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Fabian Grischkat will Berlin queerpolitisch voranbringen.

© innn.it

Von Instagram in die Politik: Fabian Grischkat will Queerbeauftragter für Berlin werden

Der Content-Creator hat sich in einer Petition selber für das neue Amt des Queerbeauftragten der Stadt nominiert. Warum, erklärt er im Interview – und spricht über eine Kooperation mit Giffey und Wegner.

Fabian Grischkat, Sie haben eine Petition gestartet, in der Sie sich selbst als Queerbeauftragten für Berlin vorschlagen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Das klingt absurd, aber ein Stück weit auch aus Langeweile. Als die ersten Informationen aus dem Koalitionsvertrag durchsickerten und klar war, dass es einen Queerbeauftragten für das Land Berlin geben soll, war ich gerade in einem kleinen Content-Loch. Dadurch kam die Idee, Queerbeauftragter zu werden – zunächst aus Spaß.

Ich habe also ein Video hochgeladen, in der ich eine Amtsansprache halte und dachte, es wäre eindeutig, dass es ein Scherz ist. Dann haben mir aber plötzlich ganz viele Leute gratuliert. Sogar meine beste Freundin rief mich an und sagte, sie habe immer gewusst, dass aus mir etwas werden würde.

Wie ging es dann weiter?
Ich musste erstmal allen erklären, dass ich nicht Queerbeauftragter von Berlin werde. Dann hat mich abends die Organisation innn.it angerufen und vorgeschlagen eine Petition zu starten. Es wäre ja theoretisch möglich, dass ich Queerbeauftragter werde. Man könnte auch einen Außerparlamentarier nominieren. Außerdem kann die Petition ein übergeordnetes Ziel verfolgen, nämlich mit beiden Parteien in den Austausch zu kommen. Ich habe also aus heiterem Himmel zugesagt. Am nächsten Morgen war dann die Petition da, das ging ganz schnell.

Der Slogan der Petition lautet „Weil er sehr gut ist“. Inwiefern sind Sie denn besonders gut geeignet für das Amt?
Die Stadt Berlin fördert jetzt schon gute queere Projekte wie Quarteera oder den Migrationsrat und hat sicher sowohl bei der CDU als auch der SPD einige geeignete Leute in petto. Aber sie werden das niemals so perfekt machen wie ich (lacht). Denn mich zeichnet eine junge, quirlige und bissige Herangehensweise aus.

Ich gebe mich nicht zufrieden mit Kompromissen, ich möchte für diese Stadt kämpfen und ich kann gut für eine junge queere Generation sprechen. Meist sind eher alte schwule Männer vertreten, die in den vergangenen Jahren einen wichtigen Weg geebnet haben für die junge Community.

Der Altersaspekt spielt auch in Ihrer Petition eine Rolle. Dabei sind doch mittlerweile einige junge queere Menschen wie die Grünen-Politikerin Nyke Slawik in politischen Institutionen wie dem Bundestag vertreten
Bei der aktuellen Bundesregierung wirkt das wie eine Projektarbeit nach dem Motto: Wir probieren mal aus, ob junge Abgeordnete es schaffen und sich durchsetzen können. Ich bin mir unsicher, ob der Altersdurchschnitt auf Bundesebene nicht in den kommenden Jahren sogar wieder nach oben geht. Davon abgesehen sind es in absoluten Zahlen gar nicht so viele. Nyke Slawik macht auf Bundesebene einen guten Job, aber auch auf Landesebene bracht es eine Nyke. Wichtig ist es, den intersektionalen Blick zu schärfen.

Nyke Slawik ist Mitglied des Bundestags.
Nyke Slawik ist Mitglied des Bundestags.

© IMAGO/photothek

Was bedeutet das konkret?
Die queere Community ist unglaublich vielschichtig. Das haben wir in den vergangenen Jahrzehnten etwas verpennt. Ich sehe das insbesondere, wenn ich in der Jugendarbeit mit Menschen mit migrantischem Hintergrund spreche. Viele haben gar nicht auf dem Schirm, dass dazu auch queere Jugendliche zählen nach dem Motto: Queerness ist nur weißen Menschen zugänglich.

In Berlin gibt es zwar mittlerweile einige Projekte, die sich nicht nur auf weißen queeren männlich dominierten Aktivismus fokussieren, sondern auch auf beispielsweise queere Menschen mit Fluchterfahrung. Das alte Bild vom CSD, auf dem ein paar Männer in Latex laufen, haben wir hinter uns gelassen. Ich habe aber die Befürchtung, dass der intersektionale Gedanke mit einer Großer Koalition über Bord geworfen wird. 

Wäre es aus intersektionaler Perspektive nicht besser, eine nicht weiße queere Person als Queerbeauftragten zu benennen?
Das wäre mein Wunschgedanke. Der eigentliche Plan ist, dass ich das Amt zunächst an mich reiße. Aber so wie ich mich kenne werde ich nach spätestens zwei Wochen sowieso keine Lust mehr haben und dann würde ich den Weg frei machen für eine noch bessere Kandidatin – idealerweise nicht männlich und nicht weiß.

Wo sehen Sie queerpolitisch aktuell den größten Bedarf in Berlin?
Grundsätzlich würde ich sagen, wir fokussieren uns zu sehr auf Mitte und Bezirke, die im mittleren Raum von Berlin liegen. Aber selbst die hinken hinterher. Ich dachte immer Friedrichshain-Kreuzberg wäre ein toller Ort für junge queere Menschen, aber selbst da gibt es kaum Jugendeinrichtungen für trans, inter und nicht-binäre Personen.

Wir brauchen mehr Projektarbeit in den Außenbezirken, die oft vergessen werden. Der Krieg in der Ukraine hat zudem eine Migrationswelle verstärkt, die viele queere Geflüchtete mit sich bringt. Queere russisch– und ukrainischsprachige Projekt müssen deshalb ausgebaut werden. In ganz Berlin haben wir nur drei Jugendeinrichtungen, die sich spezifisch an queere Kinder und Jugendliche richten. Das sollte sich ändern.

Welche Reaktionen haben Sie bislang erhalten?
Pure Begeisterung. Ich bin aktuell nicht in Berlin, aber ich meine, dass am Bundestag gerade eine Flagge mit meinem Gesicht gehisst wurde (lacht). Die Bürgerinnen und Bürger sind sich einig: Sie wollen Fabian Grischkat.

Nein, im Ernst: Negatives Feedback habe ich kaum bekommen. Mittlerweile haben die Petition über 3000 Menschen unterschrieben.  Tatsächlich haben sich auch Politiker*innen bei mir gemeldet, allerdings keine aus der Berliner CDU oder SPD. Vor allem von Seiten queerer Grünen-Politiker*innen gab es positive Rückmeldungen. Die Petition hatte ich an Franziska Giffey und Kai Wegner gerichtet, die beiden haben sich bislang nicht gemeldet. Grundsätzlich bin ich aber bereit mit beiden zu kooperieren, auch wenn ich selbst parteilos bin.

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