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Eine Chefärztin über späte Schwangerschaftsabbrüche: „Wir begehen jeden Tag eine Straftat“
Wer eine Schwangerschaft nach der zwölften Woche aus medizinischen Gründen abbrechen will, hat es schwer, eine Klinik zu finden. Was macht das mit den Betroffenen? Und was mit den Medizinern?
Stand:
Bis zur zwölften Woche ist alles geregelt. Wer bis dahin eine Schwangerschaft abbrechen möchte, kann dies in Deutschland unter bestimmten Auflagen tun, ohne belangt zu werden. In einigen, wenigen Kliniken gibt es die Möglichkeit, auch später abzutreiben – wenn ein medizinischer Grund vorliegt.
Ärzte, die diese Eingriffe durchführen, werden immer wieder dafür kritisiert, gar angefeindet. Wir haben in einem Videocall mit einer Chefärztin gesprochen, die an einer großen deutschen Klinik späte Schwangerschaftsabbrüche durchführt – und anonym bleiben möchte. In ihrem Krankenhaus werden pro Jahr mehr als 100 späte Abbrüche vorgenommen.
Triggerwarnung: Der nachfolgende Text enthält Beschreibungen medizinischer Abläufe, die potenziell belastend sein können.
Sie haben diesem Gespräch unter der Bedingung zugestimmt, dass Ihr Name nicht genannt wird. Warum?
Es ist so, dass man als Klinik nicht unbedingt mit diesem Thema in der Öffentlichkeit stehen will. Ich persönlich habe zwar noch keine schlechten Erfahrungen gemacht, kenne aber andere Kollegen, die zum Beispiel Hassmails bekommen haben von Abtreibungsgegnern. Auch haben wir immer wieder Gruppierungen, die vor unserer Klinik gegen Abtreibungen demonstrieren – oft sind es religiöse Gruppen mit Plakaten, auf denen beispielsweise steht: „Mama, ich will leben.”
Wie denken Sie darüber?
Ich empfinde das als polemisch und sehr einseitig. Diese Menschen wissen nicht, wie Frauen, die Abbrüche durchführen lassen, mitunter darunter leiden. Und für Ärzte, gerade junge Assistenzärzte, kann es sehr erschreckend und belastend sein, wenn sie so angegangen werden – obwohl sie eigentlich nur helfen wollen.
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