall wiedergefunden. Die Freude war riesig, aber leider von kurzer Dauer“, sagt Wöhner. Denn schon bald kam Ali in die Abschiebehafteinrichtung Eichstätt. Dort wurde er mehrfach Opfer von homofeindlicher Gewalt. Er sei geschlagen, beleidigt und sogar vom Personal diskriminiert worden, so Wöhner. Sie hätten ihn „Alexandra“ genannt. „Ich selbst habe mehrfach in Eichstätt angerufen, um auf Schutzmaßnahmen zu drängen.“
Erst als seine Anwältin einschritt und die AHE Eichstätt aufforderte, für Alis Sicherheit zu sorgen und das Bayerische Justiz- und Innenministerium informiert wurden, sei adäquat reagiert worden. Ali wurde aus Sicherheitsgründen in die Abschiebehaft nach Hof verlegt.
Dokumente zu spät zugestellt
Während des Asylverfahrens scheinen mehrere Grundsätze verletzt worden zu sein, die dafür eigentlich gelten. Zum Beispiel erreichten Alis Anwältin wichtige Dokumente zu spät oder gar nicht: Ein Bescheid sei an einen falschen Anwalt geschickt worden, berichtet Tobias Wöhner. So war es unmöglich, rechtzeitig gegen den Beschluss zu klagen.
Als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) doch noch Alis Partner Adam anhören wollte, schöpfte das Paar Hoffnung. Anfang August fuhren Tobias Wöhner und Adam, dessen eigenes Asylverfahren noch läuft, zu der Anhörung. Im Anschluss sollten sie erfahren, wie das BAMF Alis Fall bewerten würde. Diese Mitteilung habe bis heute nicht stattgefunden. „Für mich ist offensichtlich, dass das BAMF die Abschiebung von Ali nicht gefährden wollte.“
Also haben man dort trotz zahlreichen Nachfragen, den Fall einfach entschieden, erklärt Wöhner. „Es ist selbst für diejenigen von uns mit jahrelanger Erfahrung schockierend, wie das BAMF mit diesem Fall umgegangen wurde.“
Mit dem Flieger nach Bagdad
Der letzte Versuch, die Abschiebung zu stoppen, war eine Petition beim Bayerischen Landtag. Die CSU lehnte sie mit ihrer Mehrheit ab. Und so wurde Ali am Dienstag zusammen mit 34 weiteren Irakern nach Bagdad ausgeflogen. Die anderen Abgeschobenen wissen von Alis Homosexualität, sie könnten ihn im Irak sofort outen. Auch seine Familie weiß Bescheid und ist eine Gefahr für ihn.
Erst in diesem Frühjahr verschärfte das irakische Parlament die Repression gegen Homosexuelle. So können gleichgeschlechtliche Beziehungen nun mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. „Gewalt bis hin zu Mord an queeren Menschen ist im Irak allgegenwärtig, besonders durch Milizen, aber auch durch die eigenen Familien“, sagt Patrick Dörr, Bundesvorstand des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt, der sich ebenfalls für Ali engagiert hat.
Dort sei man „entsetzt, dass BAMF und Bayrische Regierung die Abschiebung des schwulen Mannes auch trotz unseres Drängens nicht abgebrochen haben“.
Laut einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofs von 2013 haben Menschen, die in ihren Heimatländern wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt werden, in der EU ein Recht auf Asyl.
Am Abend von Alis Abschiebung erreichte Wöhner Alis letztes Lebenszeichen. Mit jedem weiteren Tag, der verstreicht, schwinde seine Hoffnung. Er sieht Alis Schicksal eng verbunden mit der gegenwärtigen Diskussion um das Asylrecht und die Behandlung von Geflüchteten: „Ohne das aktuelle Klima und die Vorstöße der Ampelregierung wäre das Vorgehen des BAMFs und auch die Entscheidungen des Gerichts nicht möglich gewesen. Nancy Faeser hatte besseren Schutz für queere Geflüchtete angekündigt, was dies in der Praxis bedeutet, konnten wir nun eindrücklich sehen“, sagt Wöhner.
Ähnlich äußert sich Patrick Dörr vom LSVD⁺: „Bei allen nötigen Reformen darf es nicht sein, dass wie im Fall von Ali auch tatsächlich massiv bedrohte Menschen abgeschoben werden, nur um bestimmte Abschiebezahlen zu erreichen.“ Die Regierung müsse reguläre Fluchtwege ausbauen. „Dass gerade jetzt auch noch dem Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan, über das auch queere Menschen vor den Taliban gerettet werden, der Garaus gemacht werden soll, ist für uns unbegreiflich“, so Dörr.
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