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Unwort des Jahres „biodeutsch“: Sprachlosigkeit darf keine Option sein
Das Unwort des Jahres 2025 lautet „biodeutsch“. Rechte eigneten sich den Begriff an, den ein deutsch-türkischer Karikaturist erfand. Wie konnte das passieren?

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Das „Unwort des Jahres“ 2025 ist „biodeutsch“. Und erneut ist die Diskussion über die Entscheidung groß. Die Marburger Jury erklärte sie damit, dass der Begriff im vergangenen Jahr verstärkt verwendet worden sei, „um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren“.
Aber auch der türkischstämmige Grünen-Politiker Cem Özdemir hatte das Wort jahrelang beschreibend verwendet, ebenso der im Iran geborene Autor Michel Abdollahi. Es stellt sich also die Frage: Wie kann man die nichtmigrantische Mehrheitsgesellschaft in der Bundesrepublik begrifflich fassen? Der Grat zwischen Diskriminierung und gesellschaftlicher Sprachlosigkeit ist dabei schmal.
Der deutsch-türkische Karikaturist Muhsin Omurca erfand den Begriff „biodeutsch“ 1996 als humorvolle Fremdbeschreibung der Mehrheitsgesellschaft in der Bundesrepublik. Später tauchte er in ironischer Wendung auch in links-alternativen Kreisen auf. Erst in jüngerer Vergangenheit verwendeten ihn vor allem Nutzer sozialer Medien in diskriminierender Absicht.
Sprachlosigkeit ist keine Option
Die Aneignung des Begriffes von rechts ist auch ein Zeugnis der Hilflosigkeit in der postmigrantischen Gesellschaft. Die Autoren Matthias Dusini und Thomas Edlinger stellen in ihrem Buch „In Anführungszeichen. Glanz und Elend der Political Correctness“ fest, dass Menschen hierzulande sich und ihrer Sprache kaum noch trauen. In der Folge würden viele Begriffe gestisch mit Anführungszeichen versehen.
Längst steht auch der Begriff „Migrationshintergrund“ in der Kritik, weil er als stigmatisierend empfunden wird. Also „Einwanderer und ihre Nachkommen“? Oder „Menschen mit internationaler Geschichte“? In dieser Unsicherheit gedeihen ironisch gewendete Begriffe, die aber oft die Ausdrucksfähigkeit herunter dimmen und zum Missbrauch einladen.
Wie soll sinnvolle Prävention möglich sein, wenn antisemitische Verbrechen nicht mehr Tätern der arabischen Migrationsgesellschaft oder der extremen Rechten zugeordnet werden können? Wie soll zum Zwecke der Förderung der Hintergrund von Schulkindern präzise erfasst werden, in deren Elternhaus Deutsch nicht als Muttersprache gesprochen wird?
Der Begriff „biodeutsch“ ist hässlich. Aber Differenzierung bleibt unabdingbar – auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Unsicherheit und Debatte sind Teil des Prozesses. Doch Sprachlosigkeit ist keine Option. Denn sie ebnet den Weg für die falschen Stimmen, die von Unklarheit und Missbrauch profitieren.
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