Gesundheit: Wissenschafts-Akademien: Nationaler Forschungsrat soll künftig Politiker beraten
Die Nationale Akademie der Wissenschaften ist tot, es lebe der Nationale Forschungsrat nach amerikanischem Vorbild. So könnte man die Diskussionen auf der Tagung der Akademien der Wissenschaften zusammenfassen, die am Montag und Dienstag in München stattfand.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften ist tot, es lebe der Nationale Forschungsrat nach amerikanischem Vorbild. So könnte man die Diskussionen auf der Tagung der Akademien der Wissenschaften zusammenfassen, die am Montag und Dienstag in München stattfand. Bereits zum Auftakt der Konferenz hatte der bayerische Wissenschaftsminister Hans Zehetmair einer nationalen Akademie eine Absage erteilt - mit dem Argument, der Bund solle sich nicht Rechte anmaßen, die ihm nicht zustünden. Mit einer nationalen Akademie würde der Bund die Länderakademien schwächen, "und das wollen wir Bayern nicht."
Die Idee einer Nationalen Akademie der Wissenschaften war in den Jahren von 1992 bis 1998 von der Bundesregierung propagiert worden. Bundeskanzler Helmut Kohl hatte diese Forderung sogar in die Regierungserklärung aufgenommen, weil die Bundesregierung einen Beratungsbedarf vor allem über die Technikfolgenabschätzung und die Risiken der Wissenschaft hat. Die Umfrage, die der Wissenschaftsrat unter den Ministerpräsidenten der Länder als auch bei der neuen Bundesregierung in der Zwischenzeit vorgenommen hat, haben jedoch ergeben, dass heute niemand mehr eine Nationale Akademie der Wissenschaften ins Leben rufen will.
Dennoch besteht nach wie vor ein großer Beratungsbedarf bei den Politikern und außerdem die Notwendigkeit, die deutsche Wissenschaft angemessen im Ausland zu repräsentieren. Andere Länder wie die USA, Russland und Frankreich haben die internationale Repräsentanz ihrer Wissenschaft Akademien anvertraut. Die deutsche Lösung, die bestehenden Länderakademien lieber in einer Union der Akademien zusammenzuführen, reicht dem Ausland nicht. Dort nimmt man die Union als Ansprechpartner offensichtlich nicht zur Kenntnis.
Vor diesem Hintergrund schlugen der ehemalige Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Winfried Schulze, und der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, Wolfgang Frühwald, vor, sich am amerikanischen Vorbild des "National Research Council" zu orientieren. Dieser Forschungsrat wurde im Ersten Weltkrieg gegründet und führt die Aktivitäten der drei großen Wissenschafts-Akademien der USA zusammen. Jährlich arbeitet der Research Council im Auftrag der amerikanischen Regierung vierhundert Gutachten aus. Die Zeit für ein Gutachten ist auf ein Jahr begrenzt - das entspricht dem aktuellen Handlungsbedürfnis der Politiker, aber auch den Ansprüchen der Wissenschaftler nach der gründlichen Erörterung umfassender Fragen. Schulze erklärte unumwunden, dass die bestehenden sieben Länderakademien in Deutschland eine solche Beratungstätigkeit nicht übernehmen könnten, weil ihr Potenzial zu begrenzt ist und nicht im genügenden Umfang die Universitäten und die großen Wissenschaftsorganisationen, wie die Max-Planck- oder Fraunhofer Gesellschaft, einbezieht. Deswegen könne man in einer künftigen Agentur oder einem Forschungsrat Wissenschaft umfassender einbinden und auch Vertreter aus der Wirtschaft heranziehen.
Frühwald trat allen skeptischen Einwänden gegen eine solche Neuorientierung mit dem Argument entgegen: "Die Politik will beraten werden." Aber die Akademien könnten diesen Rat auch deswegen nicht geben, da sie nur als interne Einrichtungen der Wissenschaft angesehen würden. Ein Forschungsrat müsse deshalb unmittelbar bei den politischen Entscheidungsträgern angebunden werden - ob beim Bundespräsidenten oder beim Bundeskanzler, ließ Frühwald offen. Nur bei einer solchen Anbindung könnten Gutachten und Vorschläge aus der Wissenschaft unmittelbar in politische Entscheidungsprozesse einfließen.
Uwe Schlicht\", \"München