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Der diskrete Charme der Diplomatie: Nur Trump kann den „Friedensplan“ noch retten
Bislang konnte der US-Präsident lavieren: Mal schlug er sich auf Putins, mal auf Selenskyjs Seite. Nach den Entwicklungen der vergangenen Tage hat Trump diese Wahl nicht mehr.

Stand:
Krieg soll nicht sein. Das kann nur bestreiten, wer nicht bei Minusgraden im Schützengraben kauert oder Nacht für Nacht Raketenhagel oder Drohnenbeschuss ausgeliefert ist. Krieg soll nicht sein, und es ist aller Ehren wert, ihn beenden zu wollen. Je schneller, desto besser.
Donald Trump will den Krieg in der Ukraine – verursacht durch russische Aggression – beenden. Wolodymyr Selenskyj will es, die Europäische Union will es. Geeinigt haben sie sich vorerst auf einen entsprechenden 19-Punkte-Plan.
Die Details sind noch nicht bekannt. Aber Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass in ihm zwar einige rote Linien formuliert werden, die nicht zu überschreiten seien, er aber auch Zugeständnisse und Kompromisse enthält. Ohne die wird es ein Ende der Kämpfe nicht geben.
Gebt der Diplomatie eine Chance! Das ist der Slogan aller Kriegs- und Waffenlieferungsgegner. Nach Lage der Dinge kann sich diese Aufforderung nur noch an eine der Konfliktparteien richten – Russland. Einzig an Wladimir Putin liegt es, ob das Leiden und Sterben weitergeht oder nicht.
Trump will Putin nicht öffentlich düpieren
Insofern hat das Chaos der vergangenen Tage zwar die Sinne vernebelt, aber den Blick geschärft. Es begann mit einem durchgestochenen russischem 28-Punkte-Plan, der dann vorschnell als Plan Trumps deklariert wird.
Der US-Präsident setzt daraufhin Selenskyj ein Zustimmungs-Ultimatum, man könnte auch sagen: die Pistole auf die Brust. Ukraine und Europäische Union fühlen sich übergangen, geraten in Panik und protestieren vehement. Mit Erfolg. Der russische 28-Punkte-Plan wird fallengelassen, ein neuer Plan enthält nur noch 19 Punkte, das Ultimatum ist vom Tisch.
Putins Position besteht aus lauter roten Linien und lässt keinen Raum für Kompromisse.
Malte Lehming
Den neuen Vorschlag lehnt Putin bislang selbst als Verhandlungsgrundlage kategorisch ab. Seine Position besteht aus lauter roten Linien und lässt keinen Raum für Kompromisse. Das ist erneut offenkundig geworden. Wer dennoch behauptet, Putin sei an einer Lösung des Konflikts interessiert, trägt die Beweislast.
Russland ist stark, die Ukraine ist schwach: Das muss sich, in Putins Weltsicht, in einem Abkommen widerspiegeln. Begriffe wie Moral, Souveränität, Würde oder Menschenrechte kommen darin nicht vor.
Trump, dem selbsternannten „Dealmaker“, ist diese Weltsicht vertraut. Auch er blickt lieber auf Kräfteverhältnisse als auf Souveränitätsrechte. Weil er aber unbedingt einen Deal mit dem russischen Präsidenten will - der „Dealmaker“ als „Peacemaker“ -, sieht er davon ab, Putin öffentlich zu düpieren oder unter Druck zu setzen.
Das Kalkül dahinter: Nur wenn Putin sein Gesicht wahren kann, wird er einem Abkommen zustimmen. Es geht weniger um Details als um den Eindruck, der entsteht. Erfolgreich kann diese Strategie allerdings nur sein, wenn sie außerhalb des internationalen Rampenlichts verfolgt wird.
Diplomatie muss diskret sein. Indiskretionen wie in der vergangenen Woche torpedieren den Prozess. Will heißen: Trump müsste etwas tun, was seinem Naturell an sich zuwider ist. Er müsste sich zurücknehmen, Presse und Verbündete eine Zeitlang ignorieren.
Am Ende der Wunschliste stünde dann ein Telefonat mit Putin unter vier Augen. Trumps Botschaft wäre, dass genau jetzt die Zeit für ernsthafte Verhandlungen gekommen ist. Bei jeder weiteren russischen Aggression schließe sich das Fenster der Diplomatie.
Bislang konnte Trump lavieren. Mal schlug er sich auf Putins, mal auf Selenskyjs Seite. Die Entwicklung der vergangenen Tage lässt ihm diese Wahl nicht mehr. Wenn er wirklich will, dass dieser Krieg endet, muss er Putin diskret an den Verhandlungstisch zwingen. Mit allen Mitteln. Dazu gehört auch die Drohung mit der Lieferung weitreichender Waffen.
Krieg soll nicht sein. Die Zeit für diese Einsicht ist reif. Wer die Gelegenheit, sie auch umzusetzen, verstreichen lässt – ob durch Taten oder Tatenlosigkeit –, macht sich schuldig oder mitschuldig. Wer glaubt, Publikum sein zu können, versündigt sich an Moral und Mitmenschlichkeit.
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