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Ein Mann zieht an einem Joint.

© dpa/Daniel Karmann

Cannabis-Konsum nach der Teillegalisierung : Kiffen die Deutschen jetzt wirklich mehr?

Jeder zehnte Erwachsene greift regelmäßig zu Cannabis, zeigen neue Zahlen zum Konsumverhalten. Wie sich das neue Gesetz ausgewirkt hat – und was Experten zum Umgang mit der Droge raten.

Stand:

Die Sorgen waren teilweise riesig. Wenn Cannabis erst legalisiert ist, dann werde der Konsum massiv zunehmen. Dann würden noch mehr Drogen in Deutschland genommen und es würde noch schwieriger, die Menschen von illegalen Substanzen fernzuhalten, lauteten Befürchtungen.

Aber ist das wirklich so? Die Ergebnisse einer Umfrage, die jetzt im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht wurde, lassen zumindest daran zweifeln.

Demnach haben zwar seit der Teillegalisierung etwas mehr Menschen zu Cannabis gegriffen. Allerdings ist der Anstieg vergleichbar mit dem der Vorjahre. Ein direkter Zusammenhang mit dem neuen Gesetz lässt sich also nicht unbedingt herstellen. Seit dem 1. April 2024 ist es erlaubt, Cannabis zu Freizeitzwecken zu nutzen und anzubauen. Außerdem kann es zu medizinischen Zwecken genutzt werden.

In den vergangenen zwölf Jahren haben grundsätzlich immer mehr Menschen offenbar Gefallen an der Substanz gefunden – der Konsum ist stetig angestiegen. Gaben 2021 noch 8,8 Prozent der Befragten zwischen 18 und 64 Jahren an, im Jahr zuvor konsumiert zu haben, waren es im Jahr 2024 schon 9,8 Prozent (zum Vergleich: 2012 griffen nur 4,5 Prozent zu Cannabis). Der sogenannte Epidemiologische Suchtsurvey wird alle drei Jahre erhoben.

Aktuell konsumiert also immerhin jeder zehnte deutsche Erwachsene Cannabis, was es zur am meisten genutzten Freizeitdroge nach Alkohol und Tabak macht. Diese Tendenz stimmt Experten nachdenklich. „Der Cannabiskonsum und damit bedingte Probleme unter Erwachsenen nehmen seit Jahren zu“, sagte etwa Jakob Manthey dem Science Media Center (SMC). „Die Studie bestätigt vorherige Annahmen, dass sich die Cannabis-Legalisierung auf diesen Trend kurzfristig nicht auszuwirken scheint.“

Manthey arbeitet am Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und warnt vor den Folgen – vor allem von Joints. Dies sei „die schlechteste Art und Weise, Cannabis zu konsumieren“, sagt er, weil nicht nur Herz und Lunge geschädigt werden könnten, sondern auch die Gefahr einer Abhängigkeit besonders groß sei.

Tatsächlich mischen allerdings die allermeisten Nutzer Marihuana mit Tabak und rauchen: Mit fast 90 Prozent ist es die gebräuchlichste Form. Danach folgt die Verwendung in Speisen oder Getränken sowie in der Wasserpfeife. Zugenommen hat ebenfalls die Nutzung von Verdampfern.

Ein einziger hausgebackener Cannabis-Keks kann die vielfache THC-Menge eines Joints enthalten.

Jakob Manthey, Suchtforscher

Aber ist es wirklich gesünder, Cannabis zu essen statt zu rauchen? Nicht zwangsläufig. „Ein einziger hausgebackener Cannabis-Keks kann beispielsweise die vielfache Tetrahydrocannabinol-Menge (THC) eines Joints enthalten“, sagt Experte Manthey. „Außerdem ist die Wirkweise durch oralen Konsum sehr viel intensiver und führt daher auch eher zu akuten Problemen, insbesondere bei unerfahrenen Konsumierenden.“

Neben körperlichen Problemen wie Schwindel, Herzrasen oder Blutdruckabfall kann Cannabis auch die Psyche beeinträchtigen und in seltenen Fällen eine Psychose auslösen. Als risikoärmste Form schätzt Manthey derzeit das Verdampfen von Cannabisblüten ein – „insbesondere mit moderatem THC-Gehalt von zum Beispiel zehn bis 15 Prozent“.

Der durchschnittliche deutsche Konsument ist Raucher, männlich (66 Prozent) und 34 Jahre alt. Er nimmt Cannabis vor allem, um Spaß zu haben beziehungsweise „high“ zu werden (70 Prozent) oder um Stress abzubauen (61 Prozent). Mehr als 30 Prozent gaben an, mit der Droge besser schlafen zu können.

„Viele Nutzer machen tatsächlich gute Erfahrungen mit Cannabis als Mittel zu einem besseren und ruhigeren Schlaf aufgrund medizinischer Problematiken“, sagte Bernd Werse dem SMC. Der Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung weist aber gleichzeitig auf einen möglichen Teufelskreis hin: „Bei anderen kann der Einsatz als Schlafmittel eher ein Symptom für problematischen Konsum sein.“

66
Prozent der Cannabis-Konsumenten sind Männer.

Wer besonders häufig und regelmäßig kifft, setzt Cannabis der Umfrage zufolge eher als Mittel zur Stressbewältigung oder als Schlafhilfe ein. Menschen, die ab und zu konsumieren, sind dagegen tendenziell auf der Suche nach einem vorübergehenden Rausch.

Dass sich daran durch das neue Cannabis-Gesetz etwas geändert hat oder noch ändern wird, glaubt Experte Jakob Manthey nicht. Er hält die Fokussierung ohnehin für verkehrt und fordert vielmehr eine Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen.

„Was derzeit relevanter ist, sind Informationen zu den Folgen des Cannabiskonsums“, sagt der Suchtforscher. „Dazu gehören insbesondere Daten zur Entwicklung akuter und chronischer Gesundheitsprobleme, zum Beispiel aus Krankenhäusern, sowie zum Umfang von Straßenverkehrsunfällen unter Cannabiseinfluss.“

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