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Solidaritätsdemo für die Ukraine in München.

© Aaron Karasek/Imago

„Angst, dass der Kontakt abbricht“: Wie eine bayrisch-ukrainische Gruppe LGBTIQs im Kriegsgebiet unterstützt

„Viele sitzen im Bunker, einige sind schon auf der Flucht“: Die Gruppe „MunichKyivQueer“ hilft queeren Menschen in der Ukraine und sammelt Spenden.

Bei der Münchner Kontaktgruppe „MunichKyivQueer“ (MKQ) wird gerade rund um die Uhr gearbeitet. Seit zehn Jahren sind die Mitglieder im Kulturaustausch mit LGBTIQs in der Ukraine, bieten dort zum Beispiel politische Workshops an und fahren zu Pride Paraden, vor allem dem in Kiew. Seit Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine wird alles versucht, queere Menschen vor Ort zu unterstützen.

„Viele sitzen im Bunker, einige sind schon auf der Flucht“, sagt Alex Belopolsky vom Team von „MunichKyivQueer“. „Ich habe dauernd Angst, dass zu denen, mit denen man gerade noch geschrieben hat, auf einmal der Kontakt abbricht.“

Die ersten Spenden sind überwiesen

Um queeren Menschen aus der Ukraine auf der Flucht zu unterstützen, ruft MKQ zu Spenden auf (Infos dazu hier). Die ersten Gelder seien tatsächlich schon überwiesen, sagt Belopolsky.

Dem Spendenaufruf hat sich inzwischen auch der Lesben- und Schwulenverband in Bayern angeschlossen. In der Ukraine wiederum bitten LGBTIQ-Organisationen ebenso um Unterstützung, etwa der Kyiv Pride.

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Was können Menschen hierzulande neben Spenden noch tun? „Nicht auf Propaganda reinfallen, Quellen checken“, sagt Beloposky. „Und: die richtige Sprache benutzen.“ Damit ist zum Beispiel gemeint, statt von der „Ukraine-Krise“ vom „Krieg Russlands gegen die Ukraine“ zu sprechen. Laute, öffentliche Proteste in Deutschland seien wichtig.

Belopolsky hat selber Angehörige und Freunde in der Ukraine: In Kharkiv im Nordosten der Ukraine und in der Hauptstadt Kiew, die seit zwei Tagen bombardiert werden, und in Lwiw im Westen der Ukraine, das ebenfalls mit Raketen beschossen wurde. Wer helfen wollen, müsse einfach zuhören, was vor Ort gebraucht wird, sagt Belopolsky.

Alex Belopolsky von der Gruppe MunichKyivQueer.
Alex Belopolsky von der Gruppe MunichKyivQueer.

© Stas Mischenko

Zum Terror des Krieges geht bei der LGBTIQ-Community in der Ukraine die Angst vor möglichen Folgen einer russischen Besetzung um. Die USA haben bereits vor schweren und „weitverbreiteten“ Menschenrechtsverletzungen an Oppositionellen und gefährdeten Minderheiten wie LGBTIQs gewarnt, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. 

„Das würde ich sehr ernst nehmen“, sagt Belopolsky. Man müsse nur schauen, wie die Lage in den seit 2014 russisch besetzen Gebieten des Donbas aussehe. Als erstes sei ein schwuler Club zerstört worden, danach ein LGBTIQ-freundliches Kulturzentrum. Folter und Menschenrechtsverletzungen seien vielfach dokumentiert, „die Menschenrechtssituation ist eine Katastrophe“, sagt Belopolsky. „Das alles sind Zustände seit acht Jahren, mitten in Europa.“

Mehr zum russischen Angriff auf die Ukraine bei Tagesspiegel Plus:

In den beiden selbsternannten „Volksrepubliken“ sei die russische Gesetzgebung in Bezug auf Homosexualität übernommen worden, darunter auch das „Propagandagesetz“, das die öffentliche Erwähnung von Homosexualität unter Strafe stellt. In einer der beiden Teile sei Homosexualität insgesamt zeitweise unter Strafe gestellt worden, in der anderen wurde dafür die Todesstrafe vorgeschlagen, wenn auch nicht eingeführt.

Die Lage für die queere Community hat sich seit 2014 verbessert

In der Ukraine dagegen habe sich die Lage für die queere Community seit 2014 verbessert, sagt Belopolsky. „Vor allem in der öffentlichen Akzeptanz gibt es Fortschritte.“

Zwar gebe es immer noch gewaltbereite Nationalisten und Rechtsradikale. Dennoch: Vor zehn Jahren seien Pride Paraden in den großen Städten des Landes wie heute kaum vorstellbar gewesen. Es gebe immer mehr LGBTIQ-Organisationen, sogar einen Verein für Eltern von queeren Kindern. Die Zivilgesellschaft sei enorm gewachsen, auch ein Diskriminierungsschutz für queere Menschen am Arbeitsplatz sei eingeführt worden. Auch das stehe jetzt alles auf dem Spiel.

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