
© Ann Jørgensen VisitNordsjaelland
Eine kleine Schlosspartie: Auf den Spuren dänischer Monarchen
Das Land ist eine parlamentarische Monarchie. Ein guter Grund, die königlichen Wohnsitze zu entdecken.
Stand:
Rund ein halbes Jahrhundert ist es her, da wollte Frederik X. von Dänemark so gar nichts von seiner Bestimmung wissen. Auf dem Dachboden soll sich der damals fünfjährige Prinz vor den Kindermädchen Seiner Majestät versteckt haben. Nur um, schließlich gefunden, zu quengeln: „Ich will nicht König werden.“
Genutzt hat es ihm nichts. Ebenso wenig wie sein folgendes Leben als Kampfschwimmer (inklusive Hai-Tattoo auf dem Bein), Sportwagen-Sammler und Liebhaber zahlreicher Models. König ist er seit dem 14. Januar 2024 trotz alledem und das sogar vor der Zeit, wenn man so will.
Denn Frederik bestieg den Thron nicht etwa weil seine Mutter, Königin Margrethe II., das Zeitliche segnete, sondern weil sie vorzeitig abtrat. Beliebt wie eh und je — Zustimmungsraten von 80 Prozent der Bevölkerung waren die Regel während ihrer 51-jährigen Amtszeit — und aus freien Stücken. So etwas hatte es knapp eintausend Jahre nicht gegeben und war ein entsprechend gigantisches Gesprächsthema im Volk.
Das muss unbedingt erwähnt werden, weil man sich als Tourist sehr gut durch das wunderbare Dänemark bewegen kann, ohne mitzubekommen, dass es sich bei diesem sechs Millionen Einwohner großen Land um eine parlamentarische Monarchie handelt. Was die Frage aufwirft: Sofern man nach königlichen Spuren sucht – was lässt sich finden?
Landschaften wie auf Fotos von Butterverpackungen
Nun werden Status, Macht und Selbstverständnis von Menschen am sichtbarsten dort, wo sie wohnen. Weshalb sich zur Erkundung der dänischen Monarchie eine Schlösser-Tour anbietet. Von Berlin aus liegt Seeland nahe, die nicht nur die größte Insel der Ostsee überhaupt ist, sondern zugleich auch noch rund 40 Prozent der dänischen Bevölkerung beheimatet. Bestens zu erreichen über die Fährverbindung Rostock-Gedser, die je nach Saison acht Mal am Tag fährt und mit zwei Stunden Dauer genau die richtige Länge aufweist, um gefühlt bereits im Urlaub anzukommen, obwohl man streng genommen noch dahin unterwegs ist.
Vom Fährhafen in Gedser brauchen Reisende mit dem Pkw knapp eineinhalb Stunden, ehe sie Schloss Liselund erreichen. Das Auto, sofern man es mit seinem ökologischen Gewissen vereinbaren kann, ist das unbedingte Mittel der Wahl für Reisen durch Dänemark. Es fährt sich so angenehm unangestrengt durch den Inselstaat.
Die Landstraßen sind in perfektem Zustand, nicht sonderlich stark frequentiert, und wer darauf unterwegs ist, wird auch dank des Geschwindigkeitslimits von 80 km/h auf entspannte Verkehrsteilnehmer treffen. So gleitet der Wagen entspannt dahin, und bald quillt das Auge über vor seicht-satter Landschaft, die immer wieder wirkt, als kenne man sie von den Fotos auf Butterverpackungen.
In Schloss Liselund angekommen wähnt man sich dann allerdings eher in einer Werbung für einen Earl Grey. Dabei fährt man streng genommen gar nicht am Schloss vor, sondern an einem 1877 und damit rund 100 Jahre nach dem Schloss errichteten Gutshaus. Das dient als charmant eingerichtetes Hotel. Vom nachträglich eingebauten, modernen Bad und der Elektrik abgesehen, wirken die Zimmer, als seien sie vor 150 Jahren so verlassen worden.

© Frame & Work
Dazu dieser Blick aus dem Fenster, direkt auf den weitläufigen, französisch inspirierten Garten des eigentlichen Schlosses. Welche Sorgen auch immer man mit sich im Gepäck führt, zumindest momentweise wollen sie einem in diesem Umfeld schonmal entfallen.
Das Schloss ist das kleinste des ganzen Landes, gehörte einst dem dänischen Ur-Adel, hat mit der Königsfamilie also nur über Umwege zu tun. Und wenn wir schon dabei sind, Geständnisse abzuliefern, sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass sich Liselund gar nicht auf Seeland, sondern der ihr vorgelagerten Insel Møn befindet, berühmt für seine Kreidefelsen.
Liselund fungiert als Außenstandort des Dänischen Nationalmuseums, auch weil Hans-Christian Andersen hier im Jahr 1835 für eine Weile lebte und dabei das Märchen „Das Feuerzeug“ schrieb. Was wiederum eine gewisse Komik in sich birgt, schließlich mündet es im Tod eines herrschenden Königspaares.
Kieswege und emsiges Personal
Die äußerst kurzweilige Schloss-Führung sei unbedingt empfohlen, ebenso das köstliche Frühstück im Hotel, welches Gäste bevorzugt auf dem Balkon mit Gartenblick einnehmen. Wer sich hier nicht herrschaftlich fühlt, fühlt es nirgends.

© Mads Tolstrup
So lässt es sich gut in den zweiten Tag der Schlösser-Tour starten, zumal nun auch die Krone ins Spiel kommt mit dem rund eineinhalb Stunden entfernten Rokoko-Schloss Gavnø, gesprochen „Gauna“. Ursprünglich ein königlich gestiftetes Kloster, fiel der Grund im Zuge der Reformation zurück an die Krone, anschließend an die Familie Thott, die es in Person von Nachfahre Baron Otto Reedtz-Thott auch heute noch bewohnt.
Gavnø, streng genommen eine eigene Insel im Süden Seelands, ist zunächst eines: riesig. Und wirkt auf den zweiten Blick wie die Kulisse einer ARD-Vorabendserie. Der in die Jahre gekommene, englische Sportwagen vor dem Seitenflügel, natürlich in British Racing Green lackiert. Die Kieswege und das emsige Personal, das wie eine Sisyphos-Kohorte versucht, der Fülle der Aufgaben gerecht zu werden.
Dazu kommen die jährlichen, gesellschaftlichen Höhepunkte auf dem Gelände. Etwa im April und Mai, wenn der Schlossgarten zur Bühne für das größte Tulpenfest Dänemarks wird. Das „Gavnø Classic Autojumble“ im Juni, ein Oldtimer-Treffen, dessen Archiv-Bilder viele Hüte, weiße Leinenstoffe und Champagner-Gläser bereit halten.
Daneben protzt das Schloss mit der größten privaten Gemäldesammlung Nordeuropas, rund 1.000 Werke stark, dessen Kern aus der größten Porträtsammlung Dänemarks besteht. Das fühlt sich bei Ansicht etwas weniger imposant an, als es klingt. Bei so vielen Gesichtern, die dicht an dicht und Wand auf Wand hängen, verliert sich schnell die Empfindung, etwas Besonderem zu begegnen.

© Stephanie Hamilton
Die begehbaren Zimmer des Schlosses, von denen acht zuletzt renoviert und in den Originalzustand versetzt wurden, lassen einen da schon lebhafter wahrnehmen. Auch charmant: Ein einen Steinwurf vom Schloss entferntes Nebengebäude beherbergt Ferienwohnungen. Die kleinste Option mit zwei Schlafzimmern, drei Betten und einem ausgestopften Bären ist ab 101 Euro pro Nacht zu haben.
Für private Übernachtungen leider nicht zur Verfügung steht das im Norden Seelands gelegene Schloss Frederiksborg. Dafür wird es auf der dritten und letzten Station des royalen Roadtrips äußerst majestätisch. Frederiksborg gilt als größtes und bedeutendstes Bauwerk der nordischen Renaissance. Hier wurden und werden Könige gesalbt, königliche Ehen geschlossen, hier wurde 1720 der große nordische Krieg zwischen Dänemark und Schweden beendet.
Taumel im Museum
Zudem beheimatet es das nationalhistorische Museum, gegründet und bis heute unterstützt von der Carlsberg-Brauerei. Es umfasst sämtliche Genres und Gattungen und ist eines jener seltenen Museen, die man nicht pflichtschuldig abzuarbeiten braucht, um das eigene Kultur-Karma-Punktekonto aufzuladen. Eher gleicht es einem lang anhaltendem Taumel, sich durch die Stockwerke und Zimmer zu bewegen und dort zu verweilen, wo das Auge aus purer Lust hängen bleibt.

© Ann Jørgensen
Überhaupt ist Frederiksborg anders. Denn während sich Dänemark-Tourismus ansonsten oft so anfühlt, als sei das Unterwegssein das eigentliche Hygge, als sei Dänemark-Tourismus deshalb so erholsam, weil es eigentlich nichts zu sehen gibt, das aber auf angenehme Art und Weise, ist Frederiksborg fast schon so etwas wie ein Erlebnispark.
Das liegt vor allem am wirklich fantastischen Nationalmuseum. Aber auch an der „kleinen Fähre“, die 30 Minuten braucht, um auf dem Schlosssee die „schönste Seemeile“ Dänemarks zu zurückzulegen. Oder am gigantischen Barockgarten, der hinter jeder Hecke so wirkt, als sei man in Sophia Coppolas Pop-Verfilmung von „Marie Antoinette“ geraten.
Und während man so durch diesen Garten schlendert, in perfekter Sichtachse zum Schloss, dem immerhin 26.-größten Schloss dieser Welt (knapp vor Schloss Schönbrunn in Wien und knapp hinter dem Palazzo Pitti in Florenz), hat man Muße genug, sich den größeren Fragen zuzuwenden. Zum Beispiel: Was hatte er nur, der fünfjährige Prinz Frederik, dass er kein König werden wollte?
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