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Auf Drenagh Castle offenbart die grüne Insel ihre ganze Pracht.

© Stephanie Bisping

Frühlingsanfang in Nordirland: Grüner die Gärten nie sprießen

Ein Schlossherr, der das Rasenmähen liebt, eine alte Dame, die für ihr Herrenhaus ins britische Fernsehen ging, und die grüne Vision von König Charles: ein Streifzug durch Nordirlands Gärten.

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Zügig durchmisst Conolly McCausland den Park von Drenagh. „Ich konnte einfach nicht aufhören, Rasen zu mähen“, erklärt er seine Verspätung. Mit Grasflecken auf der Jeans und achtlos übergeworfener Jacke entspricht der 60-Jährige nur bedingt dem Bild eines Schlossherrn mit 100 Zimmern und 400 Hektar Land.

Vor zwei Jahren begann er mit der Restaurierung der Gärten, die ihn vermutlich den Rest seines Lebens beschäftigen wird. Der ummauerte Garten, in dem einst Obst und Gemüse für die Küche sowie Blumen für die Tafel gediehen, war seit dem Zweiten Weltkrieg langsam verfallen; Vandalismus versetzte ihm in den 1970er Jahren den Todesstoß. Heute verschönern ihn akkurate Grünflächen und ein Pavillon für Hochzeitsfeiern. Der italienische, der englische und der überwucherte Sumpfgarten, das Koniferen-Arboretum, ein Wald und das Flusstal benötigen ständige Aufmerksamkeit.

Die meisten Teile der Anlage entstanden zwischen 1830 und 1840, einige sind deutlich älter. Die McCauslands sind seit dem 16. Jahrhundert zwischen dem Fluss Roe und dem Hügel Binevenagh im County Derry ansässig. 1836 entstand das heutige Anwesen. Den größten Teil seines Lebens hat Conolly McCausland im georgianischen Prachtbau verbracht. „Als Kind war ich ganze Tage mit meinem Hund im Park, bis mich das Läuten einer Glocke ins Haus rief.“

Heute vermietet der studierte Forst- und Betriebswirt das Schloss an Hochzeitsgesellschaften und konzentriert sich auf seine große Leidenschaft: Bäume. Uralte Koniferen, mächtige Laubbäume, unter denen im Frühsommer Hunderte von Glockenblumen blühen, Kaschmir-Zypressen, riesige Rhododendren, das Rauschen des Flusses im Tal und nicht zuletzt die Feuchtigkeitsschleier eines nordirischen Sommertags verleihen dem Anwesen nahezu unwirkliche Schönheit.

Conolly McCausland, Schlossherr mit einer Leidenschaft fürs Mähen.

© Stephanie Bisping

„Meine Vorfahren haben vorteilhaft geheiratet“, erklärt McCausland, Vater von vier Töchtern, den Weg zum Großgrundbesitz. Einer etwa vermählte sich mit der Nachbarin Elizabeth Gage, die 180.000 Hektar Land in die Ehe mitbrachte. „Auch mein Großvater heiratete eine sehr reiche Frau, aber aus Liebe.“ Im parkeigenen Heather House, dessen Restaurierung noch bevorsteht, hielt der Großvater um die Hand der Großmutter an, der Butler stand mit dem Teegeschirr daneben.

Seit jeher gehörten die großen Anwesen Nordirlands Mitgliedern der englischen Oberschicht, die die Krone seit dem 16. Jahrhundert dabei unterstützten, die Nachbarinsel zu besiedeln und ihre Bevölkerung in Schach zu halten. Das 20 Kilometer von Belfast gelegene Hillsborough Castle war über Generationen die Heimat der Familie Hill. Fünf Jahre nach der Teilung Irlands Ende 1920 verkauften sie es an die englische Regierung. Fortan war es Residenz der Gouverneure, später der Minister für Nordirland sowie offizielle Residenz des Monarchen.

Die Fassade von Hillsborough Castle.

© Stephanie Bisping

Hier kämpfte der amtierende König Charles III. Tage nach dem Tod seiner Mutter mit einem klecksenden Füller und fluchte vernehmlich über „the bloody thing“. Schloss und Gärten werden seit 2014 von der Stiftung Historic Royal Palaces verwaltet. Entsprechend der Vorlieben Charles III., der bereits als Thronfolger die Entwicklung der Gärten überwachte, sind die Grünflächen heute nicht nur üppig, sondern auch von hoher Biodiversität.

Das Klima macht Gärtnern das Leben trotz eines oftmals brutalen Winds leicht. Der Golfstrom streichelt die Nordostküste und lässt sogar exotische Pflanzen prächtig gedeihen. Im Garten von Mount Stewart auf der Halbinsel Ards lässt sie ein besonders mildes Mikroklima buchstäblich gen Himmel schießen. Alles hier ist überdimensional: mannshohe Farne; die zu Hirschen und einer Irischen Harfe geformten Eibenhecken; Akazien, Riesenmammutbäume und die aus der südlichen Hemisphäre stammenden Keulenlilien. Edith Vane-Tempest-Stewart, Marquise von Londonderry, schuf die märchenhafte Landschaft in den 1920er Jahren. Heute ist Mount Stewart ein Besuchermagnet im Besitz des National Trusts; nur ein Teil des Hauses wird noch von der Familie bewohnt.

Im Park des Glenarm Castle explodieren die Farben.

© Stephanie Bisping

In Glenarm Castle, Heimat der McDonnells, Grafen von Antrim, schützen Mauern einen 1825 angelegten Küchen- und Blumengarten, der um die Jahrtausendwende verfallen war. Heute scheinen seine Beete vor Farben und Blüten zu explodieren. Zunächst hatte ihm die Gartendesignerin Katherine Fitzgerald neues Leben eingehaucht. „Als ich vor drei Jahren herkam, war es ein geometrischer, fast strenger Garten“, sagt Neil Porteous, der leitende Gärtner. „Ich wollte mehr Exotik und viele ungewöhnliche Pflanzen.“ Vom Hügel in der Mitte sieht man an klaren Tagen das schottische Mull of Kintyre am Horizont und die von Tulpen- oder Dahlienfluten eingefassten Obstbäume am Boden. Das Schloss von Lord und Lady Antrim blitzt durch Baumkronen, ist Besuchern jedoch nicht zugänglich.

Es ist nicht leicht, Besitz über Jahrhunderte zu bewahren, und mancher Familie gingen schließlich Geld oder Nachwuchs aus. Hazel Marion Radclyffe Dolling war die letzte ihres Clans, die den bei Cookstown gelegenen Familiensitz Lissan House bewohnte. Seit 1620 war die Familie Staples auf dem Anwesen heimisch; somit ist es das am längsten von einer einzigen Familie bewohnte Haus auf der irischen Insel.

Hazel wurde 1923 geboren und pflegte als Assistentin des Zahlmeisters auf der Transatlantik-Route der Cunard -Schiffe enge Kontakte zur Hautevolee der Zeit. Nach dem Tod des Vaters kehrte sie 1970 ins Elternhaus zurück, das die Familie 1650 erbauen ließ. Sodann heiratete sie den 30 Jahre älteren Gutsverwalter des Vaters, der ihr weder Vermögen noch Erben schenkte. Bis zu ihrem Tod 2006 lebte sie ohne Elektrizität in Lissan House und hinterließ es mitsamt Inhalt und Land der Stiftung „Friends of Lissan“, die es heute für Hochzeiten und Führungen öffnet.

Der restaurierte Salon in Lissan House.

© Stephanie Bisping

Die alte Dame hatte zu Lebzeiten versucht, bei der BBC-Fernsehsendung „Restoration“ den mit drei Millionen Pfund dotierten Preis für die Sanierung eines historischen Baus zu gewinnen. Doch Lissan House landete auf dem zweiten Platz. „Jeder Penny, den wir einnehmen, geht für Versicherung und Instandhaltung drauf“, sagt Sharon Loughran, die als Vorstandsmitglied für die Stiftung arbeitet.

Einen formellen Garten besitzt Lissan nicht, nur von Kamelien und chilenischen Araukarien gerahmte Rasenflächen und den ebenfalls vom vierten Baron errichteten ummauerten Garten. Ehrenamtliche Helfer führen Gäste durch das mit Möbeln und Porträts vieler Generationen gefüllte Haus. Einige der Bilder sind Kopien von jenen des exzentrischen zwölften Barons und Künstlers Sir Robert Staples, der niemals Schuhe trug und mit Oscar Wilde und Edward VII. Umgang pflegte. Die Originale hängen in Museen.

In der ersten Etage fällt Putz von den Wänden, in einem Zimmer türmen sich Besitzstücke, die noch keinen Platz gefunden haben. In Kittys Ballsaal, der um 1830 für die Gattin des neunten Barons angebaut wurde, zeugen einzelne Stellen im Muster der 200 Jahre alten, handbemalten chinesischen Tapete von Hazels Versuchen, Schäden selbst zu reparieren. 

„Es bräche mir das Herz, würde das alles hier ein Golfplatz“, hatte Hazel Marion Radclyffe Dolling einmal vor ihrem Tod erklärt. Wenigstens dieses Schicksal ist dem Schloss bisher erspart geblieben.

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