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Auszüge aus Nawalny-Memoiren veröffentlicht: „Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und hier sterben“
Das neue Buch mit dem Titel „Patriot“ stützt sich auf Tagebucheinträge Nawalnys aus der Haft und der Zeit davor. Er war im Februar in einem Straflager in der Arktis gestorben.
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Medien in mehreren Ländern haben erste Auszüge aus dem Buch „Patriot“ des im Februar im Straflager in der russischen Arktisregion gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny veröffentlicht. Demnach hat er mit seinem Tod in Haft gerechnet.
„Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen und hier sterben“, schrieb Nawalny während seiner Haft im März 2022 in sein Tagebuch, wie aus am Freitag im „The New Yorker“ veröffentlichten Auszügen hervorgeht. „Es wird niemand zum Verabschieden da sein“, schrieb Nawalny demnach.
Die spanische Zeitung „El País“ etwa sorgte mit von Nawalny geschilderten Passagen über Foltermethoden im Strafvollzug auch in russischen Medien mit Aufsehen. Er berichtet in seiner Autobiografie, die am 22. Oktober erscheinen soll, auch von Vergewaltigungen von Gefangenen durch Wächter.
Im Exil lebende Menschenrechtler, die Misshandlungen von Gefangenen immer wieder öffentlich gemacht hatten, lobten erneut, dass durch Nawalny die Foltermethoden unter Kremlchef Wladimir Putin international bekannt wurden. Der im Alter von 47 Jahren unter nicht geklärten Umständen gestorbene Nawalny hatte die Menschenrechtsverstöße bereits aus der Haft heraus öffentlich gemacht. Er wurde am 1. März unter großer Anteilnahme Tausender Menschen in Moskau beerdigt.
Nawalny kehrte trotz Giftanschlag nach Russland zurück
Nawalny, der 2020 nur knapp einen Giftanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte und in Deutschland behandelt wurde, schreibt in dem Buch auch über die allgegenwärtige Todesgefahr. An einer Stelle heißt es laut einem Auszug in der britischen Zeitung „The Times“, dass das Buch, „falls sie mich endgültig erledigen sollten, mein Denkmal sein wird“.
Das Buch sei eine Mahnung an Russland und die Welt, schrieb „The New Yorker“. „Das Einzige, was wir fürchten sollten, ist, dass wir unsere Heimat aufgeben, um sie von einer Bande von Lügnern, Dieben und Heuchlern ausplündern zu lassen“, zitiert das Magazin einen Eintrag vom 17. Januar 2022.
In einem Eintrag vom 1. Juli 2022 fasst Nawalny einen typischen Tagesablauf zusammen: Aufwachen um 06.00 Uhr, Frühstück um 06.20 Uhr und Arbeitsbeginn um 06.40 Uhr. „Bei der Arbeit sitzt man sieben Stunden an der Nähmaschine auf einem Hocker unter Kniehöhe“, erläutert er. „Nach der Arbeit sitzt man einige Stunden auf einer Holzbank unter einem Porträt Putins. Das nennen sie ,disziplinarische Tätigkeit’.“
Mit dem Schreiben seiner Memoiren hatte der Kremlkritiker nach dem Giftanschlag 2020 begonnen. Im Jahr darauf kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er festgenommen und zu 19 Jahren Haft verurteilt wurde.
Ich wollte mein Land nicht aufgeben oder es verraten.
Alexej Nawalny in seinen Memoiren zur Frage, warum er nach Russland zurückgekehrt war.
Der letzte vom „New Yorker“ vorveröffentlichte Tagebucheintrag stammt vom 17. Januar 2024. Darin beantwortet Nawalny die Frage von Mitinsassen und Gefängniswärtern, warum er nach Russland zurückgekehrt sei. „Ich wollte mein Land nicht aufgeben oder es verraten. Wenn unsere Überzeugungen etwas bedeuten sollen, muss man bereit sein, für sie einzustehen und, wenn nötig, Opfer zu bringen.“
Buch soll auch auf Russisch erscheinen
Auch der „Spiegel“ brachte Auszüge. Andere Medien, die das Buch vorab lesen wollten, mussten eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterschreiben und sich darin verpflichten, nicht vor dem 22. Oktober aus dem Buch zu zitieren.
Julia Nawalnaja, die Witwe des Kremlgegners, macht seit Monaten Werbung für das Buch. Es soll in 20 Sprachen erscheinen. Besonders glücklich zeigte Nawalnaja sich darüber, dass es auch eine Fassung auf Russisch gebe.
„Während ich an dem Buch arbeitete, habe ich hundertmal gelacht und hundertmal geweint“, sagte Nawalnaja. Alexej fehle ihr, ständig denke sie an ihn. Sie hoffe, dass jene, die Alexej mochten, ihn unterstützten, die gleichen Gefühle empfinden. Der Kremlgegner war bekannt für seinen beißenden Humor auch in schwierigsten Lagen. „Möge dieses Buch für jeden von ihnen ein Stück Alexei sein.“ (AFP/dpa)
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