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Sozialverband warnt vor Verrohung und Egoismus: Viele Deutsche beklagen abnehmende Solidarität in der Gesellschaft
Eine Mehrheit der Menschen in der Bundesrepublik sieht einer Umfrage zufolge einen wachsenden Egoismus. Dies gilt besonders für die Wähler von drei Parteien. Der SoVD macht eine „soziale Schieflage“ aus.
Stand:
Der Ton in den Debatten wird rauer, Hass im Internet ist längst trauriger Bestandteil des Alltags. Was empfinden die Bürgerinnen und Bürger im Land? Einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Sozialverbands Deutschland (SoVD) zufolge sind etwa 78 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Solidarität in der Gesellschaft geringer ist als noch vor einem Jahr. Dies berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Nur 1,8 Prozent gaben den Angaben zufolge an, dass die Solidarität ihrer Meinung nach eindeutig zugenommen habe, 2,1 Prozent finden, dass sie eher zugenommen habe. 17,1 Prozent der Befragten seien der Meinung, dass die Solidarität in diesem Jahr in etwa gleich geblieben sei.
Besonders besorgniserregend ist, dass die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden.
Michaela Engelmeier, Chefin des Sozialverbands Deutschland
Leicht mehr Frauen (81,7 Prozent) als Männer (76,7 Prozent) empfinden demnach die Gesellschaft danach als unsolidarischer. Mit Blick auf die Altersgruppen sind 82,6 Prozent der 50- bis 64-Jährigen der Meinung, dass die Solidarität abgenommen habe. Am positivsten bewerten die Entwicklung noch die 30- bis 39-Jährigen, von denen nur zwei Drittel eine Abnahme feststellen.
Sortiert nach Parteipräferenz empfinden vor allem Wählerinnen und Wähler des BSW (88,4 Prozent), der AfD (84,4 Prozent) und der Grünen (81,5 Prozent) die Gesellschaft als zunehmend unsolidarisch. Dies beklagen vor allem auch Menschen mit einer sehr niedrigen Kaufkraft. Im Osten ist der Trend dem Bericht zufolge stärker als im Westen.
Für die Umfrage habe Civey zwischen dem 18. und 20. Dezember 5004 Menschen in Deutschland online befragt, hieß es weiter. Die Ergebnisse wurden als repräsentativ gewichtet.
Der SoVD warnte angesichts der Umfrageergebnisse vor einer weiteren negativen Entwicklung. In den Sozialberatungsstellen würde der Verband täglich erleben, wie Menschen unter wirtschaftlichen Unsicherheiten und sozialer Isolation litten.
Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier hat dabei vor allem einen Punkt im Blick: „Besonders besorgniserregend ist, dass die Ärmsten der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden: Arm gegen ärmer, Asylsuchende gegen Niedriglohnarbeitende oder Bürgergeldbeziehende.“
Davon würden besonders die Feinde der Demokratie profitieren. „Die Abnahme der Solidarität ist ein Symptom für eine zunehmende soziale Schieflage, die wir gemeinsam überwinden müssen.“
Es sei bedenklich, dass sich demokratische Parteien der Mitte immer häufiger an der populistischen und demokratieschädlichen Rhetorik an den politischen Rändern bediene, sagte Engelmeier. „Dies führt zu einer Verrohung der Gesellschaft und der politischen Debatte.“ (lem)
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