Gesundheit: Jetzt wird alles anders
Studiengebühren, Pisa, Bund-Länder-Streit: Auf die neue Chefin der Kultusminister kommt einiges zu
In der Reihe der Wissenschaftsminister der CDU-regierten Länder fällt Johanna Wanka gelegentlich durch ihre unkonventionellen Ansichten auf. Ihre Kollegen wollen zum Beispiel den Neubau von Unis und Fachhochschulen ausschließlich der Verantwortung der Länder übertragen – davon hält Wanka nichts. Aber im Gegensatz zu Peter Frankenberg aus Baden-Württemberg und Thomas Goppel aus Bayern hatte sich die brandenburgische Wissenschaftsministerin bisher nicht bundespolitisch zu Wort gemeldet. Ihre Ansichten tat sie eher in regionalen Foren kund. Jetzt wird alles anders. Johanna Wanka wurde auf die große Bühne gehoben – als neue Präsidentin der Konferenz der Kultusminister (KMK).
In dem Amt, das sie am 1. Januar turnusgemäß von ihrer Vorgängerin, der rheinland-pfälzischen Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) übernommen hat, kommt einiges auf Johanna Wanka zu: Studiengebühren, der Bildungsstreit zwischen Bund und Ländern, der Wettlauf um eine bessere Pisa-Platzierung – und eine Verwaltungsreform im eigenen Haus. Abwarten, was die Tagesordnung so bringt, will Wanka offenbar nicht. Sie bezieht Position.
Studiengebühren? Johanna Wanka rechnet damit, dass die Karlsruher Richter das Verbot kippen – und ist gleichzeitig gefasst auf eine „Überraschung“, mit der man bei Juristen immer rechnen müsse. Unabhängig davon, ob das Verbot fällt und wie viele Länder dann tatsächlich allgemeine Studiengebühren zulassen: Wanka möchte mit ihren Ministerkollegen „Eckpunkte“ entwickeln, die bundesweit vergleichbare Studienbedingungen garantieren, sagte sie gestern dem Tagesspiegel. Dabei denke sie nicht an ein einheitliches Modell, nach dem etwa von München bis Hamburg an allen Hochschulen 500 Euro Gebühr anfielen. Wanka will den Hochschulen die Entscheidung überlassen, von Standort zu Standort und von Fach zu Fach unterschiedliche Gebühren zu erheben. „Ich war schon in Brandenburg sehr für die Hochschulautonomie“, sagt sie.
Damit aber ein Abiturient unabhängig von seiner sozialen Herkunft sowohl im – wahrscheinlich vorerst – gebührenfreien Berlin als auch im teuren München studieren kann, will Wanka ein neues System der Studienfinanzierung: Volldarlehen für alle, statt Bafög. Und sie will sich für ein „kostenneutrales“ Darlehenssystem stark machen, bei dem Bund, Länder, Hochschulen und Banken gemeinsam das Risiko für Ausfälle tragen. Noch einen weiteren Pakt strebt Wanka an: Die Länder sollen sich verpflichten, die Staatszuschüsse auch dann nicht zu kürzen, wenn die Hochschulen durch Gebühren zusätzlich Mittel einnehmen. Denn dieses Geld soll im vollen Umfang der Verbesserung der Lehre zugute kommen.
Auch im Föderalismusstreit glaubt Wanka zwischen den Parteien vermitteln zu können. Tatsächlich nimmt sie im Kreise der Unionsminister eine moderate Position ein: Dass sie als Ressortchefin in einem armen Bundesland dafür ist, den Hochschulbau weiterhin gemeinsam zu finanzieren, überrascht eigentlich nicht. Aber Wanka tritt auch dafür ein, dass es im Hochschulbereich weiter bundeseinheitliche „verbindliche Regelungen“ gibt – etwa über den Zugang zum Studium und einheitliche Abschlüsse. Das Hochschulrahmengesetz stellt sie nicht zur Disposition, gibt aber zu bedenken: Einige Minister in der KMK wollten das über Staatsverträge oder über ein Bundesgesetz regeln. Die Forderung von Hessens Ministerpräsident Koch (CDU), der Bund solle sich weitgehend aus der Bildungspolitik zurückziehen, wollte Wanka gestern nicht kommentieren.
Ein anderer Parteikollege hat Wanka ein Erbe aufgebürdet, auf das sie schnell reagieren muss: Nachdem Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff drohte, aus der KMK auszusteigen, erhöhten die Ministerpräsidenten die Sparauflage für das Sekretariat: Von 217 Stellen soll die KMK jetzt 40 statt der geplanten 20 streichen. Wanka will das „zügig umsetzen“. Aber wie? Es sei denkbar, etwa die Zentralstelle für ausländische Bildungsabschlüsse „in eine andere Rechtsform zu überführen“, sagt Wanka. Über konkrete Einschnitte will die KMK-Präsidentin nicht sprechen. Klar sei bislang nur, dass man sich im Bildungs- und Hochschulbereich auf die Kernaufgaben konzentrieren müsse: die Qualität des Lernens und Lehrens zu sichern und weiterzuentwickeln. Und da sei die KMK mit den Bildungsstandards ja schon gut aufgestellt. „In anderen Feldern brauchen wir etwas länger“, hat Wanka beobachtet.
Für die Schulpolitik wird es im Herbst noch einmal richtig spannend: Dann kommt die Detailstudie zu den deutschen Bundesländern, Pisa-E – und damit auch die Ergebnisse zum Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien. Das wird eine erneute intensive Diskussion über die Qualität der Schule in Deutschland auslösen, glaubt Wanka – und macht sich bereit.
Die brandenburgische Wissenschaftsministerin und neue KMK-Präsidentin Johanna Wanka (CDU) stammt aus Sachsen. 1951 wurde sie in Rosenfeld geboren. In Leipzig studierte sie Mathematik.
An der Technischen Hochschule Merseburg arbeitete sich die wissenschaftliche Assistentin von 1974 bis 1994 über die Professur zum Rektorenamt hoch. In der Vorwendezeit engagierte sich Wanka in der Bürgerbewegung der DDR und war im September 1989 Gründungsmitglied des Neuen Forums in Merseburg.
Seit Oktober 2000 ist Wanka Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. 2001 trat sie der CDU bei, ist aber über die Parteigrenzen hinweg als kompetente und kämpferische Ministerin anerkannt. So erreichte sie, dass die Wissenschaft von Kürzungen verschont bleibt.