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Der ehemalige US-Präsident Donald Trump erscheint zu einer Anklageverlesung vor Gericht.

© REUTERS/JANE ROSENBERG

Anklage gegen Donald Trump: Wortlos in New York City

Die Anklageverlesung gegen Donald Trump wird zum erwarteten Medienspektakel. Der Ex-Präsident verlässt New York jedoch schweigend.

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Wenn dieser Auftritt ein Zeichen sein soll, dann ist das Signal eindeutig: Donald Trump hat ein Mobilisierungsproblem. Zu der auf 10.30 Uhr vorverlegten Protestkundgebung der New Yorker Jungrepublikaner auf dem Collect Pond Parc vor dem New York City Criminal Court sind vielleicht 100 Demonstranten gekommen.

Sie sind in der Unterzahl, die Medien stellen an diesem Dienstag mit Abstand die größte Zahl der Anwesenden. Dazu kommen Gegendemonstranten und eine große Anzahl von Polizisten.

Als der Stargast der Demo, die rechte Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, zu sprechen beginnt, ist nichts zu verstehen – zu sehen ist sie auch kaum. Sie hat zwar ein schwarzes Megafon in der Hand, das aber offensichtlich nicht wirklich als Verstärker taugt. Nach wenigen Minuten verschwindet ihr blonder Schopf wieder in der Menge.

Andere Trump-Anhänger geben dafür ein Interview nach dem anderen. Da sind die „Blacks for Trump”, die extra aus Miami angereist sind und den Ex-Präsidenten in glühenden Worten verteidigen.

Oder die Highschool-Lehrerin Gina Witcher und ihr 14-jähriger Sohn Chase, beide mit roter „Make America Great Again”-Kappe auf dem Kopf. Sie sind aus der Nähe von Baltimore im Bundesstaat Maryland die rund vier Stunden nach New York gefahren, um ihre Solidarität zu demonstrieren.

Für sie steht fest: Donald Trump ist unschuldig, wird von der Demokraten-hörigen Justiz verfolgt – „und er wird die nächste Präsidentschaftswahl gewinnen”.

Aber so viele Kameras, Aufnahmegeräte und Blöcke sich den treuen Trump-Fans entgegenstrecken: Sie sind deutlich weniger, als Donald Trump es sich erhofft haben wird, als er vor zwei Wochen zu Protesten gegen seine angeblich unmittelbar bevorstehende Verhaftung aufrief.

Vieles ist so, wie Trump es liebt

Auf der anderen Seite ist vieles so, wie er es liebt. Schon am Montag, als der 76-Jährige aus Florida eintrifft, ist die Medienpräsenz in Manhattan gigantisch.

Vor dem Trump Tower, wo er immer noch ein dreistöckiges Penthouse auf der 66. Etage besitzt, kämpfen Hunderte Journalisten um den besten Platz.

Schon am Tag vor dem Gerichtstermin ist das Medieninteresse groß.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com/Sonia Moskowitz Gordon

Ähnlich viele Schaulustige werden von Polizisten weiter gescheucht, geben die Hoffnung aber trotzdem nicht auf, einen Blick auf den angekündigten Promi zu erhaschen. Absperrgitter lenken die Aufmerksamkeit auf den Haupteingang des glitzernden Wolkenkratzers an der New Yorker Prachtstraße Fifth Avenue. Darüber kreisen am strahlend-blauen Himmel mehrere Helikopter.

Dass Donald Trumps Rückkehr nach New York eine große Show werden sollte, war früh klar. Hier ist er aufgewachsen, groß und berühmt geworden – erst als Immobilienmakler, dann als Reality-TV-Star, und schließlich als großmäuliger politischer Quereinsteiger, der sich von der goldenen Rolltreppe seines Trump Tower aus anschickte, das Machtzentrum Amerikas nicht nur zu erobern, sondern in seinen Grundfesten zu erschüttern.

Der schrille Immobilienguru aus Manhattan zog mit seiner Familie ins ehrwürdige Weiße Haus – und hielt sich schon bald lieber im konservativen Florida auf als im liberalen New York, wo sich gleich mehrere Staatsanwälte für sein privates und geschäftliches Treiben interessierten.

Der Wechsel seines Wohnsitzes schon ein Jahr nach der Wahl war dann aus seiner Sicht folgerichtig – und von steuerlichem Vorteil. Nun hat ihn seine Vergangenheit ein- und zurück in seine Geburtsstadt geholt.

Am Dienstagnachmittag erschien er dann tatsächlich wie vereinbart vor dem Strafgericht, wo er wegen einer Schweigegeldzahlung an die ehemalige Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016 anklagt wird – ein historischer Vorgang.

Auf dem Weg zum Gericht postet Trump noch etwas in seinem sozialen Netzwerk

Noch nie wurde ein Strafverfahren gegen einen amtierenden oder ehemaligen US-Präsidenten eröffnet. Als er den Trump Tower gegen 13 Uhr verlässt, um zu dem Gericht zu fahren, reckt er die rechte Faust in die Höhe.

Wow, sie werden mich festnehmen. Ich kann nicht glauben, dass das in Amerika passiert.

Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social

Das Bild geht viral. Es soll zeigen: Dem Ex-Präsidenten, der bei der nächsten Wahl zurück ins Weiße Haus will, kann kein Staatsanwalt, kein Richter und keine Grand Jury etwas anhaben.

Noch aus dem Auto auf dem Weg vom Trump Tower zum Gerichtsgebäude schreibt er auf seiner Onlineplattform Truth Social, die Lage sei „surreal“. „Wow, sie werden mich festnehmen. Ich kann nicht glauben, dass das in Amerika passiert.“

Für seine Gegner ist seine Anklage ein Grund zu feiern. Für Trumps Anhänger und den Großteil der Republikanischen Partei ist sie dagegen ein unverzeihlicher Tabubruch. Seit Tagen trudeln die Solidaritätsadressen ein.

Nur: Außer der extremen Republikanerin Greene und dem als Hochstapler entlarvten Neu-Abgeordneten George Santos machte sich kein hochrangiger Republikaner nach New York auf.

Den New Yorkern scheint Trump mittlerweile egal zu sein

Und wie reagiert die Stadt New York? Auf die für Donald Trump schlimmste Art und Weise: Sie ignoriert ihn weitgehend. Vor dem Trump Tower und am Gericht sind kaum normale New Yorker.

Bei Trumps Ankunft am Trump Tower am Montag standen neben den Journalisten vor allem Touristen wie Jared Edelstein. Der Nachwuchsschauspieler ist mit einer Gruppe von Freunden aus Philadelphia angereist – für ein Baseball-Spiel.

„Dass Trump heute eintrifft, haben wir durch Zufall erfahren”, sagte er. Sie fänden es cool, den ehemaligen Präsidenten kurz zu sehen, – so wie sie es cool fänden, würde ein berühmter Tennisspieler hier auftauchen. Demonstranten waren am Montag nur vereinzelt zu sehen.

Etwas mehr sind es am Dienstag vor dem Criminal Court. Als Trump pünktlich um 13.30 Uhr und begleitet vom Secret Service vor dem Gerichtsgebäude vorfährt, um sich von Richter Juan Merchan die Anklage verlesen zu lassen, steigt die Spannung.

Seit Tagen wurde spekuliert: Wird die Öffentlichkeit sein „mugshot” zu sehen bekommen, das Foto, das von ihm als Angeklagtem gemacht wird? Wird er in Handschellen vorgeführt? Kommt es zu Gewaltausbrüchen? Bürgermeister Eric Adams hatte mögliche Aufrührer vorab gewarnt und die Demonstranten aufgefordert, sich unter Kontrolle zu haben.

Trump verschwindet wortlos

Eine Stunde verbringt Trump im Gerichtssaal, dann verlässt er New York wieder – ohne sich ein einziges Mal öffentlich geäußert zu haben. Während er zum Flughafen La Guardia fährt, wird endlich klar, wie genau die Anklage lautet und was sie alles umfasst. Davon hängt ab, was Trump droht, wenn er schuldig gesprochen wird.

Die Anklage umfasst 34 Punkte, der Vorwurf lautet: Fälschung von Geschäftsunterlagen, um zu verhindern, dass schädliche Informationen und rechtswidrige Aktivitäten vor der Präsidentschaftswahl 2016 öffentlich wurden. Trump plädiert wie erwartet auf „nicht schuldig”.

Die nächste Sitzung des Gerichts in der Sache ist für den 4. Dezember anberaumt. Starten soll der Prozess im Januar 2024.

Donald Trump kurz vor der Anklageverlesung.

© REUTERS/Andrew Kelly

Über Trumps Schweigen wurde sofort spekuliert – hat ihn die Anklage doch erschüttert? Die wahrscheinlichste Erklärung ist, dass seine Anwälte ihm die Bedeutung unbedachter Äußerungen klar gemacht haben.

Auch hatte ihn Richter Merchan US-Medienangaben zufolge ermahnt, seine Social-Media-Posts seien unverantwortlich und würden als Bedrohung empfunden.

Trump spricht immer wieder von einer juristischen „Hexenjagd” und hetzt gegen Richter und Staatsanwälte, die gegen ihn ermitteln.

Was passiert in Mar-o-Lago?

Dass Trumps Schweigen lange anhalten würde, war indes schon am Dienstag unwahrscheinlich. Für den Abend hatte er eine Pressekonferenz in Mar-a-Lago angekündigt – die erste eines strafrechtlich angeklagten Ex-Präsidenten in der amerikanischen Geschichte.

Er selbst will sein Narrativ verbreiten. Das ist wichtig für den Wahlkämpfer. Denn auch wenn New York genug von ihm hat: Für Trump hat sich die Anklage schon jetzt zu einem finanziellen Booster entwickelt.

Seiner Kampagne zufolge nahm er sieben Millionen Dollar in den ersten drei Tagen seit Bekanntwerden der Anklage ein. Und die große mediale Aufmerksamkeit drängt seine potenziellen innerparteilichen Konkurrenten erstmal in den Hintergrund.

Das Dilemma ist so alt wie Donald Trumps politische Karriere: Eigentlich würden sich viele Amerikaner gerne abwenden von Trump. Auch Republikaner erklärten in den vergangenen Wochen und Monaten, dass es ein frisches Gesicht, einen weniger vorbelasteten Kandidaten brauche, um Joe Biden eine zweite Amtszeit zu verwehren.

Aber wie so oft beherrscht dieser Tage wieder vor allem Trump die Schlagzeilen.

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