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Gesundheit: „Yoga hat allen etwas zu bieten“

Übungen bekämpfen Stress und Rückenschmerzen – und helfen, mit Krankheiten umzugehen

Was bedeutet Yoga?

Martin Soder: Es ist eine Methode, die Möglichkeiten zur Lebensverbesserung auf den Ebenen Gesundheit, Psyche und Kommunikation beinhaltet. Dafür gibt es ein Angebot von Körper, Atem- und Meditationsübungen. Yoga, das bedeutet aber auch eine Vorstellung darüber, wie wir als Menschen „funktionieren“, warum wir uns unglücklich fühlen und in Stress geraten, warum wir unsere schlechten Angewohnheiten nicht los werden, und wie wir das ändern können. Da gibt es nun viele verschiedene Strömungen, die es auch im Ursprungsland Indien immer gegeben hat. Yoga ist nicht mit Hinduismus gleichzusetzen und hat mit der Silbe „OM“ nichts zu tun. Der klassische Yoga ist frei von der Vorstellung, man müsse glauben, um die Übungen machen zu können. Diese weltanschauliche Offenheit ist hierzulande sehr willkommen.

Was erhoffen sich die Menschen, die bei Ihnen Yoga praktizieren?

Imogen Dalmann: Viele kommen mit körperlichen Problemen oder wollen leistungsfähiger werden, andere wollen lernen, mit Stress besser umzugehen. Oder sie kommen in Lebenskrisen, wenn sie neue Wege suchen. Nicht jeder will in einer solchen Situation eine Psychotherapie machen. Viele Atem- und Konzentrationstechniken sind hier gut geeignet. Es ist wichtig, dass man auch als Kranker nicht nur Opfer ist, sondern sich aktiv an der Behandlung beteiligen kann.

Gegen welche Leiden wirkt Yoga?

Imogen Dalmann: Es hilft allgemein, Ressourcen zu entwickeln und sich nicht hilflos zu fühlen, es wirkt zum Beispiel gegen Stress und bei Rückenschmerzen. Yoga kann aber auch für Krebskranke eine Unterstützung bedeuten, Nebenwirkungen von Behandlungen lindern und helfen, mit einer chronischen Krankheit besser zurecht zu kommen. Aber es ist wichtig, die Beschwerden zuvor medizinisch abzuklären, darauf sollte jeder Yogalehrer achten.

Wie nutzen Sie Yoga als Ärzte?

Imogen Dalmann: Für uns ist es keine „Alternative“ zu sinnvollen „schulmedizinischen“ Maßnahmen, sondern eine komplementäre, ergänzende Behandlungsform, die eine zusätzliche, in die Tiefe gehende Ausbildung erfordert. Yoga ist zeitaufwendig, und nur wenige Ärzte nutzen es. Wir haben gelernt, dass wir die Übungen zu therapeutischen Zwecken sehr individuell zusammenstellen müssen: Es gibt kein Set von Übungen, das für alle taugt.

Nehmen wir zum Beispiel Rückenprobleme.

Martin Soder: Es gibt natürlich das Grundprinzip, das Orthopäden, Physiotherapeuten und Fitnesstrainer mit uns teilen: Ein kranker Rücken muss gestärkt werden. Für uns ist aber auch wichtig, welche Übungen sich eignen, um von dieser individuellen Person in ihrem Alltag regelmäßig, achtsam, mit Spaß und möglichst ohne Schmerzen wiederholt zu werden. Dafür müssen sie in den Alltag eingepasst werden. Je individueller das Programm ist, umso besser. Die Selbstbeteiligung ist ganz wichtig. Die Erfahrung zeigt, dass sehr viele Übungen, wie der Yoga sie anbietet, also Körperbewegungen, Atem, Achtsamkeit, etwas sind, das Menschen sehr viel einfacher für sich selbst nutzen können als mechanische, wiederholte Übungen, wie wir sie etwa aus der Krankengymnastik kennen. Das Anpassen an die persönlichen Umstände ist ganz, ganz wichtig für die Frage, ob man auch wirklich dabei bleibt.

Muss man der richtige Typ sein, um von Yoga zu profitieren?

Imogen Dalmann: Grundsätzlich hat Yoga allen etwas anzubieten. Man muss dazu nicht absolut topfit sein. Man kann es zwar sportlich betreiben, verschwitzt in aufgeheizten Räumen, es gibt aber auch einfache, sparsame Übungen. Wer eine Krankheit überwunden hat, sucht später oft zusätzlich nach einer anderen Sportart, und das unterstützen wir sehr, denn Yoga kann und will nicht das Joggen ersetzen. Es muss andererseits in den Übungsräumen auch nicht aussehen wie in einem indischen Tempel.

Wie kamen Sie beide als Mediziner ganz persönlich zum Yoga?

Imogen Dalmann: Zunächst aus Neugier, und aus Lust an der Bewegung. Wir hatten dann das große Glück, in Südindien einen Lehrer zu finden, der auch für kritische Köpfe „passte“.

Woran erkennt der Laie angesichts eines unüberschaubaren Angebots die Qualität von Yoga-Lehrern und Kursen?

Martin Soder: Ein Kriterium ist die Ausbildung, für die es jedoch in Deutschland keine festen Standards gibt. Jeder darf sich Yogalehrer oder Yogalehrerin nennen. Deshalb ist es wichtig, sich danach zu erkundigen. Der Berufsverband der Yogalehrenden etwa gibt Richtlinien für eine vierjährige Ausbildung vor. Der zweite wichtige Punkt ist natürlich, ob ich mich dort gut aufgehoben fühle, ob man auf meine besonderen Bedürfnisse eingeht. Dazu gehört auch, dass Fragen erwünscht sind. In der Esoterik-Szene ist das eher nicht so üblich. Da gibt es viele Verfahren, die nicht ausgewiesen sind. Deshalb sollte man schon kritisch gucken.

Imogen Dalmann: Und ehe man einen Vertrag unterschreibt, sollte man sich alles anschauen und das Angebot testen dürfen!

Die Fragen stellte Adelheid Müller-Lissner.

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