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Zuckerstangen sind vor allem zu Weihnachten beliebt.

© Unsplash/Karolina Grabowska

Forderung nach Zuckersteuer: Süß ist ungesund – außer zu Weihnachten

Wer denkt während der Feiertage mit all ihren Leckereien an die Gesundheit? Die Politik! Doch auch wenn der Ansatz richtig ist, der Zeitpunkt ist es nicht.

Ingo Bach
Ein Kommentar von Ingo Bach

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Ausgerechnet jetzt kommen sie damit um die Ecke, werden viele denken. Kurz vor Weihnachten schlägt der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, eine Zuckersteuer vor. Und der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach stimmt natürlich zu.

Und ja, es stimmt: Reiner Zucker ist nicht gesund. Wer ständig zu viel davon zu sich nimmt, trägt ein höheres Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Nierenerkrankungen … Weniger ist also gut. Und noch besser ist es, wenn man schon früh im Leben damit beginnt, den Zuckerkonsum zu reduzieren. Studien zeigen, dass der regelmäßige Verzehr von Lebensmitteln mit hohem Fett- und Zuckergehalt die Schaltkreise im Gehirn verändert. Das Gehirn erlernt die Vorliebe für Süßes.

Süßstoffe sind oft kein befriedigender Ersatz

Doch wohl die wenigsten werden vor Weihnachten darüber nachdenken wollen, was Zuckerstangen mit dem eigenen Gehirn und dem von Angehörigen anstellen. Gerade jetzt, wo die Kraftanstrengung für einen Zuckerverzicht am größten wäre. Überall hängt der Duft der Weihnachtsbäckereien in der Luft.

Die Regale im Supermarkt sind voll mit Lebkuchen, Schokoweihnachtsmännern und all den anderen Verlockungen, die einen daran hindern, erfolgreich auf die süßen Kristalle, Sirups und Puder zu verzichten. Und Süßstoffe sind nur ein unbefriedigender Ersatz. Viele von ihnen haben keinen guten Geschmack, zudem können auch sie gesundheitliche Probleme verursachen.

Der Zeitpunkt für den Antizuckervorstoß ist also auf den ersten Blick ungünstig gewählt, auch wenn der Ansatz, Zucker teurer zu machen, richtig ist. Zum einen, weil damit der Industrie, die Zucker oft als billige Zutat für das Mundgefühl und die Konservierung in den Lebensmitteln versteckt, etwas Motivation dafür genommen wird. Und zum anderen, um damit die Verbraucher abzuhalten, zu oft zu gesüßten Lebensmitteln und Getränken zu greifen.

In den entwickelten Industriestaaten, so auch in Deutschland, wird im Übermaß Zucker konsumiert. Mehr als 90 Gramm pro Tag und Person sind deutlich zu viel. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt gerade mal 25 Gramm. Das halten selbst Experten für sehr ambitioniert und empfehlen stattdessen, eher um die 50 Gramm am Tag zu sich zu nehmen, was immer noch fast eine Halbierung wäre.

Und ja, die Abwehrstrategie der Zuckerindustrie gegen die Kritik, dass nicht der Zucker das Problem sei, sondern die Menge der täglich aufgenommenen Kalorien, ist fadenscheinig. Denn Zucker, das ist ja das Problem, hat eine hohe Energiedichte und ist in unserer überversorgten Welt daher eine der Ursachen für Übergewicht und dessen ungesunde Folgen.

Aber Zucker macht auch glücklich. So hat uns die Evolution nun mal geschaffen, dass die süßen Geschmäcker uns am meisten zusagen, einfach deshalb, weil sie uns am besten mit Energie versorgen – und weil die Natur den Urmenschen so signalisierte, dass das Futter nicht giftig ist.

Und da zu Weihnachten das Bedürfnis nach Süßem und dem daraus folgenden Glück so groß ist, wäre es wohl zu viel verlangt, jetzt auf Plätzchen zu verzichten, auf die Dominosteine oder die Schokoweihnachtsmänner. Man sollte sich den Genuss nicht verderben lassen.

Doch nur etwas später wird dieses wohlige Gefühl oft umschlagen. In wenigen Tagen werden viele Menschen keine Süßigkeiten mehr sehen oder schmecken können angesichts der Berge von Süßkram, die schon verputzt wurden und noch zu verzehren sind. Viele werden eine Süßpause einlegen wollen.

Der Körper folgt beim Geschmack der Psyche

Und da kommt die Psychologie ins Spiel, die sich nutzen ließe: Hat man erst einmal ein paar Tage auf Zucker verzichtet, fängt der Stolz darauf an, dass man schon so lange durchgehalten hat. Da kann man doch auch noch ein wenig weitermachen. Und wenn es teurer ist, überlegt man es sich am Regal vielleicht zweimal, wie viele Päckchen man wirklich benötigt.

Schließlich folgt der Körper der Psyche: die Geschmacksknospen beginnen, sich umzuorientieren. Aus lecker wird plötzlich „zu süß“. Ein Esslöffel weniger Zucker im Kuchen würde reichen und der Frühstücksjoghurt ist nur mit den hineingeschnibbelten frischen Früchten schon süß genug.

Weihnachten hat für diesen Zweck übrigens noch einen Vorteil: Es liegt kurz vor dem Jahreswechsel, der Zeit mit den guten Vorsätzen. Dann braucht es möglicherweise gar keine Steuer, sondern nur einen guten, aber umsetzbaren Vorsatz. Also genießen Sie die süßen Leckereien zu Weihnachten und überlegen Sie, ob Sie den Zuckerrausch im kommenden Jahr ein wenig reduzieren wollen. Schon damit ist viel gewonnen.

Zuckerverzicht will also langsam angegangen werden, aber dafür nachhaltig. Dann ist auch der Effekt für die Gesundheit am größten. Denn der Stoff wirkt langfristig negativ auf die Gesundheit. Um einen nicht ganz originellen Spruch abzuwandeln: Man wird nicht zwischen Weihnachten und Neujahr zuckerkrank, sondern zwischen Neujahr und Weihnachten, wenn das jahrelang so geht. Und das ist doch ein Nachdenken wert.

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