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Nur Mut, meine Herren! Patchworkeltern sollten mehr miteinander reden - und tanzen, findet unsere Autorin.

© imago/westend61

Appell einer Stiefmutter an die Väter: Schenkt Eurer Partnerin ein Ohr und tanzt mit ihr

Was hat 2020 der Patchwork-Mutter gebracht? Und wie kommen Paare besser durch die Feiertage und ins neue Jahr? Unsere Kolumnistin zieht eine Zwischenbilanz.

Dass ein Jahr zu Ende geht, erkennt man in Berlin am Geruch nach frittiertem Alexanderplatz, den Jahresrückblicken im Fernsehen und an der Frage, was man denn „Silvester macht“.

Weil in diesem Jahr spätestens seit September niemand mehr an den Weihnachtsmarkt glaubt, 2020 außer einer Pandemie nichts passiert ist und wir Silvester natürlich alle at home bleiben, kommt es mir so vor, als würde dieses Jahr nie zu Ende gehen.

Damit wir trotzdem ins erhoffte Jahresend-Feeling kommen können, ziehe ich jetzt einfach mal Bilanz über neun Kolumnen „Für immer die NEUE“, garantiert Karl-Lauterbach-frei, obwohl der uns als Vater von fünf Kindern von zwei Frauen sicher auch beim Thema Patchworkfamilie die Laune verderben könnte!

Ich hatte die Hosen voll

1. Was war: „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ ist der Satz, den in diesem Jahr vor allem diejenigen gesagt haben, die behaupten, dass man eigentlich nichts mehr sagen darf und daraufhin auch gleich laut äußerten, was sie ihrer Meinung nach nicht sagen dürfen.

Ich war mir zu Beginn nicht sicher, ob sich eine Stiefmutter öffentlich über ihre Rolle in der Patchworkfamilie beschweren darf. Wir haben doch schon genug Probleme, wie zum Beispiel den Klimawandel. Und von wessen Kindern wir unseren Planeten nur geliehen haben, sollte uns allen am Ende egal sein.

Aline von Drateln, Mutter vom Kollwitzplatz.

© Christobal

Meine Erfahrung: Sie darf! Ich hatte die Hosen ganz schön voll. Und mit Vorwürfen gerechnet wie „Selbst schuld“, „First-World-Problems“ und natürlich dem Klassiker: „Das Kind kann doch nichts dafür!“

Stattdessen gab es überraschend viel Zuspruch von anderen Stiefmüttern. Und überraschend wenig Kritik von Alleinerziehenden. Fazit: Vielleicht sind unsere Wünsche gar nicht so weit auseinander. Und wenn wir von uns selbst sprechen anstatt übereinander, liegen die Lösungen gar nicht in so weiter Ferne.

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Die größte Überraschung für mich waren allerdings die langen Briefe von getrennten Vätern. Viele schrieben, diese Kolumne habe ihnen geholfen, ihre neue Frau jetzt besser zu verstehen.

Was geht da ab? Eine fremde Stiefmutter als Dolmetscherin? Vielleicht sollten einige Patchworkväter ihrer Frau in diesem Jahr statt „Frauengold“ ein offenes Ohr schenken. Die ernst gemeinte Frage „Was wünschst du dir eigentlich?“ ist unter Umständen risikoärmer als ein Gang durchs Kaufhaus in Zeiten von Corona. Und diesen Wunsch zu erfüllen kostet wahrscheinlich weniger als irgendetwas aus dem KaDeWe.

Was genau es ist, muss jeder selbst herausfinden. Nur Mut, meine Herren! Womit wir bei dem klassischen Blick in die Zukunft wären.

Für die Stiefmutter ist die Patchworkfamilie der Pfannkuchen mit Senf

2. Was kommt: Was haben Patchworkfamilien und Silvester 2020 gemein? Wir wissen nicht, ob es knallt. Es gibt gute Gründe, es sein zu lassen. Viele Verletzungen könnten vermieden werden. Es ist eine Wunschvorstellung über Patchworkfamilien, dass man sich nur richtig anstrengen muss, damit alle glücklich sind. Von außen sieht´s vielleicht süß aus. Aber für die Stiefmutter ist die Patchworkfamilie der Pfannkuchen mit Senf.

Wir warten alle auf den Tag, wenn der Stress endlich vorbei ist. Also der mit der Patchwork und der mit der Pandemie. Aber vielleicht wird dieser Tag nie kommen. Sondern wir werden lernen, damit zu leben. Und eines Tages merken, dass wir es im Griff haben. Weil wir auf kommende Herausforderungen besser vorbereitet sind.

[Lesen Sie auf Tagesspiegel-Plus: Mütter in der Advents-Zwickmühle

Im Durcheinander meiner Familie im Corona-Chaos habe ich dieses Jahr leider die „Tagesspiegel Auktion“ verpasst. Neben Reisen mit dem Hausboot und Butter-Lindner Gutscheinen konnten in der Kategorie „Traumangebote“ auch wieder Tagesspiegel-Kolumnisten ersteigert werden. Bei der „privaten Lesung mit Pascale Hugues“ habe ich vor drei Jahren sogar mal mitgeboten, bin aber bei 350 Euro ausgestiegen.

Zum Schleuderpreis gab’s dieses Mal unter der Auktions-Nummer 1998 einen „Discofox Weekend-Workshop für zwei Personen“. Mein Vorsatz: Nächstes Jahr biete ich mich selbst an: „Aline von Drateln passt auf Ihre Stiefkinder auf“. In der Zeit können die Patchworkeltern Discofox tanzen oder miteinander reden. Bis dahin verabschiede ich mich schon jetzt ganz herzlich von Ihnen in meiner Rolle als Stiefmutter vom Dienst.

Mit Geschenken kann man viel Freude bringen - und manches falsch machen.

© Symbolfoto: Imago/Panthermedia

Aline von Drateln, selbst Scheidungskind, wuchs mit Mutter, Stiefvater und insgesamt vier Schwestern und Halbschwestern auf. Mit 24 wurde sie unerwartet Stiefmutter, als ihr heutiger Ehemann neun Monate nach ihrem Kennenlernen ein Kind von seiner Ex bekam. Mittlerweile haben sie noch zwei gemeinsame Kinder.

Alle 14 Tage erzählt sie im Tagesspiegel von der Zerreißprobe Patchwork: Wie es sich anfühlt, ein Leben lang „die Neue“ zu sein, weshalb sie daran gescheitert ist, die beste Stiefmutter der Welt sein zu wollen – und sich wundert, dass es zwar „Familienväter“ gibt, aber keine „Familienmütter“.

Lesen Sie hier Folge 1: Blut ist dicker als Wasser? Deswegen schwimmen wir noch lange nicht im gleichen Viren-Pool!

Lesen Sie hier Folge 2: Von wegen böse Stiefmutter - Aschenputtel!

Lesen Sie hier Folge 3: Wir Stiefmütter sind ein vollwertiger Teil der Familie!

Lesen Sie hier Folge 4: Unser Baby, die Exfrau und ich

Lesen Sie hier Folge 5: Fifty-fifty kann für Kinder so ungerecht sein

Lesen Sie hier Folge 6: Bei Stiefvätern reicht es schon, dass sie die Kinder nicht auffressen wie ein Löwe

Lesen Sie hier Folge 7: Kein Welpenschutz für Stiefkinder!

Lesen Sie hier Folge 8: Wieso Frauen Corona besser in den Griff bekommen

Lesen Sie hier Folge 9: Das stille Drama der Halbgeschwister

Aline von Drateln

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