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„Wir führen den gleichen Kampf“: Gisèle Pelicot würdigt „unbekannte Opfer“ von Missbrauch und Vergewaltigungen
Viele Male wurde Gisèle Pelicot von ihrem Ex-Mann und Fremden vergewaltigt. Das Gericht verhängte teils hohen Strafen. Pelicot hofft, dass der Prozess etwas in der Gesellschaft bewirkt.
Stand:
Zum Ende des Vergewaltigungsprozesses von Avignon hat die Französin Gisèle Pelicot ihren Kampf allen „unbekannten Opfern“ von sexualisierter Gewalt gewidmet. „Ich denke an die Opfer, die nicht bekannt sind, und deren Geschichten oft im Dunkeln bleiben“, sagte die 72-Jährige nach der Urteilsverkündung am Donnerstag in Avignon. „Sie sollen wissen, dass wir den gleichen Kampf führen.“
Sie habe sich zu einem öffentlichen Prozess entschlossen, „damit die Gesellschaft die Debatten aufnimmt, die dort geführt werden“, sagte sie. „Ich habe diese Entscheidung nie bereut.“
Der Prozess sei eine „sehr schwere Prüfung“ für sie gewesen. Sie sei „sehr mitgenommen“ und denke in erster Linie an ihre Kinder und Enkel. Pelicot bedankte sich bei allen, die sie unterstützt hatten: „Sie haben mir die Kraft gegeben, jeden Tag vor Gericht zu erscheinen“, sagte sie. Die am Donnerstag verkündeten Urteile akzeptiere sie.
„Danke, Gisèle! Danke, Gisèle!“ skandierten zahlreiche Menschen, als sie nach der Urteilsverkündung das Gericht verließ. Zuvor war der Hauptangeklagte, Gisèle Pelicots früherer Ehemann Dominique Pelicot, wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt worden.
Dominique Pelicot hatte seine damalige Frau fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, vergewaltigt und in Internetforen zur Vergewaltigung angeboten. Am Donnerstag wurde er dafür zur Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis verurteilt. 50 Mitangeklagte erhielten Haftstrafen zwischen drei und 15 Jahren.
Zum Tatzeitpunkt sollen die Männer zwischen 21 und 68 Jahren alt gewesen sein. Dominique Pelicot suchte den Kontakt zu ihnen auf einer Online-Plattform.
Massenhafte Vergewaltigung kam zufällig ans Licht
Der jahrelange sexuelle Missbrauch von Gisèle Pelicot war vor vier Jahren eher zufällig aufgeflogen. Dominique Pelicot war im September 2020 festgenommen worden, nachdem er Frauen im Supermarkt unter den Rock gefilmt hatte. Polizisten untersuchten den Computer des Mannes. Dieser hatte den Missbrauch an seiner Frau in Hunderten Fotos und Videos dokumentiert.

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Gisèle selbst, hatte die Übergriffe wegen der starken Medikamente, die ihr damaliger Mann ihr heimlich verabreicht hatte, nicht mitbekommen. Sie geht davon aus, etwa 200 Vergewaltigungen erlitten zu haben. Die Ermittler vermuten auch ein Dutzend weitere Täter, die aber nicht identifiziert werden konnten.
Verfahren hat Debatten in Frankreich angestoßen
Der Fall hat Frankreich aufgewühlt. Täglich kamen Dutzende Menschen, um den Prozess beizuwohnen und Gisèle Pelicot zu unterstützen. Das Verfahren hat auch die Debatte um „Ja heißt Ja“ wieder angestoßen.

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Eine Änderung des Strafrechts, um die explizite Einwilligung in sexuelle Handlungen aufzunehmen, könnte kommen.

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Missbrauchsopfer Gisèle Pelicot wurde für ihr mutiges und entschiedenes Auftreten gefeiert und ist in Frankreich zum feministischen Vorbild geworden. Sie hatte entschieden, den Prozess öffentlich führen zu lassen, auch um anderen missbrauchten Frauen Mut machen. „Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie.“ (dpa, AFP)
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