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„Deutsch-französischer Motor angesprungen“: Merz und Macron beschwören Neustart
Der Kanzler und der französische Präsident betonen eine neue Nähe in den bilateralen Beziehungen. Diese soll künftig auch in der militärischen Abschreckung vertieft werden.
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Deutschland und Frankreich haben angesichts der Krisen in der Welt einen Neustart ihrer Beziehungen beschworen. „Der deutsch-französische Motor ist wieder angesprungen“, sagte Kanzler Friedrich Merz am Freitag nach dem deutsch-französischen Ministerrat in Cap Brun bei Toulon.
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte eine neue Nähe in den bilateralen Beziehungen. Beide Regierungen beschlossen ein 26-seitiges Wirtschaftspapier sowie eine sicherheitspolitische Erklärung.
Zu dem Ministerrat war das halbe deutsche Kabinett nach Toulon gereist, darunter Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) sowie Außenminister Johann Wadephul und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (beide CDU). „Eine gute deutsch-französische Partnerschaft ist auch ein wesentlicher Motor für den Fortschritt in der EU“, sagte Reiche. Es gebe einen klaren gemeinsamen Fokus, Europa wieder wettbewerbsfähig zu machen.

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Bis Jahresende soll der Stand der vereinbarten Projekte überprüft werden, die ein weites Spektrum von der Technologie- über die Energiepolitik bis zur Außen- und Kulturpolitik umfassen. Macron wies darauf hin, dass sich die sehr enge Abstimmung gerade zwischen Deutschland und Frankreich in den vergangenen Wochen auch international ausgezahlt habe. Das habe sich etwa in der gemeinsamen Haltung zur Ukraine gegenüber US-Präsident Donald Trump, aber auch beim gemeinsamen Besuch in Moldau gezeigt.
Merz und Macron betonen digitale Souveränität
Sowohl Merz als auch Macron betonten die Notwendigkeit der digitalen Souveränität Europas. Beide wiesen in aller Schärfe Drohungen von US-Präsident Donald Trump zurück, Staaten mit neuen Strafzöllen zu überziehen, die eine Digitalsteuer gegen US-Tech-Konzerne erheben oder die Digitalmärkte regulieren. „Die Frage, wie die Europäische Union den gesamten digitalen Markt reguliert und wie sie auch die Unternehmen besteuert, ist Ausdruck der alleinigen Souveränität der Europäischen Union“, sagte Merz. „Wir werden es nicht hinnehmen, dass - von wem auch immer - hier mit entsprechenden Repressalien gegen Europa gearbeitet wird.“
Ähnlich äußerte sich Macron, der die US-Regierung vor Gegenmaßnahmen warnte: „Wenn also solche Entscheidungen getroffen werden würden, dann müssten wir von europäischer Seite auch darauf antworten und das würden wir auch tun.“
Bei den Abstimmungen beider Kabinette dominierten die Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. Am Donnerstagabend hatten sich Merz und Macron bereits zu einem Vier-Augen-Gespräch getroffen. Das 26-seitige Wirtschaftspapier umfasst Bereiche wie Wettbewerbsfähigkeit Europas, Handel, Energie, Industrie, Technologie, Soziales und Arbeitsmarkt, Finanzierung, Digitalisierung sowie digitale Souveränität. Merz und Macron drängen die EU-Kommission vor allem dazu, die Entbürokratisierungsagenda rasch voranzutreiben.
Mehrere Industrieverbände beider Länder - BDI, BDA und Medef - begrüßten die Vereinbarungen. „Die EU ist durch massive wirtschaftliche Angriffe geschwächt. Es ist jedoch noch nicht zu spät, dass sie ihre Führungsrolle zurückgewinnt“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Frankreich, Deutschland und die EU müssten nun gemeinsam ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. „Der Aufbau einer glaubwürdigen europäischen Verteidigung erfordert eine beispiellose industrielle Zusammenarbeit in den Bereichen Innovation, Produktion und Cybersicherheit.“
Allerdings mussten Merz und Macron eine Entscheidung über das gemeinsame neue Luftkampfsystem FCAS bis zum Jahresende verschieben, weil der französische Luftfahrtkonzern Dassault nun einen erheblich größeren Arbeitsanteil an dem Projekt zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien fordert.
Vage Aussagen zur Atomkraft
Führende Ökonomen aus Deutschland und Frankreich hatten konkrete Maßnahmen gegen die Rückständigkeit Europas in vielen Technologiebereichen gefordert. Tatsächlich enthält das deutsch-französische Papier die Ankündigung, dass man in der EU ein sogenanntes „28. Regime“ einrichten will, mit dem die EU einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen für alle Unternehmen in allen 27 Mitgliedstaaten festlegen soll.
In etlichen Bereichen bleiben beide Regierungen allerdings relativ vage. Mit Blick auf die französische Atomindustrie sagte Deutschland etwa zu, dass man gemeinsam an Änderungen von EU-Vorschriften arbeiten wolle, „um die Nichtdiskriminierung aller Netto-Null- und CO2-armen Energietechnologien in ihrem jeweiligen Beitrag zu den europäischen Energie-, Nachhaltigkeits- und Klimazielen zu gewährleisten“. Umgekehrt soll die Fusionstechnologie stärker gefördert werden.
Was dies allerdings genau heißt, blieb offen: Merz betonte in der Pressekonferenz, dass in der Koalition in Berlin erst noch abgestimmt werden müsse, ob die EU künftig auch Geld für die Erforschung neuer Atom-Reaktoren ausgeben dürfe. (Reuters)
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