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In Kliniken für Psychiatrie herrscht Personalmangel.

© picture alliance/ dpa/Jörg Carstensen

„Patientensicherheit gefährdet“: Mehr als die Hälfte der Psychiatrie-Einrichtungen hat zu wenig Therapeuten

Es sind erschreckende Daten: Die Mindestzahl von Fachkräften wird einem Bericht zufolge an vielen Standorten nicht erfüllt. Besonders betroffen davon seien Kinder- und Jugendpsychiatrien.

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Rund die Hälfte aller psychiatrischen Einrichtungen in Deutschland verfehlt die Mindestvorgaben für die Zahl der therapeutischen Fachkräfte. Das ergibt sich aus Zahlen des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG), über die das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) berichtet.

Demnach hatten im vierten Quartal 2023 von 755 Einrichtungen der Erwachsenenpsychiatrie 387 Standorte nicht die seit 2020 geltenden Vorgaben für die Personalstärke erfüllt. Das entspricht einem Anteil von 51 Prozent.

Bei den Kinder- und Jugendpsychiatrien verfehlten laut dem Bericht 165 von 296 Einrichtungen die Vorgaben. Das ist ein Anteil von 56 Prozent.

Ein Grund für die Per­so­nal­pro­ble­me ist, dass in Deutsch­land das Po­ten­zi­al am­bu­lan­ter Be­hand­lun­gen am Kran­ken­haus bei Wei­tem nicht aus­ge­schöpft wird.

Doris Pfeiffer, Chefin des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen

Kritik an der Situation kam vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). „Eine Behandlung mit zu wenig Personal ge­fähr­det die Pa­ti­en­ten­si­cher­heit und ver­zö­gert die Ge­ne­sung von schwer psy­chisch er­krank­ten Menschen“, sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer dem RND. „Ein Grund für die Per­so­nal­pro­ble­me ist, dass in Deutsch­land das Po­ten­zi­al am­bu­lan­ter Be­hand­lun­gen am Kran­ken­haus bei Wei­tem nicht aus­ge­schöpft wird“, betonte Pfeiffer.

Nach Ansicht der Krankenkassen werden in Deutschland zu viele psychisch Erkrankte vollstationär in einer Klinik behandelt – was besonders personalintensiv ist. Eine Alternative wäre eine ambulante Behandlung in Tageskliniken.

Wie es weiter heißt, verweist der Spitzenverband darauf, dass es einen europaweiten Trend zur Am­bu­lan­ti­sie­rung der psych­ia­tri­schen Ver­sor­gung gebe. Gab es 1993 den Angaben zufolge im europäischen Schnitt 110 psych­ia­tri­sche Kran­ken­haus­bet­ten auf 100.000 Ein­woh­ner, waren es 2021 nur noch 73 Bet­ten. Völ­lig ge­gen die­sen Trend sei in Deutsch­land die Zahl der psych­ia­tri­schen Bet­ten wei­ter an­ge­stie­gen auf zu­letzt etwa 130 Bet­ten pro 100.000 Ein­woh­ner, so der Spitzenverband.

Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Kassen hatte demnach beschlossen, dass Kliniken der Psychiatrie, der Kinder- und Jugendpsychiatrie und psychosomatische Abteilungen bei der personellen Besetzung ihrer Stationen konkrete Vorgaben erfüllen müssen. Ziel ist es, eine möglichst gute Patientenversorgung abzusichern.

Werden die seit 2020 geltenden Vorgaben nicht erfüllt, sind dem Bericht zufolge Sanktionen möglich. Allerdings gelten demnach derzeit noch Übergangsregelungen.

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