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Ist auf der Wasseroberfläche ein blaugrüner Biofilm zu erkennen, sollte man lieber nicht baden gehen.

© dpa/Birgit Reichert

Algen, Bakterien, Chlor und Urin: Wie gefährlich ist die Abkühlung im See oder Freibad?

„Sommer, Sonne, Sonnenschein“ heißt es aktuell wieder in Deutschland – da gibt es eigentlich nichts Besseres als eine Abkühlung im Wasser. Doch nicht überall ist das bedenkenlos möglich.

Von Christian Johner, dpa

Während der Hitze suchten zuletzt viele Menschen Abkühlung im Wasser. Schmierige Algenteppiche, trübe Sicht im Badesee oder Urin im Freibad können den Sprung ins kühle Nass allerdings unangenehm machen – und manchmal sogar gefährlich.

Damit man in Deutschland jederzeit bedenkenlos baden kann, gibt es feste Vorgaben zur Qualität von Badegewässern, festgelegt von der EU. Die gute Nachricht: 98 Prozent der insgesamt 2292 deutschen Badegewässer erfüllten die Qualitätsanforderungen im vergangenen Jahr, sagt das Umweltbundesamt. In 118 Fällen seien in der Badesaison 2022 allerdings Gewässer geschlossen worden. Der häufigste Grund dafür: Cyanobakterien, besser bekannt unter dem Namen Blaualgen.

Für die Entstehung der Lebewesen auf der Erde seien Cyanobakterien von „allergrößter Bedeutung“ gewesen, sagt Ulf Karsten, Professor für Angewandte Ökologie und Phykologie an der Universität Rostock. Cyanobakterien sollen die ersten Organismen gewesen sein, die Photosynthese betrieben und damit Sauerstoff produziert haben. „Diese Organismen sind dreieinhalb Milliarden Jahre alt und haben damit natürlich viele Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, auch heute unter extremen Bedingungen zu leben.“

Vor allem für Kinder sind Blaualgen eine Gefahr

Cyanobakterien gehören laut Karsten natürlicherweise in unsere Gewässer. Allerdings können sie nach Angaben des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in bestimmten Fällen Giftstoffe bilden, Wasserpflanzen das Licht zur Photosynthese nehmen und beim Abbau Sauerstoff verbrauchen:

„Blaualgenblüten gefährden so aquatische Ökosysteme mit ihren Lebewesen sowie Trinkwasserressourcen und Badegewässer.“ Laut Hans-Peter Grossart, Forschungsgruppenleiter am IGB Berlin und Professor an der Universität Potsdam, können die Bakterien im schlimmsten Fall tödlich sein oder chronische Schäden verursachen, da sie krebserregend sein können.

Wenn man einen blaugrünen oder türkisfarbenen Biofilm auf der Wasseroberfläche sieht, geht man besser nicht baden und wartet ein paar Tage.

Ulf Karsten, Phykologe

Besonders gefährlich seien die Cyanobakterien für Kinder, „weil die natürlich eine sehr zarte Haut haben“, sagt Ulf Karsten. Außerdem seien sie sehr unbedarft und verschluckten die Blaualgen mitunter. Deshalb sei es wichtig, darauf zu achten, dass Kinder nicht mit den Cyanobakterien in Berührung kommen. „Wenn man diese flächendeckenden blaugrünen oder türkisfarbenen Biofilme sieht auf der Wasseroberfläche, dann geht man besser nicht baden und wartet ein paar Tage.“ Sobald der Wind wiederkomme, gebe es eine Durchmischung und die Cyanobakterien würden abgebaut.

Karsten geht davon aus, dass das Wasser durch die Erderwärmung künftig wärmer wird, wodurch sich das Blaualgen-Problem noch vergrößert. In wärmeren Gewässern seien Cyanobakterien sehr konkurrenzstark.

Gefährlich, aber selten: Eine Vibrionen-Infektion

Eine weitere Gefahr stellen Vibrionen dar. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) kommen die Bakterien weltweit in Süß- und Salzwasser vor. Sie können zum Beispiel über Wunden in den Körper gelangen, allerdings sind Infektionen sehr selten. Die Infektionsgefahr ist höher an besonders flachen und sich dadurch schnell erwärmenden Küsten oder unweit von diesen.

84
Infektionen mit Vibrionen wurden in Mecklenburg-Vorpommern seit 2003 gezählt.

Genau wie die Blaualgen mögen auch Vibrionen Wärme. Bei Wassertemperaturen ab etwa 20 Grad müssten Menschen damit rechnen, dass Vibrionen vermehrt vorkommen, teilt das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern mit. Habe die Massenvermehrung stattgefunden, seien Vibrionen bis mindestens zum Ende der Badesaison Mitte September nachweisbar, auch bei sinkenden Wassertemperaturen.

In Mecklenburg-Vorpommern wurden Vibrionen-Infektionen erstmals 2003 statistisch erfasst. Seitdem wurden nach Angaben des Landesamts 84 Infektionen gemeldet, zehn davon mit Todesfolge. Insgesamt hat die Zahl der gemeldeten Infektionen in den vergangenen Jahren eher zugenommen und 2018 mit 17 Fällen den bisherigen Höchstwert erreicht. Im vergangenen Jahr wurden zehn Infektionen gemeldet.

Bevor man ins Becken springt, sollte man sich kräftig abduschen, dann hält das Wasser im Schwimmbecken länger.

Thomas Schupp, Toxikologe

Der Behörde zufolge können Vibrionen in seltenen Fällen schwere Infektionen verursachen. „Bei den Erkrankungen im Ostseeraum spielen Wundinfektionen, die sich schnell ausbreiten sowie mit starker Blasenbildung und tiefgreifender Haut- und Gewebezerstörung einhergehen können, die Hauptrolle.“ Außerdem seien hohes Fieber, Schüttelfrost, die Besiedlung anderer Organe und sogar eine Blutvergiftung möglich. Relativ schnell könne sich so sogar ein lebensbedrohlicher Zustand entwickeln.

Besonders ältere Menschen mit einer offenen Wunde sowie einer schwachen Immunabwehr oder Vorerkrankungen sind gefährdet. Diese Menschen sollten den Kontakt mit warmem Meerwasser meiden, rät das Gesundheitsministerium von Schleswig-Holstein. Im Verdachtsfall sollte wegen des raschen und schweren Krankheitsverlaufs sofort ein Arzt gerufen werden.

Chlor und Harnstoff – eine unangenehme Allianz

Aber nicht nur in der Natur, auch in Freibädern ist Baden manchmal unangenehm – beispielsweise, wenn Besucherinnen und Besucher mit geröteten Augen oder Chlorgeruch in der Nase zu kämpfen haben. Chlor allein ist laut Thomas Schupp, Toxikologe an der Fachhochschule Münster, allerdings nicht dafür verantwortlich. Chlor sei an sich ungefährlich und zudem ein sehr wirkungsvolles Desinfektionsmittel, erläutert der Wissenschaftler. Selbst im Trinkwasser werde es in manchen Ländern eingesetzt, um Krankheitskeime zu bekämpfen.

Unangenehm wird es erst, wenn Chlor mit Harnstoff reagiert. Denn dann entsteht Trichloramin, das den manchmal als unangenehm wahrgenommenen Geruch erzeugt und außerdem die Schleimhäute reizt. Harnstoff wird übrigens nicht nur über den Urin, sondern zum Teil auch mit dem Schweiß über die Haut ins Wasser abgegeben. Schupp rät deshalb, sich selbst und anderen Badegästen einen Gefallen zu tun: „Bevor man ins Becken springt, sollte man erst mal die Duschen aufsuchen und sich kräftig abduschen, dann hält das Wasser im Schwimmbecken länger.“

Vor geröteten Augen können laut Gerd Geerling, Sprecher der Stiftung Auge und Professor an der Uniklinik Düsseldorf, auch Schwimm- und Taucherbrillen schützen. Geerling empfiehlt Menschen mit empfindlichen Augen, diese nach dem Schwimmen mit sauberem Wasser auszuwaschen. Und: „Bei jeder Irritation der Augen, die länger als einen Tag anhält, ist der Besuch eines Augenarztes sinnvoll.“

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