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Freizeitpark auf See: Goofy kann auch still sein

Staunen, lachen, träumen: Die "Disney Dream" ist ein gigantischer schwimmender Freizeitpark. Kinderpartys und Cocktails gibt es da, Jack Sparrow und Jumbo Shrimps, Tinkerbell, Teak - und einen Sonnenuntergang auf den Bahamas.

Linda – groß, blond, kräftig und Immigration Officer am Orlando International Airport – sieht nicht so aus, als sei sie an diesem Abend noch zu einem Wort mehr als unbedingt nötig bereit. Grimmig nimmt sie den Pass und das ausgefüllte Einreiseformular entgegen, überfliegt den Namen, das Geburtsdatum, schaut, was dort als erstes Ziel in den USA steht – und lächelt, doch, tatsächlich. „Ooh“, sagt sie und schaut kokett hoch, „auf die Disney Dream – nehmen Sie mich mit?"

Die Walt Disney Company ist eines der größten Medienunternehmen der Welt. Da spielt die Cruise Line, gegründet 1995, zwar nur eine Nebenrolle – dafür aber eine zunehmend spektakuläre. Das jüngste Schiff der noch kleinen Flotte, die „Disney Dream“, ist ein gigantischer schwimmender Freizeitpark, von Käpt’n Micky gekapert – und zugleich eine klassische Schönheit, ein schlanker, eleganter Ozeanriese wie aus einer früheren Zeit. Kinderpartys und Cocktails, Jack Sparrow und Jumbo Shrimps, Tinkerbell, Teak und ein Sonnenuntergang auf den Bahamas – nicht nur Linda aus Orlando überkommt da die Sehnsucht.

Debbie hat’s an Bord geschafft. Sie gehört zur Crew, sie ist eine von 1500. Ihren Arbeitsplatz hat Debbie oben auf dem zwölften Deck, dort begrüßt sie die Gäste – „How are you today“? –, die noch eins weiter hinauf wollen: zur Wildwasserrutsche, genannt Aqua Duck. Alle Kreuzfahrtschiffe der Gigantenklasse haben heutzutage Gimmicks im Programm: Seilbahnen über Schiffsschluchten, Surfpools, Golfplätze, haushohe Kletterwände. Die „Disney Dream“ hat Aqua Duck, eine 245 Meter lange Plexiglasröhre, die über vier Decks rund ums Schiff führt. Sensationell sind vor allem die ersten Sekunden: Wenn das kleine Schlauchboot vom rauschenden Wasser erfasst wird, hinunterschießt, aufs offene Meer zu, vier Meter über die Bordwand hinaus, darunter nichts als ein paar Zentimeter Kunststoff, fünfzig Meter Seeluft, Gischt und das Meer, dann ist das – absolut einzigartig.

Disney, das ist eine ganz eigene Welt, auch auf diesem Schiff. Goofy und Donald, Minnie und Daisy, Nemo, Rapunzel, Woody und Buzz, sie sind allgegenwärtig: als lebendige Figuren zum Händeschütteln und Fotografieren, als gezeichnete Charaktere im Bilderrahmen, als interaktive Screens, als bunte Skizze auf dem Teller im Restaurant, als Puppe und Mosaik, auf T-Shirts, Karten, Keksen und Kissen. Das Seltsame ist: Sie stören nie. Nichts wirkt zu aufdringlich oder gezwungen.

Man kann eintauchen in diese Welt, ein Stück mitschwimmen, sich wundern, treiben lassen, staunen, lachen, aber plötzlich auch wieder ganz anderswo landen, auf dem Vorschiff zum Beispiel, Deck 11, wo plötzlich Ruhe ist, im Spa oder im Gym. Man kann am Morgen auf dem Laufband den bonbonbunten Häusern von Nassau entgegenjoggen und den Polizisten in ihren strahlend weißen Uniformen, den Diamantenhändlern und Briefkastenfirmen, den echten und den falschen Gucci-Taschen, die einen für 3000 Dollar im Flagshipstore und die anderen für 30 auf dem Markt gleich nebenan; oder am Abend auf Deck 4 im Kneipen-, Bar- und Diskothekenviertel „District“ abhängen, auf einen Gin im „Skyline“, einen Champagner im „Pink“ oder ein Bier im Pub „687“; nachts nach der Piratenparty mit Feuerwerk gemütlich am Oberdeck unter den Sternen auf der Riesenleinwand „Pirates of the Carribean“ anschauen; oder am Nachmittag einfach mal ausruhen in einem der edelhölzernen Riesensessel, unter freiem Himmel, hinter der Scheibe mit dem Schild „Reserved for Guests 18 and older“.

Nur Mut. Die Rutsche, in einer 245 Meter langen Plexiglasröhre, führt über vier Decks rund ums Schiff - und ragt auch mal abenteuerlich über die Bordwand hinaus.
Nur Mut. Die Rutsche, in einer 245 Meter langen Plexiglasröhre, führt über vier Decks rund ums Schiff - und ragt auch mal abenteuerlich über die Bordwand hinaus.

© Kent Phillips/Disney

Auf dem Laufband zu den bunten Häusern von Nassau joggen

Kinder und Jugendliche haben ihr eigenes Deck. Sie treffen dort auf Damian oder Sarah oder irgendeinen der vielen anderen Betreuer, die sich kümmern, anleiten, aufpassen. Vielleicht mag der eine oder andere sich am Beginn der Reise noch etwas verloren fühlen auf diesem multidimensionalen Spielplatz, in dieser Traumwelt, diesem endlosen Film. Aber verloren geht hier niemand.

Eher nebenbei werden die Gäste durch die verwirrende Vielfalt geführt, so dass nie das Gefühl aufkommt, alles gesehen und gemacht zu haben. Das Abendessen etwa folgt einem Rotationsprinzip, das eingetragen ist auf der persönlichen Bordkarte, die auch den eigenen Stateroom öffnet, vom Kellner, der Masseurin und der Andenkenverkäuferin akzeptiert wird und als ID beim Landgang dient. „Dinner 8:30 PM-ERA Table 85 Show Time 6:30 PM“, das bedeutet: Frühschicht im Musical Theater, Spätschicht beim Essen. Am ersten Abend geht’s ins Enchanted Garden, ein Restaurant, das aussieht wie Versailles; dafür steht das „E“. Am zweiten Abend „R“ wie Royal Palace, dinieren mit Dornröschen, Cinderella und Schneewittchen. Dritter Abend: „A“ wie Animator’s Palate, eine Art Unterwasser-Lokal voller Bildschirme, auf denen Nemo, die Schildkröte und der vegetarische Hai herumschwimmen und die Gäste mit kleinen Geschichten unterhalten, so lange und so eindringlich, dass zum Dessert alle aufstehen und applaudieren. Die Tischnummer, hier 85, wandert an allen Abenden mit, ebenso wie der Kellner, hier der – wie alle an Bord – nette Ricardo aus Peru („You will see my ugly face every night!“). Und wem das nicht gefällt, kann in eines der Gourmet-Restaurants ausweichen, Remy und Palo, garantiert ohne Tick, Trick und Track. Echt ugly ist dagegen das Beast im plüschigen Musical-Theater mit seinen mehr als 1300 Plätzen. Wer es nicht auch noch bis zum Broadway schafft, braucht sich nicht zu grämen; was hier auf die Bühne kommt, ist vom Allerfeinsten, was das Genre zu bieten hat: Zauberer und Elfen, Prinzessinnen und Räuber, wallende Nebel, Lichtspektakel, Feuerblitze, und hoch oben schwebt leicht Peter Pan.

Über drei Kabinenkategorien verfügt die „Disney Dream“, nein: eigentlich sind es vier, aber die Royal Suite hinter gesichertem Gitterzaun mit Privatbar und Pool kann sich wohl nur der König selbst leisten. Oder Onkel Dagobert, aber der würde, Geizkragen, der er ist, eher den Standard Inside Stateroom bevorzugen – und sich ziemlich wundern: Das „magical porthole“ an der Wand schafft die Illusion eines echten Bullauges, mit Live-Bildern einer Außenkamera.

Eine Kabine mit Veranda ist aber auch sehr schön, vor allem wenn die Sonne aufgeht über Castaway Cay. Dass diese Bahamas-Insel Disney gehört – wen wundert es noch. Wenn die „Disney Dream“ am Pier festmacht, haben in der Bucht am Traumstrand bereits die Lifeguards ihre im Wasser aufgestellten Aussichtstürme bezogen, in den Beachbars klimpern die Eiswürfel schon und auf dem Grill liegen die Gambas. Segeln, Paddeln, Tauchen, oder vielleicht doch einfach nur Hängematte? Am späten Nachmittag geht’s wieder an Bord, zurück bleiben die unternehmenseigenen Service-Insulaner, die alles aufräumen für die Gäste der nächsten Disney-Kreuzfahrt.

Karl Holz, der aus Deutschland stammende Präsident von Disney Cruise, will mit seinen Schiffen auch Europa erobern, das Mittelmeer. Ob das Konzept übertragbar ist? Für ihn keine Frage. Bereits in diesem Sommer ist die „Magic“ im westlichen Mittelmeer unterwegs. Und im kommenden Jahr wird die Flotte wieder erweitert, die „Fantasy“ kommt dazu. Aber noch ist die „Dream“ das Prunkstück, detailverliebt gebaut in Papenburg von der Meyer-Werft, das größte Schiff, das je in Deutschland vom Stapel lief. Nur ein paar Zentimeter Wasser hatte die „Dream“ unter dem Kiel, als sie vor ein paar Wochen die Ems heruntergeschleppt wurde. In Bremerhaven kam die Crew an Bord, dann ging es los über den winterlichen, stürmischen Nordatlantik, Richtung Florida. Nicht allen an Bord ging es gut. Auch Stephanie aus Neuseeland, die im Frühstücksrestaurant „Cabanas“ die Tische abräumt, erzählt, wie sehr sie gekämpft hat auf der Überfahrt. Doch jetzt ist sie glücklich, mit ihrem Job, mit den Gästen, ihrem Schiff – und ihrem Mann. Sie hat Lazlo an Bord kennengelernt, er arbeitet in der Küche; geheiratet haben sie dann auf den Bahamas. „What a dream“, sagt sie und schaut übers Meer.

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