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Gesundheit: Maul- und Klauenseuche: Aus 20 Metern Höhe über den Weiden versprüht

Manches deutet darauf hin, dass illegal eingeführtes verseuchtes Fleisch aus Asien die Ursache der verheerenden Maul- und Klauenseuche-Epidemie in England ist. Leben, Gesundheit, Landwirtschaft, Ökonomie, Welthandel können also auch durch Einzeltäter höchst bedroht sein, nicht nur durch "Schurkenstaaten", von denen sich speziell die Vereinigten Staaten bedroht fühlen - vor allem von solchen, die nach dem Besitz von Massenvernichtungsmitteln trachten.

Manches deutet darauf hin, dass illegal eingeführtes verseuchtes Fleisch aus Asien die Ursache der verheerenden Maul- und Klauenseuche-Epidemie in England ist. Leben, Gesundheit, Landwirtschaft, Ökonomie, Welthandel können also auch durch Einzeltäter höchst bedroht sein, nicht nur durch "Schurkenstaaten", von denen sich speziell die Vereinigten Staaten bedroht fühlen - vor allem von solchen, die nach dem Besitz von Massenvernichtungsmitteln trachten.

Vor sechzig Jahren gab es zweifellos mindestens einen "Schurkenstaat": das nationalsozialistische Deutschland. Auch diesem Staat unterstellten ausländische Geheimdienste unter anderem die Entwicklung, Erprobung und Munitionierung von Biowaffen, zumal der deutsche Geheimdienst bereits im Ersten Weltkrieg Krankheitserreger zur Biosabotage eingesetzt hatte.

1936 berichtete ein britischer Agent, in der Lüneburger Heide seien Feldversuche mit MKS-Viren erfolgt. Das aber war eine Falschmeldung. Als solche Experimente später tatsächlich vorgenommen wurden, geschah dies auf besetztem Territorium.

Zum Thema Chronologie: Der jüngste Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Europa Zuvor hatte der führende Biowaffen-Experte, der Bakteriologieprofessor Heinrich Kliewe im März 1943 gefordert, dass Versuche mit Krankheitserregern "am zweckmäßigsten an einer Küste zur Ebbezeit" oder "auf einer entlegenen Insel" durchgeführt werden sollten. Das Desinteresse der Militärs an biologischen Waffen änderte sich schlagartig, als im Sommer 1940 bei Paris ein französisches Biowaffeninstitut entdeckt wurde. Kliewe, der zur Überprüfung dieses Instituts abkommandiert wurde, stellte fest, dass dort unter anderem die Verbreitung von Maul- und Klauenseuche erwogen worden war. Er begann daraufhin, eigene Konzepte zum Einsatz biologischer Kampfmittel zu erarbeiten.

Solchen Plänen wurde dann aber bald ein Riegel vorgeschoben, als Hitler - aus bis heute weitgehend ungeklärten Gründen - im Mai 1942 befahl, "dass unsererseits Vorbereitungen für einen Bakterienkrieg nicht zu treffen" seien, wohl aber "äußerste Bemühungen um Abwehrmittel und Abwehrmaßnahmen gegen etwaige Feindangriffe mit Bakterien". Ein Biowaffen-Komitee, die "Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter", wurde gegründet, und Kliewe notierte, "das Institut auf Riems (sei) für Arbeiten mit MKS-Erregern herangezogen worden, weil diesen zunächst die größte Bedeutung zukommt".

Dieses Institut, in dem heute unter anderem die Arbeiten zur BSE-Diagnostik erfolgen, war damals das weltweit führende MKS-Forschungszentrum. Ihr Präsident, Professor Otto Waldmann, berichtete 1947 der Sowjetischen Militäradministration, dem Institut seien Proben zur Untersuchung auf den Gehalt an MKS-Viren eingesandt worden, "von denen angenommen wurde, dass sie von feindlichen Fliegern abgeworfen wurden, um die deutschen Rinderherden zu verseuchen. Die Untersuchungen sind alle negativ verlaufen."

Allerdings und in Verletzung des von Hitler ausgesprochenen Verbotes war das Riemser Institut auch in eindeutig offensive Aktivitäten verstrickt, und zwar vor allem auf Betreiben von Waldmanns Schwiegersohn Hanns-Christoph Nagel, der in der Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter die Veterinärmedizin vertrat. Bereits in der ersten Sitzung des Komitees im März 1943 berichtete Nagel, es sei gelungen, Rinder auf einer kleinen, im Peipus-See im Nordwesten Russlands gelegenen Insel durch Versprühen von MKS-Erregern zu infizieren.

Dazu wurde ein auf dem Riems produziertes Viruspräparat zu einem Flugplatz in der Nähe des Peipus-Sees im Nordwesten Russlands gebracht, verdünnt und in den Sprühtank eines dafür ausgerüsteten Flugzeugs gefüllt. Anderntags wurde die Virus-Suspension in einer Höhe von etwa 20 Metern über der Insel versprüht. Anschließend wurden die Tiere auf die Insel gebracht.

Ein weiterer Versuch erfolgte im Frühsommer mit Rentieren. Später wurde die Arbeitsgemeinschaft von Nagel darüber informiert, dass man auf weitere Versuche verzichte, weil die bereits erfolgten "ein eindeutiges Ergebnis geliefert hätten".

Aber damit war das Interesse der Experten an MKS noch nicht erloschen. Im Mai 1944 unterrichtete Nagel die Komiteemitglieder, es sei gelungen, "ein lagerbeständiges Trocken-Präparat (von MKS-Viren) zu erstellen, das noch in einer Verdünnung von 1 : 10 000 wirksam ist". Mit dem erfolgten dann im Juni 1944 Fütterungsexperimente an Rindern. Diese Versuche dienten nicht möglichen Schutzmaßnahmen, sondern wurden mit offensiver Intention betrieben.

Tatsächlich hatte Nagel mehrfach den Einsatz von MKS-Erregern gegen England propagiert. Nur diese Viren kämen aus veterinärmedizinischer Sicht als brauchbare Waffe gegen England in Betracht. Bereits auf der ersten Sitzung des Blitzableiter-Komitees meinte er, MKS-Viren könnten erfolgreich gegen England eingesetzt werden, weil der britische Rinderbestand kaum immun sei.

Beim Masseneinsatz könnten bis zu zwölf Prozent der Rinder infiziert werden. Die Beschaffung größerer Mengen Infektionsstoff sei nicht schwierig. Hinderlich sei nur, dass ein Gegenschlag der Angloamerikaner befürchtet werden müsse, "der für uns sehr unangenehm werden könnte, da uns vor allem Amerika in der Produktion überlegen sei, und Amerika evtl. Rinderpest einsetzen würde, was für uns katastrophale Bedeutung haben könnte".

Tatsächlich waren die Angloamerikaner zum Gegenschlag auf erwartete deutsche Biowaffen-Einsätze bereit und hatten fünf Millionen Stückchen Rindertrockenfutter hergestellt und abwurfbereit verpackt, die mit Milzbranderregern verseucht worden waren. Hätten sie diese eingesetzt, wenn die Deutschen eine MKS-Epidemie in England ausgelöst hätten? Mit dieser Frage ist eine der größten Kalamitäten der Kontrolle der Biowaffen angesprochen: es sind ja nicht eigens fürs Militär entwickelte Waffensysteme, sondern natürliche Erreger.

Wie kann man schnell und sicher nachweisen, ob eine Epidemie eine natürliche Ursache hat oder von einem Schurkenstaat oder von Terroristen ausgelöst wurde? Und wie kann man nachweisen, ob Untersuchungen an gefährlichen Krankheitserregern dem Gesundheitsschutz oder biologischer Kriegsführung dienen?

Zumindest einer teilweisen Lösung dieser Probleme soll das Zusatzprotokoll zur Biowaffen-Konvention dienen, an dem Experten seit 1994 arbeiten und das die bisher wenig wirksame Konvention stärken soll. Dieses Zusatzprotokoll enthält auch Listen der gefährlichsten potenziellen Biowaffen, und darin ist auch der Maul- und Klauenseuche-Erreger aufgeführt. Welch großes Gefahrenpotential MKS-Viren darstellen, können wir täglich den Medien entnehmen.

Erhard Geissler

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