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Sicherheitskräfte bewachen das Gerichtsgebäude West Kowloon in Hongkong.

© REUTERS/TYRONE SIU

45 Demokratieaktivisten in Hongkong verurteilt: Das ist keine Gerechtigkeit, das ist Tyrannei

Sie kämpften für die Demokratie in ihrer Stadt – Chinas Führung sieht darin eine „Verschwörung zum Umsturz“. Was kann die Weltgemeinschaft tun? Eine Hongkonger Aktivistin erklärt es.

Ein Gastbeitrag von Chloe Cheung

Stand:

In einem kargen Gerichtssaal in Hongkong wurde am Dienstag mit der Verurteilung von 45 der 47 Aktivisten ein düsterer Meilenstein gesetzt. Die Angeklagten träumten von Demokratie und hofften auf Freiheit für ihre Heimat – das ist das „Verbrechen“, das die als „Hongkong 47“ bezeichneten Oppositionellen begingen.

Den 47 Frauen und Männern wurde auf Grundlage des umstrittenen Nationalen Sicherheitsgesetzes angebliche „Verschwörung zum Umsturz“ vorgeworfen, weil sie 2020 eine friedliche, aber von der Führung abgelehnte demokratische Vorwahl organisiert und daran teilgenommen hatten.

Mehr als 600.000 der über sieben Millionen Einwohner Hongkongs gaben bei dieser Vorwahl ihre Stimme ab, um die Kandidaten zu bestimmen, die bei der Wahl des regionalen Parlaments (Legislativrat) gegen die von der chinesischen Führung unterstützten Bewerber antreten sollten.

Angst vor Protesten: Der Prozess gegen die 47 Demokratieaktivisten wurde unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen geführt.

© REUTERS/TYRONE SIU

Mehr als vier Jahre später sind diese Träume geplatzt: Der Studentenführer Joshua Wong wurde zu vier Jahren und acht Monaten Haft verurteilt, die Journalistin Gwyneth Ho zu sieben Jahren, der Aktivist Owen Chow zu sieben Jahren und fünf Monaten und der Jurist Benny Tai zu zehn Jahren – nur um einige der 47 Betroffenen zu nennen.

Es sind allesamt Strafen, die im Vergleich zur lebenslangen Haft, die sie hätten erhalten können, fast schon milde erscheinen. Aber das ist keine Gerechtigkeit – es ist Tyrannei, die als Milde getarnt ist.

45
Demokratieaktivisten wurden verurteilt.

Ihre Haftstrafen unterstreichen den Zusammenbruch der Unabhängigkeit der Justiz in Hongkong. Und sie senden eine abschreckende Botschaft an alle, die es wagen, die autoritäre Herrschaft infrage zu stellen: Es gibt keinen Raum für Widerspruch, egal wie friedlich oder prinzipientreu er ist.

Für manche mag dennoch die Tatsache, dass die meisten der Angeklagten weniger als zehn Jahre Gefängnis erhalten haben – das Strafmaß wurde im Austausch für ein Schuldbekenntnis reduziert – ein seltsames Gefühl der Erleichterung hervorrufen.

Der Pro-Demokratie-Aktivist Joshua Wong im Jahr 2019 vor dem Gebäude des Legislativrats in Hongkong. Am Mittwoch wurde er zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt.

© dpa/Kin Cheung

Aber Erleichterung ist nicht Gerechtigkeit. Keiner der „Hongkong 47“ und keiner der etwa 1.900 politischen Gefangenen, die in Hongkong einmal inhaftiert waren, hätte auch nur einen einzigen Tag hinter Gittern verbringen dürfen.

Wenn politische Gefangene dazu gebracht werden, sich für schwächere Haftstrafen dankbar zeigen – in Fällen, in denen kein Verbrechen begangen wurde – dann normalisieren wir den Autoritarismus. Wir senken unsere kollektiven Standards dafür, wie Gerechtigkeit aussehen sollte. Das ist die Farce dessen, was hier passiert ist: Es hätte überhaupt nicht passieren dürfen.

Zahlreiche Hongkonger kamen am Dienstag aus Solidarität mit den Angeklagten zum Gerichtsgebäude: Auf dem Foto wird eine Frau von der Polizei festgenommen.

© AFP/PETER PARKS

Nur einen Tag vor der Verurteilung der „Hongkong 47“ traf sich der britische Premierminister Keir Starmer mit dem chinesischen Partei- und Staatschef Xi Jinping. Der Zeitpunkt, ob beabsichtigt oder nicht, lässt Zweifel am britischen Engagement für die Wahrung der Menschenrechte in der Region aufkommen.

Stille Beobachter: Internationale Diplomaten und EU-Repräsentanten warten vor dem Gericht.

© AFP/PETER PARKS

Das britische Außenministerium gab eine Erklärung ab, in der es versicherte, dass „das Vereinigte Königreich immer für die Menschen in Hongkong eintreten wird“. Vielen Dank dafür! Aber bei allem Respekt: Es muss noch viel mehr getan werden.

Es ist an der Zeit, wirklich Maßnahmen zu ergreifen – angefangen mit der Aufhebung der diplomatischen Privilegien und Immunitäten der „Wirtschafts- und Handelsbüros Hongkong“. Das sind Institutionen, die ursprünglich eingerichtet wurden, um die Autonomie der Stadt zu demonstrieren – eine Autonomie, die es nicht mehr gibt.

Wir müssen auch Sanktionen gegen die Beamten in Hongkong verhängen, die sich an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen. In der Zwischenzeit müssen sich die Staats- und Regierungschefs der Welt gemeinsam dafür einsetzen, dass sie Zugang zu politischen Gefangenen erhalten, darunter der Zeitungsverleger Jimmy Lai, der britischer Staatsbürger ist, Gordon Ng, ein australischer Staatsbürger, und Joseph John, ein portugiesischer Staatsbürger.

Die internationale Gemeinschaft darf nicht tatenlos zusehen, wie Hongkong von Unterdrückung überrollt wird. Wir müssen Peking zur Rechenschaft ziehen und dürfen nicht zulassen, dass der Kampf Hongkongs für die Freiheit zu einer Fußnote der Geschichte wird.

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