Gesundheit: Gen-Chips: Es begann in einem Klostergarten
Was heute von Tausenden von Wissenschaftlern in organisierten Großvorhaben und riesigen Labors betrieben wird, begann im 19. Jahrhundert in einem Klostergarten im böhmischen Brünn: die Genforschung.
Was heute von Tausenden von Wissenschaftlern in organisierten Großvorhaben und riesigen Labors betrieben wird, begann im 19. Jahrhundert in einem Klostergarten im böhmischen Brünn: die Genforschung. Hier treibt der österreichische Augustinermönch und Hobbyforscher Gregor Mendel seine Studien an Erbsen. Mendel entdeckt Grundregeln der Vererbung, von der man bis dahin nur eine vage Vorstellung ("Blutsbande") hatte. Er formuliert sie 1865 in seinem Aufsatz "Versuch über Pflanzenhybriden".
Dann wird Mendel vergessen. Erst 1900 erkennen Naturforscher die Bedeutung seiner Gesetze, und nun beschleunigt sich die Entwicklung. So findet man als chemische Träger der Erbsubstanz die Chromosomen im Zellkern. 1909 verwendet der dänische Biologe Wilhelm Johannsen erstmals den Ausdruck "Gen". Ein "Gen" ist die materielle Grundlage für ein von Generation zu Generation vererbtes Merkmal. 1910 entdeckt der Amerikaner Thomas Hunt Morgan Gene auf den Chromosomen der Fruchtfliege.
Mit Francis Galton, einem Cousin des Evolutionstheoretikers Charles Darwin, beginnt eine verhängnisvolle Entwicklung. Galton prägt den Begriff "Eugenik", was "edel im Gen" bedeutet. Mit der "Eugenik" soll analog zur Tierzüchtung auch die genetische Qualität der Menschheit verbessert werden. Genetiker hoffen, mit der Eugenik auch den Schlüssel zur Behandlung "sozialer Krankheiten" in der Hand zu haben, um so Alkoholismus, Kriminalität, Armut oder Prostitution aus der Welt zu schaffen - aus heutiger Sicht eine naive und gefährliche Vorstellung. Die Eugenik wird zu einem Grundpfeiler der nationalsozialistischen Rassenpolitik, der Euthanasie und des Massenmords. Bis heute lastet diese Hypothek auf der Biologie.
Die moderne Gentechnik entwickelt sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1953 beschreiben James Watson und Francis Crick die Gestalt des Erbmoleküls DNS. In den folgenden Jahrzehnten werden die molekularen Lebensprozesse schrittweise besser verstanden und biochemische Instrumente entwickelt, mit deren Hilfe man DNS schneiden, einfügen oder vermehren kann. Damit sind gezielte Eingriffe in elementare Lebensprozesse möglich.
1990 scheint die Zeit reif für die "Mondlandung der Biologie" - das Erstellen einer Karte des gesamten menschlichen Erbguts, Genom genannt. 2005 sollen die drei Milliarden Bausteine der menschlichen DNS, die "Buchstaben" der Erbinformation, entziffert sein.
Das internationale, öffentlich finanzierte Humangenom-Projekt bekommt 1998 Konkurrenz durch den amerikanischen Biotechnik-Unternehmer Craig Venter, der das Erbgut bereits 2001 entziffert haben will. Venter kann auf den Vorarbeiten des öffentlichen Genom-Projekts aufbauen und verfügt über einen gewaltigen Maschinenpark für die Erbgutanalyse. Im Frühjahr 2000 verkündet er überraschend, er habe das menschliche Erbgut sequenziert. Am 12. Februar 2001, 136 Jahre nach den Kreuzungsversuchen des Gregor Mendel, präsentieren Craig Venter und Francis Collins vom internationalen Genom-Projekt die Sequenz des menschlichen Genoms.