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Ein Lastwagen in Nantes wurde bei Ausschreitungen angezündet.

© AFP/SEBASTIEN SALOM-GOMIS

Update

Neue Ausschreitungen in Frankreich befürchtet: Innenminister Darmanin will erneut 45.000 Sicherheitskräfte einsetzen

Schon in der Nacht auf Samstag waren landesweit Zehntausende Polizisten im Einsatz. Die Proteste wegen der Erschießung eines 17-Jährigen durch einen Polizisten halten an.

| Update:

Der französische Innenminister Gérald Darmanin hat für Samstababend erneut den Einsatz von rund 45.000 Sicherheitskräften angekündigt. Nachdem es in Frankreich in der Nacht auf Samstag die vierte Nacht in Folge zu Ausschreitungen in mehreren Städten gekommen war, schien sich die Lage zunächst entspannt zu haben.

Schon am frühen Samstagabend heizte sich die Stimmung zwischen Protestierenden und Polizist:innen in mehreren Städten wieder auf, wie französische Medien berichten.

Darmanin sagte bei einer Pressekonferenz, dass 7000 Einsatzkräfte für den Großraum Paris vorgesehen seien. Verstärkungen solle es zudem in den Großstädten Lyon und Marseille geben. Zuvor hatten örtliche Behörden im gesamten Land Demonstrationen untersagt und Fahrverbote für öffentliche Verkehrsmittel am Samstagabend angeordnet.

Am Samstagmorgen hatte der Innenminister mitgeteilt, dass 270 Menschen festgenommen worden seien. 79 Polizist:innen seien in der Nacht verletzt worden. Seit Beginn der Krawalle wurden damit insgesamt mehr als 1300 Menschen in Gewahrsam genommen. Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod eines 17-Jährigen nordafrikanischer Abstammung, der am Dienstag von einem Polizisten erschossen wurde.

Beisetzung von Nahel M. verlief reibungslos

Am Samstag wurde Nahel M., der von denen, die ihn kannten, als „ruhiger Typ“ beschrieben wurde, friedlich beerdigt. Wie die französische Zeitung „Libération“ berichtet, wurde er nach einer Zeremonie im Bestattungsinstitut und in der Moschee von Nanterre auf dem Friedhof Mont-Valérien beigesetzt.

Vor dem Hintergrund der landesweiten Ausschreitungen waren die Befürchtungen groß, dass auch die Beerdigung gestört werden könnte. Dies wurde jedoch vereitelt. Die Familie und das Umfeld des Opfers untersagten der Presse die Anwesenheit bei der Trauerfeier, so „Libération.“

Laut der Zeitung „Le Parisien“ wurde rund um das Bestattungsinstitut eine Sicherheitszone errichtet, zu der nur ausgewählte Personen Zutritt bekommen hätten. Die Zeremonie habe mit nur einigen Dutzend Menschen in strengster Intitmität stattgefunden. Später hätten Hunderte Menschen am Ausgang der Moschee gewartet und den Transport der sterblichen Überreste zum Friedhof begleitet.

Verhängung des Notstandes nicht ausgeschlossen

Zu Ausschreitungen kam es zuvor nicht nur in Paris, in dessen Vorort Nanterre Nahel M. getötet wurde, sondern auch in Marseille, Lyon, Toulouse, Straßburg und Lille. Bereits in der Nacht auf Samstag waren 45.000 Polizist:innen Darmanin zufolge im ganzen Land im Einsatz.

Der Gewaltausbruch hat Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung in die schwerste Krise seit Beginn der Gelbwesten-Proteste im Jahr 2018 gestürzt. Die Verhängung des Notstandes hat Macron bislang nicht angeordnet - ausgeschlossen ist das Darmanin zufolge allerdings nicht. „Wir schließen keine Hypothese aus, und wir werden nach heute Abend sehen, wie sich der Präsident der Republik entscheidet“, sagte er dem Sender TF1 am Freitagabend.

Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich.

© IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/Blondet Eliot/ABACA

Bei den Krawallen wurden rund 2000 Autos in Brand gesteckt. Mehrere Gebäude gingen in Flammen auf. Dutzende Geschäfte wurden geplündert. Viele Menschen aus armen Stadtvierteln, in denen Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher ethnischer Herkunft leben, fühlen sich benachteiligt und von der Regierung vernachlässigt. Seit langem häufen sich zudem Beschwerden über Polizeigewalt und Rassismus.

Nahel M., der marokkanische und algerische Wurzeln hat, wurde am Dienstag bei einer Verkehrskontrolle von einem Polizisten erschossen. Videoaufnahmen von dem Vorfall wurden in den sozialen Medien verbreitet. Der Polizist hat eingeräumt, den Schuss auf den Jugendlichen abgegeben zu haben, als dieser mit seinem Wagen trotz der Kontrolle weiterfuhr.

Kollateralschäden der Ausschreitungen in Frankreich.

© AFP/ROMAIN PERROCHEAU

Sein Anwalt Laurent-Franck Lienard sagte, sein Mandant habe auf das Bein des Fahrers gezielt, sei aber beim Anfahren des Autos angefahren worden, wodurch er in Richtung Brust geschossen habe. „Offensichtlich wollte er den Fahrer nicht töten“, sagte Lienard im Fernsehsender BFM. Der Polizist ist in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Totschlag.

80 Festnahmen allein in Marseille

Allein in Marseille wurden nach offiziellen Angaben in der Nacht 80 Personen festgenommen. In Frankreichs zweitgrößter Stadt leben zahlreiche Menschen mit nordafrikanischer Herkunft. Bilder, die in den sozialen Medien verbreitet wurden, zeigten eine Explosion im alten Hafengebiet. Die Stadtverwaltung erklärte, die Ursache werde untersucht.

Auch PKWs wurden bei den Ausschreitungen angezündet.

© AFP/ROMAIN PERROCHEAU

Man gehe jedoch nicht davon aus, dass es Opfer gegeben habe. Im Zentrum der Stadt plünderten Randalierer ein Waffengeschäft und stahlen laut Polizei einige Jagdgewehre, jedoch keine Munition. Eine Person mit einem vermutlich gestohlenen Gewehr sei festgenommen worden, das Geschäft werde nun von der Polizei bewacht.

Der Bürgermeister von Marseille, Benoit Payan, rief die Regierung auf, umgehend zusätzliche Sicherheitskräfte zu schicken. „Die Plünderungs- und Gewaltszenen sind inakzeptabel“, schrieb er Freitagnacht auf Twitter.

In Paris räumte die Polizei am Freitagabend die Place de la Concorde, den größten Platz der Hauptstadt. Dort hatten sich zahlreiche Menschen zu einer Protestkundgebung versammelt. (Reuters, Tsp)

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