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Gesundheit: Rat für Politikberater Akademischer Austausch

Wissenschaftszentrum Berlin organisiert sich neu Der Mediziner Volker ter Meulen wird neuer Präsident der Gelehrtengesellschaft Leopoldina

Das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) ist durch die Wiedervereinigung in eine glückliche Lage geraten. Am Landwehrkanal gelegen, in der Nähe des Potsdamer Platzes, sind die Wege zu den Schaltstellen der Bundesregierung nicht weit. Das Wissenschaftszentrum betreibt weniger als Institution denn über seine prominenten Abteilungsleiter Politikberatung. So gehört Günther Schmid zu den anerkannten Fachleuten für Sozialstaat und Arbeitsmarkt und Meinolf Dierkes arbeitet an der Reorganisation des Künast-Ministeriums.

Das Wissenschaftszentrum bezeichnet sich selbst als größtes Forschungsinstitut der Sozialwissenschaften in Europa – sein Kennzeichen ist die Grundlagenforschung. Es liegt im Zentrum der Ost-West-Begegnung und betrachtet den Wandel im ehemaligen Ostblock zugleich im gesamteuropäischen Zusammenhang.

Derzeit bereitet sich das Zentrum auf eine neue Begutachtung im Jahre 2004 vor. Das bedeutet, neue Themen zu finden und Wissenschaftler gemeinsam mit den Berliner Universitäten zu berufen. Einer von vier Forschungsschwerpunkten ist neu eingerichtet worden zum Thema „Zivilgesellschaft, Konflikte und Demokratie”. Hier denkt man intensiv über die neue Entwicklung der Demokratie, über Gewalt und Friedenspolitik nach. Die Forschungsschwerpunkte sind insgesamt in elf Abteilungen untergliedert, von denen fünf entweder neue Aufgaben oder neue Leiter erhalten werden, teilte der Präsident des Wissenschaftszentrums, Jürgen Kocka, dem Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses mit. Die Abgeordneten meldeten Wünsche an. Benjamin Hoff von der PDS regt regelmäßige Berichte über die soziale Lage in Deutschland an.

Das Zentrum hat zwar keine gravierenden finanziellen Probleme, um seine 280 Mitarbeiter zu bezahlen. Dafür stehen jährlich 12,5 Millionen Euro zur Verfügung, zu 75 Prozent vom Bund getragen. Aber wenn der Bund jetzt der Einrichtung eine Kürzung von 270 000 Euro auferlegt, dann entspricht das den Aufwendungen für die Nachwuchsförderung. U.S.

An der ältesten deutschen Akademie der Wissenschaften, der Leopoldina in Halle, steht ein Wechsel an der Spitze bevor. Am Donnerstag wird ihr seit 1990 amtierender Präsident, Benno Parthier, die Amtskette an den Mediziner Volker ter Meulen übergeben. Das ist ein tiefer Einschnitt, wenn man in Ost-West-Kategorien denkt. Denn erstmals seit 1878, seitdem die Leopoldina ihren Sitz in Halle hat, wird die Akademie von einem Präsidenten geleitet, der nicht der Universität Halle-Wittenberg angehört.

Der international bekannte Virologe ter Meulen ist weitgehend in den Vereinigten Staaten ausgebildet worden, hat in Philadelphia und Berkeley geforscht und für seine Arbeiten hohe Auszeichnungen erhalten. Außerdem wirkte er in der Expertenkommission mit, die im vergangenen Jahr ein Gutachten zur Zukunft der Hochschulmedizin in Berlin vorgelegt hat. Von einem Generationswechsel kann man bei dieser Übergabe allerdings nicht sprechen, denn Parthier ist 1932 geboren und ter Meulen 1933. Aber ter Meulen hatte, weil er in der westlichen Welt aufgewachsen ist, ganz andere Chancen für eine Forschungstätigkeit auf internationalem Niveau als Benno Parthier in der DDR, der lediglich ein Jahr als Stipendiat an der Universität Stockholm genehmigt bekam.

Dennoch hat Parthier in der DDR Karriere gemacht. 1975 wurde der Professor für Molekularbiologie an die Akademie der Wissenschaften berufen, die besonders seine Arbeiten zur Biosynthese von Nukleinsäuren und Proteinen in Pflanzen hervorhob. Parthier war bereits in den letzten Jahren der DDR Vizepräsident der Leopoldina geworden und seit 1990 ihr Präsident.

Anders als bei der Akademie der Wissenschaften der DDR, die wegen der Staatsnähe ihrer Mitglieder auf Regimetreue gegenüber der SED gesetzt hatte, verstand es die Leopoldina, sich von solchen ideologischen Einflüssen auf Grund ihrer internationalen Ausrichtung weitgehend frei zu halten. So gehörte selbstverständlich die SED-Prominenz mit Erich Honecker, Willi Stoph, Günter Mittag und Kurt Hager zu den Trägern der Ehrenspange der Akademie. Über den Geist der Leopoldina dagegen gibt es einen Stasi-Bericht, in dem es heißt, dass sie sich als eine freie Gelehrtenvereinigung verstehe.

Weiter wurde kritisch angemerkt: Es gibt, soweit zurzeit überschaubar, kein Dokument, in dem sich die Leopoldina als wissenschaftliche Einrichtung der DDR mit Aufgaben für den sozialistischen Aufbau bezeichnet. Hinzu kommt, dass die geringe Zahl von Genossen unter den Mitgliedern eine Änderung der Aufgaben und Tätigkeit der Leopoldina kaum möglich machte. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Nichtmitgliedschaft in der SED eine Vorbedingung für die Aufnahme ist. Dies war weitgehend das Verdienst der beiden Akademiepräsidenten Kurt Mothes (1954–1974) und Heinz Bethge (1974–1990) und letztlich auch von Parthier.

Da die Akademie der Naturforscher keine SED-Bindungen hatte, musste sie nach der Wiedervereinigung nicht neu konstituiert werden. Anders dagegen war das Schicksal der Akademie der Wissenschaften der DDR, die bei der Neukonstituierung als Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften im Jahr 1992 einen weitgehenden Personalaustausch bei den Mitgliedern der Gelehrtengesellschaft vorgenommen hat.

Insofern ist auch der Stolz der Leopoldina zu verstehen, die 1652 in Schweinfurth gegründet worden war, also noch vor der britischen Royal Society (1660) und der Kurfürstlichen Societät von 1700, deren Konzept auf Gottfried Wilhelm Leibniz zurückgeht und die später zur Preußischen Akademie der Wissenschaften, danach zur Deutschen Akademie und DDR-Akademie mit Sitz in Berlin wurde.

Was nach der Wiedervereinigung geschah, artete zu Prestigekämpfen aus. Als sich die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften unter den Präsidenten Hubert Markl und später Dieter Simon anschickte, den Anspruch auf eine Deutsche Akademie der Wissenschaften zu erheben, war die Leopoldina nicht bereit, bei einem möglichen Zusammengehen mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie den Namen Leopoldina nur noch zu einem Anhängsel machen zu lassen. Vielmehr erhob die Leopoldina selbst den Anspruch, Ansprechpartner für die großen nationalen Akademien des Auslandes zu werden.

Die Kooperation zwischen der Berlin-Brandenburgischen Akademie und der Leopoldina hat bisher nur zur Gründung einer gemeinsamen jungen Akademie für die Nachwuchswissenschaftler geführt. Ob unter der Präsidentschaft von Volker ter Meulen neue Initiativen in Richtung auf eine nationale Akademie ergriffen werden, ist offen. Immerhin verbindet die Berlin-Brandenburgische Akademie mit den Naturforschern ein Grundsatz: Auch ihre ordentlichen Mitglieder kommen aus ganz Deutschland, Europa und in der Naturwissenschaft sogar aus aller Welt.

Uwe Schlicht

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