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Das sogenannte homöostatische System soll dafür sorgen, dass Hunger und Sättigung im Gleichgewicht bleiben.

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Wohlgenährt: Das geschieht im Gehirn, wenn der große Hunger kommt

Die Nahrungsaufnahme ist überlebenswichtig. Deshalb hat die Evolution Vorsorge getroffen, dass wir nicht vergessen zu essen.

Eine Kolumne von Hauke Hohensee

Der Magen knurrt, Körper und Geist sind müde und das Wasser läuft einem im Munde zusammen, wenn man bloß an Essen denkt: Hunger ist ein ausgesprochen vereinnahmendes Gefühl. Und jeder und jede kennt es. Manche werden geradezu „hangry“, wie man neudeutsch sagt – sie bekommen durch den Hunger also richtig schlechte Laune. Das ist das, was an der Oberfläche geschieht. Doch welche Prozesse spielen sich eigentlich im Inneren unseres Körpers ab, wenn wir Hunger haben?

„Hunger wird zentral vom Gehirn reguliert“, sagt Mathias Fasshauer, Professor für Ernährung des Menschen an der Universität Gießen. Fachleute sprechen vom sogenannten homöostatischen System. Das soll dafür sorgen, dass Hunger und Sättigung im Gleichgewicht bleiben. „Dieses System ist geprägt von ziemlich komplexen Mechanismen, an denen eine Vielzahl von Botenstoffen beteiligt ist. Vereinfacht gesagt basiert es auf dem Grundsatz: Essen, um zu überleben“, sagt Fasshauer. Zwei der wichtigsten Botenstoffe heißen Leptin und Ghrelin.

Ghrelin ist ein Hormon, das im Magen-Darm-Trakt produziert wird, vor allem wenn dieser leer ist. Über die Blutbahn gelangt es ins Gehirn. „Im Hypothalamus, einem uralten Bereich unseres Gehirns, bindet es an bestimmte Rezeptoren, die dem Körper daraufhin signalisieren: Ich brauche Essen“, sagt Fasshauer. Gleichzeitig sorgen Ghrelin und andere hungerfördernde Hormone dafür, dass die körperliche Aktivität heruntergefahren wird, um sicherzustellen, dass keine Energie verschwendet wird.

Ernährungsmediziner Mathias Fasshauer
Ernährungsmediziner Mathias Fasshauer

© Rolf K. Wegst

Leptin ist ebenfalls ein Hormon und so etwas wie der Gegenspieler des Ghrelin. Anders als Ghrelin wird es jedoch im Fettgewebe produziert und signalisiert dem Körper nach einer Mahlzeit, dass genug Energie angekommen und der Hunger gestillt ist.

Dieses System kann jedoch aus dem Gleichgewicht geraten, zum Beispiel wenn besonders viel Fettgewebe vorhanden ist. „Eigentlich müsste man ja davon ausgehen, dass viel Fettgewebe und entsprechend viel Leptin den Hunger auf Dauer herunterfahren. Es gibt jedoch in der Wissenschaft sehr gute Evidenz dafür, dass das viele Leptin bei Adipositas nicht mehr richtig wirkt, es entwickelt sich eine Art Resistenz. Welche Mechanismen genau dahinterstecken, ist allerdings noch unklar.“

Vom normalen Hunger-System zu unterscheiden ist übrigens das unbändige Verlangen nach süßem, salzigem oder fettigem Essen, auch Heißhunger oder Englisch „craving“ genannt. Dabei wirken andere Mechanismen. „Diese Art des Essens wird auch als hedonisches Essen bezeichnet“, sagt Fasshauer.

„Dabei geht es letztlich nicht darum, den Körper mit Energie und Nährstoffen am Leben zu halten, sondern vor allem um Vergnügen und Zufriedenheit.“ Heißt: Riechen oder schmecken wir unser Lieblingsessen, regt das diejenigen Zentren im Gehirn an, die für die Produktion von Glückshormonen wie Serotonin und Dopamin verantwortlich sind. Das lässt uns auch essen, wenn wir eigentlich längst satt sind. 

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