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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Wenn Kinder stottern: Die Therapie sollte am besten vor dem 6. Lebensjahr beginnen

Viele Menschen stottern als Kind, wenige als Erwachsene. Doch einen Test, der das vorhersagt, gibt es noch nicht. Eine neue Kolumne „Im weißen Kittel“

Magnus Heier
Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Stand:

Etwa jedes zwanzigste Kind stottert im Kindergartenalter. Meist beginnt der holprige Redefluss vor dem sechsten Lebensjahr. Die Kinder sind irritiert, die Eltern beunruhigt. Beruhigend ist aber, dass vier von fünf der betroffenen Kinder von ganz allein wieder aufhören. Es „wächst sich aus“, wie man sagt. Spätestens in der Pubertät ist die Sprache für die meisten wieder im Fluss.

Aber eben nicht bei allen. Es wäre deshalb überaus hilfreich, wenn ein Test die weitere Entwicklung der betroffenen Kinder voraussagen würde, wenn man wüsste, wer ohne Hilfe später stolperfrei sprechen wird – um ihnen so die Mühe einer möglicherweise unnötigen Sprachtherapie zu ersparen.

Beginnt die Behandlung vor dem sechsten Lebensjahr, werden bis zu 90 Prozent geheilt.

Bis es soweit ist, sollten alle stotternden Kinder behandelt werden, je früher, desto wirksamer. Beginnt die Behandlung vor dem sechsten Lebensjahr oder früher, werden bis zu 90 Prozent geheilt. Beginnt sie nach der Pubertät, sind die Chancen dagegen sehr klein. Und: Je besser die Therapie, desto besser das Ergebnis. 

Eine unspezifische logopädische Behandlung bringt wenig bis nichts. Es gibt aber spezielle Therapien gegen das Stottern, in denen etwa Rhythmus und Stimmansatz trainiert werden.

Stotterer begegnen noch immer einem unsinnigen Vorurteil: Das Stottern habe mit der Psyche zu tun, heißt es. Der Stotterer müsse sich nur zusammenreißen. Oder auch: Die Eltern seien schuld. Falsch. Stottern ist, das ist längst bekannt, eine Störung der Verschaltung des Gehirns. Es hat eine messbare organische Ursache, die wiederum zum Teil auf den Genen liegt. Das heißt aber auch: Niemand ist schuld. Und es heißt auch: Eine Psychotherapie ist keine geeignete Behandlung.

Eine schwer erträgliche Unsitte sind viele der gut gemeinten Ratschläge. Es ist einigermaßen absurd anzunehmen, dass ein langjähriger Stotterer den Tipp „Du musst einfach langsam sprechen!“ noch nie ausprobiert hat. Oder dass es ihm oder ihr helfen würde, den Satz stellvertretend zu beenden. Im Gegenteil: Der Ärger über die Besserwisser verstärkt das Problem eher. Es gelten auch gegenüber Stotternden die einfachsten Umgangsformen: Jeder hat das Recht, auszureden!

Die Kolumne erscheint immer mittwochs. Alle bisher erschienen Folgen finden Sie auf der Kolumnenseite des Tagesspiegel.

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