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Ein Frühchen wird im Brutkasten mit gespendeter Muttermilch versorgt (Symbolbild).

© Getty Images/Digital Vision

Wohlgenährt aus einer fremden Mutterbrust: Wo man Muttermilch spenden kann

Frauenmilchbanken gibt es seit mehr als 100 Jahren. Als letztes aller Bundesländer hat nun auch Rheinland-Pfalz eine Sammelstelle eingerichtet.

Von Nina Schmedding

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Es gibt Frauen, die haben sie im Überfluss. Andere dagegen verzweifeln beinahe und kämpfen nach der Geburt um jeden Tropfen Muttermilch für ihr Neugeborenes – ein Problem, das bereits Mütter vor mehr als 100 Jahren kannten. Reichlicher Milchüberschuss während ihrer eigenen Stillzeiten brachte die Magdeburger Kinderärztin Marie-Elise Kayser damals auf die Idee, Muttermilch zu sammeln und zu konservieren. 1919 richtete sie im Krankenhaus in der Magdeburger Altstadt die erste Frauenmilch-Sammelstelle Deutschlands ein; andere Städte folgten.

Muttermilch stärkt das Immunsystem fulminant besser als künstlich hergestellte Milch.

David Szekessy, Neonatologe

Bis in die 1970er Jahre war die Entwicklung der Milchsammelstellen in beiden deutschen Staaten ähnlich. Erst als in der Bundesrepublik künstliche Säuglingsnahrung auf den Markt kam, änderte sich das. Die Frauenmilchbanken im Westen wurden geschlossen. Anders in der DDR: „Dort gab es in jedem Ort, der mehr als 50.000 Einwohner hatte, bis zur Wende eine Milchsammelstelle“, sagt Eva Brinkschulte, emeritierte Professorin am Institut für Geschichte, Ethik und Theorie der Medizin an der Universität Magdeburg.

Muttermilch schützt die Kleinsten vor Krankheiten

Aktuell erleben die Sammelstellen eine Renaissance. Bundesweit gibt es insgesamt 50 Milchbanken, in einigen Bundesländern gleich mehrere. Rheinland-Pfalz ist nach Angaben der Initiative Frauenmilchbank das letzte aller Bundesländer, das jetzt diesen Service eingerichtet hat. Seit August gibt es ihn an der Mainzer Uniklinik.

„Besonders wichtig ist Muttermilch für die Gesundheit von sehr früh geborenen Kindern“, sagt der Neonatologe David Szekessy. Er ist ärztlicher Leiter der Frauenmilchbank des Klinikums Westbrandenburg in Potsdam. Muttermilch beuge etwa entzündlichen Darmerkrankungen vor und stärke das Immunsystem – und zwar „fulminant besser als künstlich hergestellte Milch“, so Szekessy, der Mitbegründer der Initiative Frauenmilchbanken ist.

In den meisten Fällen werde die Milch benötigt, um eine Lücke zu schließen: Bis frischgebackene Mütter Milch produzierten, dauere es einige Tage. Die Vormilch, das sogenannte Kolostrum, sei für sehr viel zu früh geborene Kinder nicht ausreichend.

Mütter von Mehrlingsgeburten profitieren

30 bis 50 Säuglinge mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm kommen pro Jahr an dem Klinikum in Potsdam in den Genuss von Spendermilch. Auch die ansteigende Geburtenzahl von Mehrlingen mache es oft nötig, eine Milchbank in Anspruch zu nehmen: Denn die Milch der eigenen Mutter reicht nicht immer für zwei Säuglinge. Sind genügend Vorräte vorhanden, wird Spendermilch aus Potsdam auch an andere Kliniken mit Bedarf abgegeben.

200
Perinatalzentren, in denen auch Frühgeborene versorgt werden, gibt es in Deutschland. Die meisten der Zentren können bislang nicht auf Muttermilchbanken zurückgreifen.

Frauen, die Milch ans Potsdamer Krankenhaus spenden wollen, müssen pro Woche zwischen 800 und 1000 Milliliter Milchüberschuss produzieren, damit sich Aufwand und Nutzen rechnen. Sie erhalten eine Aufwandsentschädigung von 20 Euro pro Liter. „Aber das Geld ist meistens nicht die Motivation der Frauen“, sagt Szekessy. „Sie spenden aus der Überzeugung, das Richtige zu tun.“

Muttermilch übers Internet bestellen? Besser nicht!

Und die Frauen, die ihren Kindern dann die – kostenlose – Milch aus einer fremden Brust geben? „Am Anfang des Beratungsgesprächs sehe ich bei den betroffenen Müttern meist ein Stirnrunzeln“, sagt der Mediziner. Dies lege sich aber in nahezu allen Fällen im Laufe der Beratung. Meistens sei es „einfach eine Kopfsache“.

Dabei sind die Sorgen in der Regel unbegründet. Dass Säuglinge etwa nach der fremden Milch später die Brust der eigenen Mutter nicht mehr annehmen würden, habe er „noch nie erlebt“, so der Experte.

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Auch die Angst vor Infektionskrankheiten wie HIV, die durch die Milch übertragen werden könnten, könne er den Frauen nehmen: Spenderinnen würden ebenso wie die Milch genau untersucht, außerdem werde die Milch an der Potsdamer Frauenmilchbank stets pasteurisiert.

Muttermilch alternativ im Internet zu bestellen – davor warnen Brinkschulte und Szekessy gleichermaßen. Diese werde „oft gepanscht“, wodurch die Qualität leide. Außerdem sei nicht gewährleistet, dass die Milch frei von Keimen sei, sodass Krankheitserreger übertragen werden könnten. (KNA)

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