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Fiebersäfte für Kinder waren in den Wintermonaten Mangelware.

© dpa/Annette Riedl

Erkältungen und Infekte nehmen zu: Droht wieder ein Medikamentenengpass?

Im vergangenen Jahr war es in der kalten Jahreszeit problematisch, einige Arzneimittel zu bekommen – vor allem für Kinder. Bei Apotheken ist nun wieder von Lieferproblemen die Rede.

Stand:

Die Erkältungs- und Infektionszeit kommt. Und da dürfte auch der Bedarf an Medikamenten wieder deutlich anziehen – von Antibiotika bis zu Fiebersäften für Kinder. Die Apothekenbranche beklagt erneut unzureichende Vorkehrungen gegen Lieferengpässe, wenn Patienten bestimmte Präparate benötigen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1 Wie ist die Lage aktuell?

Nach amtlichen Daten gibt es derzeit gut 530 Lieferengpassmeldungen – bei insgesamt 100.000 zugelassenen Arzneimitteln in Deutschland. Von Engpässen betroffen sind in der Regel Generika, heißt es vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). 

Dies sind wirkstoffgleiche Kopien älterer Originalmedikamente, die nach Ablauf des Patentschutzes auf den Markt kommen dürfen. In der Regel gebe es also vergleichbare Mittel, die meist auch lieferbar sind.

2 Wie sieht es bei wichtigen Präparaten aus?

Für die Infektionssaison sei davon auszugehen, dass die Versorgung mit Fiebersäften gewährleistet ist, teilte das Bundesgesundheitsministerium mit. Bei Antibiotika gibt es demnach weiter eine angespannte Liefersituation bei den Wirkstoffen Cefuroxim, Clindamycin, Cotrimoxazol und Erythromycin – ebenso bei bestimmten Mitteln für Asthma, für Herzinfarkte oder starke Schmerzen. Das Ministerium stellte dazu jeweils einen Versorgungsmangel fest, was mehr Importe ermöglicht – und sagt, die Entwicklung werde engmaschig verfolgt.

530
Medikamente sind in Deutschland derzeit nicht so leicht zu bekommen.

3 Was genau ist ein Lieferengpass?

Als Lieferengpass gilt eine mehr als zwei Wochen lange Unterbrechung einer üblichen Auslieferungsmenge, wie das BfArM generell erläuterte – oder wenn einer deutlich höheren Nachfrage nicht angemessen nachgekommen werden kann. Dann wird geprüft, ob es Alternativpräparate gibt, die verfügbar sind.

Echte Versorgungsengpässe, bei denen es keinen gleichwertigen Ersatz gibt, sind selten. Seit 2015 kam dies 16-mal vor. Das Ministerium gibt den Mangel offiziell bekannt, dann sind befristet Abweichungen von Vorgaben möglich.

4 Was sind Gründe für Lieferengpässe?

Häufig sind Produktionsprobleme der Auslöser, wie es beim Bundesinstitut heißt, etwa bei Prozess-Umstellungen bei Qualitätsproblemen. Ein Risikofaktor ist auch, wenn es für Wirkstoffe oder Zwischenprodukte nur wenige Hersteller gibt. Viele davon produzieren in Asien. Die Pharmabranche verweist auch auf höhere Herstellungskosten unter anderem für Energie, die wegen gesetzlicher Regulierungen und Rabattverträge aber kaum weitergegeben werden könnten.

Auch in diesen Winter gehen wir sehr schlecht vorbereitet.

Thomas Preis, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

5 Was sagen die Pharmahersteller?

Der Verband der Generika-Hersteller (Pro Generika) monierte, nötige Anreize für Investitionen in eine stabile und europäisch verankerte Produktion fehlten weiterhin. Auf Basis des Gesetzes habe kein Unternehmen auch nur einen Euro in den Ausbau von Antibiotika-Werken stecken können, sagte Geschäftsführer Bork Bretthauer. Auch die Regelung zur Vorratshaltung sei kontraproduktiv und eine erhebliche zusätzliche Belastung – sowohl logistisch als auch finanziell.

6 Was wird für den Herbst erwartet?

Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sagte: „Ich kann die Sorgen der Menschen verstehen, angesichts der Situation in den vergangenen Jahren. Aber ich kann beruhigen: Die Versorgung mit Arzneimitteln ist gewährleistet.“

Das BfArM teilte mit, vor dem Hintergrund der vorliegenden Meldungen und Daten könne aktuell auch für den kommenden Herbst/Winter von einer stabilen Lage ausgegangen werden.

7 Was beklagen die Apotheken?

Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Thomas Preis, bemängelte in der „Bild am Sonntag“: „Auch in diesen Winter gehen wir sehr schlecht vorbereitet.“ Lieferengpässe seien „ein Dauerthema“ geworden. Dabei sorgt es bei Patienten für Frust, wenn sie ein Präparat in einer Apotheke nicht bekommen und dann womöglich noch andere danach abklappern. Für die Apotheken selbst bringt es mehr Aufwand, Alternativen zu suchen. Woche für Woche koste das 20 Stunden, kritisierte Preis. Bezahlt werde man dafür nicht.

8 Wie reagiert die Politik?

Nach akuten Problemen bei Kinderarzneien beschloss die Vorgängerregierung 2023 ein Anti-Engpass-Gesetz. Es lockerte Preisregeln, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Als Sicherheitspuffer sind nun auch Vorräte von mehreren Monatsmengen für viel genutzte Mittel Pflicht.

Voraussichtlich Ende 2025/Anfang 2026 sollten die neuen Vorgaben in allen Rabattverträgen mit Krankenkassen umgesetzt sein, erläuterte das Ministerium. Warken plant künftig auch noch erleichterte Austauschregeln für Apotheken.

9 Was sagen die Krankenkassen?

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen betont, die reguläre Versorgung mit Arzneimitteln funktioniere. „Lieferengpässe bleiben die Ausnahme“, sagte die stellvertretende Verbandschefin Stefanie Stoff-Ahnis. Um im Sinne der Patientenversorgung besser reagieren zu können, brauche es aber „ein richtiges Frühwarnsystem“. Das sei die zentrale Komponente, um Engpässe rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können. (dpa)

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