Ackerbau und Viehzucht haben ihre Spuren in unserem Erbgut hinterlassen. Als die Menschen der Steinzeit vor 8000 Jahren in Europa Bauern wurden, änderten sie gleichzeitig ihre Lebensweise drastisch. In dieser Phase wurde plötzlich eine Erbeigenschaft wichtig, die Kindern und Erwachsenen hilft, auch nach dem Abstillen Milch zu verwerten, haben der Paläogenetiker Joachim Burger von der Mainzer Universität und seine Kollegen herausgefunden, wie sie im Fachblatt „PNAS“ schreiben.
Um den in der Milch vorhandenen Milchzucker (Laktose) zu verdauen, produzieren Säuglinge ein spezielles Enzym mit dem Namen Laktase. Sobald die Kinder aber nicht mehr gestillt werden, versiegt auch die Herstellung dieses Enzyms weitgehend. Einige Menschen aber haben eine kleine Veränderung im Erbgut, die den Produktionsstopp für das Laktase-Enzym verhindert. Noch als Erwachsene können diese Menschen Milch verwerten.
Konnten Steinzeit-Kinder nach dem Abstillen die energiereiche Milch von Rindern oder Ziegen trinken, hatten sie in Zeiten einen Riesenvorteil, in denen andere Nahrung knapp war. Dieser Vorteil gilt aber nur, wenn die Kinder Milch auch vertragen. Anfangs war das eher selten der Fall. Joachim Burger und Martina Kirchner von der Mainzer Universität haben Erbgut aus neun Knochen verschiedener Menschen untersucht, die vor 7800 bis 7200 Jahren in der Zeit in Europa gestorben waren, als gerade die ersten Viehherden gehalten wurden. In keinem einzigen Erbgut fanden sie die Veränderung, die Milch leicht verdaulich machte. Offensichtlich war also während der neolithischen Revolution die Erbeigenschaft noch sehr selten, die größeren Kindern und Erwachsenen beim Verdauen von Milchzucker hilft. Das einzige untersuchte Skelett aus dem Mittelalter dagegen war ein Volltreffer: Der um das Jahr 600 gestorbene Merowinger aus dem ältesten fränkischen Königsgeschlecht hatte die genetische Veränderung und konnte Milch wohl ohne Probleme auch als Erwachsener trinken.
Damit scheint die Entwicklung klar: Ursprünglich war die Erbeigenschaft sehr selten. Allerdings hatten Kinder mit dieser Mutation einen Überlebensvorteil und konnten das Gen an ihre Kinder weitergeben. Im Maßstab der Evolution verlief diese Auslese extrem schnell: Heute haben bereits mehr als 70 Prozent aller Menschen in Norddeutschland, Skandinavien oder Holland das Gen für Milchverträglichkeit.