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Ein Model präsentiert eine Kreation des Designers Dawid Tomaszewski.

© Gregor Fischer/dpa

Fazit der Berlin Fashion Week: Zart, aber herzlich

Die Mode auf der Fashion Week in Berlin zeigt sich aufgerüscht und verspielt aber gleichzeitig hemdsärmlig und bereit zum Anpacken. Genau richtig für emanzipierte Frauen.

Die Prinzessin

Plissiert, drapiert, gerafft: Es passiert wieder richtig was in Sachen Stofflichkeit und Silhouette. Einer ganz Reihe von gerade gezeigten Kollektionen kann man eine neue Lust an haptischen Spielereien ansehen. Während bei Designerin Julia Seemann heiter bedruckte Volants lässig an urbanen Abendroben flattern, entpuppt sich Dawid Tomaszewski als skulpturaler Meister. Aufwändig und präzise fältelt er etwa die Stoffe seiner Blusen hin zu einem dreidimensionalen Zieharmonika-Look. Plissierte Röcke finden sich bei ihm genauso wie bei Isabel Vollrath, die opulente Oberteile als auch fluffig transparente Hosen in Faltoptik zeigt.

William Fan hingegen hat es gerafft – also die Kleider seine Kollektion. Mit langen Schnüren zieht er die Stoffe der Tops zu spannenden Wellenformen zusammen was das Zeug hält. Genau wie Odeeh, deren Baumwollblusen dank eines Tunnelzugs, der einmal den Ärmel hochläuft, einen keulenartigen Look bekommen. Wie sehr man die Kleider raffen und drapieren möchte, wie also die Form des jeweiligen Kleidungsstücks aussieht, kann die Trägerin hier am Ende individuell selbst bestimmen. Ein schöner Nebeneffekt, der zeigt: Frauen nehmen ihre Garderobe, wie auch ihr Leben, selbst in die Hand.

Obwohl auch der schlanke, aus der Männermode entlehnte Anzuglook von der Modewoche nicht wegzudenken ist, kehren die Designer in Berlin also vielerorts zu einer detailvernarrten, verspielten Interpretation von Weiblichkeit zurück – was jedoch keinesfalls als ein Rückschritt zu verstehen ist. Denn bei allem Gebären ist die neue Raffinesse, Odeehs Pragmatismus zeigt es, immer selbstbestimmt. Und bleibt selbst bei den Zibbeleien unkompliziert. Moderne Frauen können eben Freude am kleidsamen Schmücken haben, ohne dabei wie ein überfrachteter Cupcakes zu wirken, sondern stattdessen Souveränität und Coolness ausstrahlen.

Die Ballerina

Es wurde mal wieder viel getanzt auf den Berliner Laufstegen. Spitze und Ausdruckstanz bei Maisonnoeé, Schuhplattler bei Sportalm Kitzbühel (dazu gibt es ein sehr eindrucksvolles Video auf unserem Modeblog) und Moderndance bei Riani. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Modedesigner biegsame Tänzer auf ihren Laufsteg einluden, aber das auch die Models so sehr nach Ballerinas aussahen, das man jeden Moment mit einer Pirouette rechnete war so zum ersten Mal zu sehen. Der Tüllrock ist zurück und zwar in mehreren Lagen. Aber er ist keineswegs nur für zarte Geschöpfe bestimmt: Die Designer mögen das Spiel mit dem Bruch. Bei Marina Hoermanseder kommt das Material in Kombination mit einer sehr modernen Hartschale als Rock vor, unter dem viele Schichten schwarzer Tüll herausschauten. Das war die Berliner Variante des schwarzen Schwans aus dem berühmten Ballett Schwanensee. Bei Isabel Vollrath trug das Model den Tüll über einem Seidenrock und zu einer Bluse mit Schulterpasse, was dem Outfit Anleihen an den wilden Westen verlieh. Und Danny Reinke klotzte so richtig mit dem steifen Material: In Flaschengrün schichtet er es Lage um Lage in einem kurzen Rock und mit einer Vokuhila-Variante, bei der der Tüll wie bei einem Pfau bis auf den Boden reichte.

Die Pfadfinderin

Diese Woche sah man viele, viele Halstücher auf den Laufstegen. Das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten, denn in ihrer Ausprägung unterschieden sie sich wirklich deutlich. Bei Isabel Vollrath wurden sie schluppenartig um den Hals geknotet, bei Danny Reinke und Odeeh hingegen ging es thematisch raus aufs Land. Während bei Odeeh gecampt wurde, hätten die Models bei Danny Reinke auch gleich noch Kekse verkaufen können, so pfadfinderhaft sahen sie mit ihren Tüchern aus. Bei Maison Common wurden die Carrés zu riesigen Schleifen vergrößert. Am vorbildlichsten wurde das Trendthema von Botter umgesetzt: Das Duo recycelte am Wochenanfang Plastiktüten zu Halsschmuck. Das Tuch zum Trend zu machen, ist eine hervorragende Idee für alle Beteiligten. Es ist für die Modemacher ein ganz einfach herzustellendes Produkt, das aber dennoch genug Platz bietet, mit Mustern und Farben zu glänzen. Für die Konsumenten ist es einfach praktisch: Es wärmt in kühlen Sommernächten, verbirgt ungewaschenes Haar und kann sogar zur Handtasche umfunktioniert werden.

Die Sportlerin

Die deutsche Durchschnittsfrau trägt Kleidergröße 44, eigentlich sollte das Thema Plus Size ein viel größeres Thema sein. Bei der Fashion Week waren große Größen zwar unterrepräsentiert, aber doch vereinzelt zu finden. So zum Beispiel bei Michael Michalsky, der sich selbst im Interview zuvor als „Genderless-Designer“ bezeichnet hatte. Für ihn liefen gleich zwei Plus-Size-Models in seiner vom Boxsport inspirierten Kollektion über den Laufsteg. Offenbar hat er sich dafür bei Germany’s Next Topmodel inspirieren lassen, wo er in dieser Staffel in der Jury saß und erstmals ebenfalls zwei kurvige Kandidatinnen mit dabei waren. Auch bei Rebekka Ruétz gab es ein Plus-Size- Model zu sehen. Die neue Akzeptanz kommt nicht aus Berlin, sie ist ein internationales Phänomen. So war im vergangenen Jahr erstmals ein Plus-Size-Model auf dem Titel der amerikanischen Vogue zu sehen. Plus-Size-Blogger und Influencer verändern das Körperbild einer neuen Generation hin zu einem sportlichen Körper. An dem ergibt Sportswear, die die Mode derzeit weltweit prägt, ja auch viel mehr Sinn.

Die Arbeiterin

In der Mode ist nichts so praktisch wie der Einteiler. Weil: Reinschlüpfen und fertig. In unseren Lebensentwürfen auf der Überholspur tut es ganz gut, morgens vor dem Kleiderschrank nicht die Qual der Wahl haben zu müssen. Insofern erscheint es mehr als zeitgemäß, dass während der Berliner Modewoche einige von ihnen gesichtet wurden.

Bei William Fan etwa. Bei ihm wirkt ein bodenlanger, luftig bis sackig geschnittenes Stück aus sanft gelber Wildseide beinahe wie ein elegantes Kleid. Designerin Leyla Piedayesch von Lala Berlin trägt von der Workwear inspirierte, ein wenig blaumännerhaft anmutende feste Anzüge am liebsten gleich selbst. Dinge einfach mal anpacken zu können, das strahlt man in so einem Einteiler aus. Eine Qualität, die im Büroalltag übrigens genauso wie auf dem Bau geschätzt wird.

Hugo fügt der Thematik indes eine sportliche Note hinzu. Auch das: Gut für die Performance! Wie ein Trainingsanzug mit klarer 80er-Jahre-Referenz kommt der Overall hier daher. Der bis zum Bauchnabel reichende Reißverschluss läuft im Rücken in einer Kapuze aus, ein Gummibund in der Taille garantiert Bewegungsfreiheit. Und neongelbe Streifen signalisieren Geschwindigkeit. Zeit hat heute eben keiner zu verlieren.

Einen Kommentar zur Modewoche gibt es hier

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