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„Schaffen es zum Teil, die Versammlungen zu emotionalisieren, zu radikalisieren und in der Folge zu eskalieren“

© imago/Carsten Thesing/IMAGO/Carsten Thesing

Zwei Jahre nach Terror des 7. Oktober: Verfassungsschutz sieht „erhebliche Gefährdungslage“ in Deutschland

Der Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel wirkt sich auch zwei Jahre nach dem Ereignis negativ auf die Sicherheitslage in Deutschland aus. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht eine „erhebliche Gefährdungslage“.

Stand:

Zwei Jahre nach dem Überfall der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sieht der Bundesverfassungsschutz weiter eine „erhebliche Gefährdungslage“ in Deutschland. „Unter dem Deckmantel legitimer Kritik geraten Grenzen zu Hass und Gewalt zunehmend ins Wanken“, erklärte Behörden-Vizepräsident Sinan Selen in einer am Montag vorgelegten Gefährdungsanalyse. Selen warnte auch explizit vor „extremistischen Veranstaltungen“ am Dienstag, dem zweiten Jahrestag des Hamas-Angriffs.

So bezeichnet etwa eine Gruppe, die sich um 18 Uhr am Berliner Alexanderplatz versammeln will, den Terroranschlag als „heldenhaften Ausbruch“, „Widerstand“ und „mutigen Aufstand“. „Auch im zweiten Jahr nach dem Terrorakt ist eine zunehmende Hass- und Gewaltbereitschaft gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland festzustellen“, heißt es in der Analyse des Verfassungsschutzes. „Zugleich wird zu Gewalt gegen den Staat Israel aufgerufen, werden Anschlagspläne gegen (pro-)jüdische Einrichtungen durch Sicherheitsbehörden aufgedeckt und vielfach das Existenzrecht Israels verneint.“

„Für ihre Ideologien instrumentalisieren“

Selen erklärte, extremistische Gruppen versuchten, „das Leid, die Bilder und das Narrativ dieses Konflikts für ihre Ideologien zu instrumentalisieren“. Sie nutzten dabei „den Überfall und die aktuell eskalierende Lage, um ein gemeinsames Feindbild zu schüren: Juden, Jüdinnen und der Staat Israel sind die Projektionsfläche für globale Verschwörungstheorien und Feindseligkeiten.“

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Es sei zu erwarten, dass der bevorstehende zweite Jahrestag des Hamas-Angriffs geeignet sei, „weite Teile des Protestspektrums zu emotionalisieren und zur Teilnahme an propalästinensischen extremistischen Veranstaltungen zu bewegen“, warnte Selen, der demnächst die Leitung des Verfassungsschutzes übernehmen soll.

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Der Verfassungsschutz beobachtet laut Selen verstärkt Aufrufe zu „Anschlägen auf (pro-)jüdische und (pro-)israelische Einrichtungen“, erklärte Selen. „Diese Gefahr darf nicht unterschätzt werden.“ Vor allem in den sozialen Medien existiere ein „gemeinsamer Resonanzraum für israelfeindliche Propaganda“, in dem Extremisten unterschiedlicher Ausrichtung aktiv seien – so etwa Islamisten und Linksextremisten.

„Ideologische Schnittmengen zwischen ansonsten gegensätzlichen extremistischen Milieus“

Die „gemeinsame Feindmarkierung schafft unerwartete Allianzen und trägt auch in Deutschland zu einer zunehmend fragiler werdenden Sicherheitslage bei“, warnt der Verfassungsschutz. „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit erfüllen in Deutschland eine Scharnierfunktion, da sie ideologische Schnittmengen zwischen ansonsten gegensätzlichen extremistischen Milieus bilden.“

Im Bereich Islamismus werde „von einer erhöhten Gefährdung für israelische und jüdische Ziele in Deutschland ausgegangen“, teilte der Verfassungsschutz mit. Es lägen „vermehrte Hinweise auf unterschiedliche Aktivitäten“ durch Anhänger der Hamas und der Hisbollah in Deutschland vor.

Antisemitismus sei aber auch in anderen Gruppen verbreitet, so bei „Menschen aus dem politisch linken oder auch linksextremistischem Spektrum“. Diese würden mit der „Kernbotschaft adressiert, dass der terroristische Angriff der Hamas ein angeblich legitimer Befreiungsakt gegen die vermeintliche Kolonialmacht Israel gewesen sei“. Eine „Scharnierfunktion“ zwischen deutschen und türkischen Linksextremisten, türkischen Rechtsextremisten und Islamisten schreiben die Verfassungsschützer säkularen propalästinensischen Extremisten zu.

Meiste Demonstrationen und Straftaten in Berlin

Weiterhin fänden die meisten Demonstrationen und Straftaten mit Bezug zur Nahost-Lage in der Bundeshauptstadt Berlin statt. „Auch wenn es sich bei der Mehrheit der Teilnehmenden an propalästinensischen Demonstrationen nicht um Extremisten handelt, nehmen diese eine oft prägende Funktion ein, verbreiten unwidersprochen ihre Hassbotschaften und schaffen es zum Teil, die Versammlungen zu emotionalisieren, zu radikalisieren und in der Folge zu eskalieren“, konstatiert der Verfassungsschutz.

Weiterhin gespalten ist laut Verfassungsschutz die linksextremistische Szene: „Autonome Linksextremisten vertreten eher proisraelische Positionen, antiimperialistische und dogmatische Linksextremisten dagegen eher propalästinensische beziehungsweise antizionistische.“ In Bezug auf den Nahostkonflikt seien Linksextremisten häufig „Scharfmacher und Mobilisierungstreiber“.

Häufiger Ort von Pro-Palästina-Demos: Berlin-Neukölln

© IMAGO/Carsten Thesing

Rechtsextremisten dagegen instrumentalisierten den Nahostkonflikt, „insbesondere, um migrationsfeindliche Positionen zu propagieren“. Auch aus diesem Bereich sei die „Bedrohungs- und Gefährdungslage in Bezug auf antisemitisch und fremdenfeindlich motivierte Anschläge oder Gewalttaten (...) grundsätzlich hoch“.

Ein anhaltend hohes Ausmaß von Antisemitismus vor allem bei Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt konstatierte auch eine am Montag veröffentlichte Studie des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias). Zwischen dem 7. Oktober 2023 und Ende 2024 wurden demnach bei insgesamt 2225 Versammlungen „antisemitische Inhalte dokumentiert“. Das seien rechnerisch etwa fünf Versammlungen mit antisemitischen Inhalten pro Tag gewesen. (AFP)

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