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Der Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, wich bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz zunächst von seinem Manuskript ab.

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Update

„Das ist nicht die Demokratie, in der ich lebe“: Pistorius weist Vance-Attacken scharf zurück

Der neue US-Vizepräsident macht Europa auf der Sicherheitskonferenz schwere Vorwürfe. Boris Pistorius geht zum Gegenangriff über. Auch anderer Europäer sind mehr als verwundert.

Stand:

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Attacken von US-Vizepräsident J.D. Vance auf die europäischen Verbündeten auf der Münchner Sicherheitskonferenz scharf zurückgewiesen. Der SPD-Politiker ließ sein vorbereitetes Manuskript zunächst beiseite und nannte die von Vance gezogenen Vergleiche inakzeptabel. Im Gegenzug kritisierte er das Vorgehen der neuen US-Regierung von Präsident Donald Trump gegen einzelne Medien.

„Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, das sei das Selbstverständnis der Bundeswehr und das stehe auch für unsere Demokratie. „Diese Demokratie wurde vom US-Vizepräsidenten für ganz Europa vorhin infrage gestellt“, sagte Pistorius. „Wenn ich ihn richtig verstanden habe, vergleicht er Zustände in Teilen Europas mit denen in autoritären Regimen.“ Pistorius betonte: „Das ist nicht akzeptabel und das ist nicht das Europa und nicht die Demokratie, in der ich lebe und der ich gerade Wahlkampf mache.“

Pistorius: Bei uns wird niemand ausgeschlossen

„In dieser Demokratie hat jede Meinung eine Stimme. Sie ermöglicht es in Teilen extremistischen Parteien wie der AfD, ganz normal Wahlkampf zu machen. Genau wie jede andere Partei. Das ist Demokratie“, sagte Pistorius. In hiesigen Pressekonferenzen würden auch Medien zugelassen, die russische Propaganda verbreiteten, und die Vertreter der Bundesregierung müssten ihnen Rede und Antwort stehen. „Ausgeschlossen wird niemand, nur weil er unser Wording nicht teilt“, betonte Pistorius.

Trump hatte nach Angaben der Associated Press (AP) zuletzt einen Reporter der US-Nachrichtenagentur von der Berichterstattung über ein Event im Weißen Haus ausgeschlossen. Grund dafür sei die Weigerung von AP gewesen, der Wortwahl des Weißen Hauses zu folgen, welches den Golf von Mexiko in „Golf von Amerika“ umbenannt hatte.

Pistorius betonte: „Demokratie bedeutet aber nicht, dass die laute Minderheit automatisch recht hat und die Wahrheit bestimmt. Und Demokratie muss sich wehren können gegen die Extremisten, die sie zerstören wollen.“ Er trete dem Eindruck, den Vance erweckt habe, „energisch entgegen, dass in unserer Demokratie Minderheiten unterdrückt oder zum Schweigen gebracht werden“. „Wir wissen nicht nur, gegen wen wir unser Land verteidigen, sondern auch wofür: für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit, für den Rechtsstaat und für die Würde jedes Einzelnen“, betonte der SPD-Politiker.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte die Äußerungen von Vance scharf. Mit Blick auf dessen Rat, mit der AfD zusammenzuarbeiten, schrieb er am Freitagabend auf X: Er weise „ausdrücklich zurück, was Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt habe“. Die demokratischen Parteien in Deutschland hätten wegen der Erfahrungen des Nationalsozialismus „einen gemeinsamen Konsens: Das ist die Brandmauer gegen extrem rechte Parteien“.

CDU-Chef Friedrich Merz sagte derweil im Interview mit den Sendern RTL und ntv, Vances Äußerungen bei der Sicherheitskonferenz seien ein „fast schon übergriffiger Umgang mit den Europäern, insbesondere mit uns Deutschen“. „Wir haben eine andere Meinung und das habe ich ihm heute Mittag in unserem Gespräch, das eigentlich um ganz andere Themen ging, auch ganz deutlich gesagt“, sagte Merz.

Strack-Zimmermann hält Rede für bizarr, Kallas sieht Streitversuch

„Die Rede von US-Vizepräsident Vance auf der MSC war ein bizarrer intellektueller Tiefflug und hat auf einer internationalen Sicherheitskonferenz nichts zu suchen“, findet die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Vorsitzende des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung des Europaparlaments stellte gar einen „Riss in der transatlantischen Beziehung“ fest.

Bei der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas entstand durch Vance’ Rede gar der Eindruck, die USA wolle einen „Kampf“ mit Europa austragen. „Wenn man sich diese Rede anhört, versuchen sie, einen Streit mit uns anzuzetteln, und wir wollen keinen Streit mit unseren Freunden anzetteln“, sagte Kallas. Die Verbündeten sollten sich auf größere Bedrohungen wie Russlands Aggression gegen die Ukraine konzentrieren.

Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat J.D. Vance mit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz frappiert.

© AFP/MICHAELA STACHE

Doch nicht nur die Europäer versetzte Vance mit seiner Rede in Aufruhr. Chinas Außenminister Wang Yi warnte die USA vor Versuchen, sein Land zurückzudrängen. Dies würde ein entschlossenes Handeln Chinas provozieren, sagte Wang auf der Münchner Sicherheitskonferenz. China werde seine Souveränität, seine Würde und sein Recht auf Entwicklung hochhalten und ein „unilaterales Mobbing“ nicht akzeptieren.

Vance hatte vor allem die europäischen Verbündeten in seiner Rede ungewöhnlich scharf vor einer Gefährdung der Demokratie gewarnt. Er nahm dabei indirekt Bezug auf die deutsche Debatte über eine Abgrenzung von der AfD: „Es gibt keinen Platz für Brandmauern“, sagte er. „Die Demokratie beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass die Stimme des Volkes zählt.“

Entweder man halte dieses Prinzip aufrecht oder nicht. „Wir sollten keine Angst vor unseren Bürgern haben, selbst wenn sie Ansichten äußern, die nicht mit ihrer Führung übereinstimmen.“ Vance warf den europäischen Verbündeten zudem vor, Meinungsäußerungen als Desinformation zu verfolgen.

Trump pflichtete seinem Vize bei. Die Europäer würden ihre Redefreiheit verlieren, sagte der US-Präsident am Freitag vor Reportern in Washington. Die Rede von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei gut angekommen.

Diese Darstellung stimmt allerdings nicht mit anderen überein. Einem Reuters-Reporter zufolge, der sich in einem der Nebenräume der Konferenz aufhielt, wo mehr Delegierte die Rede von Vance hören konnten, hätten die Anwesenden fassungslos gewirkt und nicht applaudiert. Anders als der chinesische Außenminister Wang Yi hatte Vance keine Fragen zugelassen. (dpa, Reuters, fki)

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