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Migranten und Sicherheitspersonal kommen im Hafen von Shengjin im Nordwesten Albaniens an, nachdem das italienische Marineschiff Libra die erste Gruppe von 16 Migranten, die in internationalen Gewässern aufgegriffen wurden, an Land gebracht hat.

© dpa/Vlasov Sulaj

Asylverfahren im „Meloni-Land“: Erstes italienisches Schiff mit Migranten erreicht Albanien

Im Schnellverfahren und außerhalb der EU will Italien zukünftig in Flüchtlingslagern in Albanien Asylverfahren abwickeln. Andere EU-Länder schauen interessiert zu.

Stand:

Ein erstes Schiff mit von Italien nach Albanien gebrachten Migranten hat den albanischen Hafen Shengjin erreicht. Nach einer 36-stündigen Fahrt traf das Schiff am Mittwochmorgen ein, wie AFP-Reporter berichteten.

An Bord sind 16 Männer aus Bangladesch und Ägypten. Sie werden in einem aus Containern errichteten Aufnahmelager untergebracht, während ihre Asylanträge in Albanien bearbeitet werden.

Damit läuft die von der italienischen Ministerpräsidentin Girogia Meloni und ihrem albanischen Amtskollegen Edi Rama vergangenes Jahr verhandelte Vereinbarung nun offiziell an. Sie sah die Einrichtung der Aufnahmezentren auf albanischem Boden vor, damit Rom dort exterritorial Asylverfahren von Migranten abwickeln kann.

Damit will Meloni Asylverfahren aus Italien auslagern und Abschiebungen vereinfachen. Meloni betonte jedoch auch, dass die Flüchtlingslager zur Abschreckung dienen sollen.

Nur Männer aus sicheren Herkunftsländern betroffen

Italien und Albanien hatten vor einem Jahr die Einrichtung von Italien betriebener Aufnahmelager in Albanien vereinbart. Das Abkommen betrifft männliche Erwachsene aus als sicher eingestuften Herkunftsländern, die von Schiffen der italienischen Marine oder Küstenwache in internationalen Gewässern, aber innerhalb des italienischen Such- und Rettungsgebiets aufgegriffen werden. Davon ausgenommen sind Frauen, Kinder, Kranke sowie Folteropfer.

Die Männer sollen in den Aufnahmezentren bleiben, während ihre Asylanträge bearbeitet werden. Das erste Zentrum liegt in der nordalbanischen Hafenstadt Shengjin, wo die Migranten registriert werden sollen.

In einer zweiten Einrichtung auf einem ehemaligen Militärstützpunkt im rund 20 Kilometer entfernten Gjader sollen die Menschen dann auf ihren Asylentscheid warten. Nur, wenn ein Antrag bewilligt wird, soll die Einreise nach Italien möglich sein.

Lager kosten Italien insgesamt 670 Millionen Euro

Die Eröffnung der beiden Flüchtlingslager auf albanischem Boden war ursprünglich für Mai vorgesehen, verzögerte sich wegen verschiedener technischer Probleme vor Ort und organisatorischer Schwierigkeiten jedoch mehrfach. Am Freitag nahmen sie offiziell ihren Betrieb auf.

Italien verwaltet die Lager und sorgt für die Sicherheit darin. Außerdem trägt Rom dafür alle „direkten und indirekten“ Kosten. Es handelt sich somit um italienische Lager auf albanischem Boden. Zeitungen in Italien spotteten daher über ein „Meloni-Land“. Die beiden Lager kosten Italien über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt etwa 670 Millionen Euro.

Italien ist eines der Länder, die von der Fluchtbewegung aus Afrika nach Europa über das Mittelmeer besonders betroffen sind. Vor allem vergangenes Jahr waren die Zahlen hoch: Fast 160.000 Migranten erreichten 2023 Italiens Küsten auf Booten. Zurzeit kommen zwar weniger als halb so viele Menschen an als vor einem Jahr. Dennoch machen sich noch immer Zehntausende auf oft kaum seetüchtigen Booten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer.

EU-Staaten verfolgen Auslagerung von Asylverfahren aufmerksam

Die Vereinbarung über die Abwicklung von Asylverfahren in Drittstaaten ist eine Premiere, die von anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt wird. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete sie als „interessantes Modell“. Sie kündigte an, die Erfahrungen aus dem Projekt in ihre Überlegungen zur Möglichkeit von solchen Verfahren einzubeziehen. Allerdings ist die Ministerin der Auffassung, dass neben rechtlichen Fragen vor allem relevant ist, ob es einen Staat gibt, der bereit wäre, solche Verfahren auf seinem Gebiet zu dulden. 

Rama erhielt nach eigenen Worten bereits viele Anfragen von anderen EU-Ländern, Asylsuchende in Albanien unterzubringen. Er habe diese aber abgelehnt, für Italien jedoch eine Ausnahme gemacht. Aus Melonis Sicht ein Erfolg. Beim EU-Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs am Donnerstag dürfte die Ministerpräsidentin daher gestärkt auftreten können. Das Thema Migration wird dort voraussichtlich eine wichtige Rolle spielen.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich an dem Projekt interessiert. In einem Bericht vor dem Gipfel regte die deutsche Spitzenpolitikerin an, „mögliche Wege für die Entwicklung von Rückführungszentren außerhalb der EU zu erkunden“. Man könne aus dem Italien-Albanien-Modell praktische Lehren ziehen.

Kritik an Rechtmäßigkeit und Bedingungen für Migranten

Menschenrechtler hingegen kritisieren das Projekt und sprachen von einem „italienischen Guantánamo“. Auch die Rechtmäßigkeit wird infrage gestellt. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs lässt Zweifel an dem Projekt aufkommen.

Demnach kann ein Land nur dann als sicher gelten, wenn es dort unter anderem keine Verfolgung oder Folter gibt. 15 der 22 von Italien als sicher eingestuften Herkunftsländer erfüllen diese Bedingungen jedoch nicht. (dpa, AFP)

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