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Viele zu langer Haft verurteilte Gegner von Kremlchef Wladimir Putin - wie der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin - gelten als politische Gefangene, ihr Verbleib ist nun unklar.

© Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Bahnt sich ein Austausch an? : Kreml verlegt sieben politische Gefangene – auch ein Deutsch-Russe dabei

Seit Tagen verschwinden inhaftierte Gegner von Putin, darunter Oppositionelle und Aktivisten, die gegen den Krieg in der Ukraine sind, an unbekannte Orte. Bahnt sich ein Gefangenenaustausch an?

Stand:

In Russland sind mindestens sieben inhaftierte politische Gefangene an bislang unbekannte Orte verlegt worden. Darunter sind nach Angaben von Anwälten und Menschenrechtsorganisationen Oppositionspolitiker und Aktivisten, die gegen die russische Militäroffensive in der Ukraine protestiert hatten.

Verlegungen im russischen Strafvollzug sind generell undurchsichtig, das Verschwinden mehrerer inhaftierter Oppositioneller zum gleichen Zeitpunkt ist aber sehr selten und nährte Spekulationen um einen Gefangenenaustausch.

Zuvor hatten unabhängige russische Medien auch über die Verlegung anderer politischer Gefangener berichtet.

Die Anwälte des inhaftierten Oppositionspolitikers Ilja Jaschin teilten am Dienstag über dessen Telegram-Kanal mit, Jaschin sei aus seiner Strafkolonie in der Region Smolensk im Westen des Landes „an einen unbekannten Ort“ gebracht worden.

Unter den verlegten Häftlingen ist auch der Deutsch-Russe Kevin Lik. Der wegen Landesverrat verurteilte 18-Jährige sei ebenfalls aus seiner Strafkolonie verlegt worden, berichtete die unabhängige Website Sotavision.

Außerdem wurde Oleg Orlow nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Memorial aus seiner Strafkolonie an einen unbekannten Ort gebracht. Orlow war Ko-Vorsitzender der 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation.

Aus einem Gefängnis in Moskau verlegt wurde nach Angaben der Menschenrechtsorganisation OVD-Info zudem der Aktivist Daniil Krinari, der im April wegen angeblicher „Zusammenarbeit mit der Ukraine“ zu fünf Jahren Haft verurteilt worden war.

Unklar ist auch der Aufenthaltsort der Künstlerin Alexandra Skotschilenko, die zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war, weil sie Preisschilder in einem Supermarkt gegen Botschaften gegen die Offensive in der Ukraine ausgetauscht hatte.

Sorgen um die wegen ihrer kremlkritischen Ansichten inhaftierten Gefangenen

An andere unbekannte Orte gebracht wurden den Berichten nach auch die früheren Leiterinnen der Regionalstäbe des in Haft gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny. Wo Lilija Tschanyschewa, die in Ufa für Nawalny gearbeitet hatte, und Xenia Fadejewa aus Tomsk sind, darüber hatten aber weder Anwälte noch Angehörige den Berichten zufolge Informationen.

Nicht erst seit dem Tod Nawalnys, der in ein Straflager in die Arktisregion verlegt worden war und dort starb, sind die Sorgen um die wegen ihrer kremlkritischen Ansichten inhaftierten Gefangenen groß.

„Allem Anschein nach stehen wir vor einem sehr großen Austausch mit den Amerikanern (und nicht nur da)“, schreibt die Politologin Tatjana Stanowaja in ihrem Nachrichtenkanal bei Telegram. Näher führte sie ihre Aussage nicht aus, postete die Nachricht aber inmitten sich häufender Nachrichten über das Verschwinden inhaftierter Kremlgegner.

Putin offen für Austausch

Kremlchef Wladimir Putin, der in der Kritik steht, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen, hatte zuletzt wiederholt die Bereitschaft zu einem Austausch erklärt. Die USA wollen etwa die Freilassung des wegen Spionage verurteilten Korrespondenten Evan Gershkovich vom „Wall Street Journal“ erreichen.

Kremlchef Putin hat besonders großes Interesse an einem in Deutschland inhaftierten Russen, der wegen eines Mordes im Berliner Tiergarten verurteilt worden war.

Aus Belarus kam indes die Nachricht, dass sich die Behörden mit dem Gnadengesuch eines zum Tode verurteilten Deutschen befassen. Machthaber Alexander Lukaschenko ließ sich nach Berichten von Staatsmedien in Minsk über den Fall unterrichten. Zuvor gab es Spekulationen, dass der Deutsche gegen den „Tiergarten-Mörder“ ausgetauscht werden könnte. (dpa/AFP)

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