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Marco Rubio, JD Vance,  Pete Hegseth, Michael Waltz

© Montage: Tagesspiegel/Schneider | imago images (4)

Emojis, Europaverachtung und zaghafte Kritik an Trump: Wie US-Minister reden, wenn sie glauben, unter sich zu sein

Der engste Kreis der US-Regierung berät via Handy-App über einen Militärangriff im Jemen. Ein Journalist liest mit und gibt Einblick in den Kommunikationsstil von Trumps Leuten.

Stand:

Ein Fall wie aus einem Satirefilm – so absurd, dass sich kein Regisseur der Welt etwas Besseres hätte ausdenken können: Der engste Kreis des US-Präsidenten, darunter sein Vizepräsident und zahlreiche Minister, berät in einer Chatgruppe über einen Militärschlag gegen die Huthi-Miliz im Jemen – und ein Journalist liest mit.

Passiert ist das Jeffrey Goldberg, dem Chefredakteur des renommierten US-Magazins „The Atlantic“. Er wurde offenbar versehentlich in eine Signal-Gruppe mit dem Namen „Houthi PC small group“ eingeladen – zwei Tage, bevor am 15. März die ersten Bomben nahe der jemenitischen Hauptstadt Sanaa fielen. Wie der Angriff vorbereitet wurde, konnte Goldberg detailliert mitlesen.

Dass US-Sicherheitsbehörden über Signal miteinander kommunizierten, sei nicht unüblich, doch werde die App hauptsächlich für die Planung von Treffen und andere logistische Angelegenheiten genutzt – und nicht für „detaillierte und hochvertrauliche Diskussionen über eine bevorstehende Militäraktion“, so Goldberg.

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In den vielen Jahren seiner Berichterstattung über Angelegenheiten der nationalen Sicherheit habe er noch nie davon gehört, dass eine solche Sitzung über „eine kommerzielle Messaging-App“ einberufen wurde.

So haben die Trump-Leute miteinander gechattet

Beim Austausch waren offenbar unter anderem dabei: Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Außenminister Marco Rubio. Außerdem waren hochrangige Regierungsbeamte wie Trumps Unterhändler Steve Witkoff beteiligt, Stabchefin Susie Wiles und Stephen Miller, Chefstratege im Weißen Haus. Goldberg beschreibt den Chat in seinem Artikel mit genauen Uhrzeiten und Originalzitaten.

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Womit er auch einen Einblick in den Kommunikationsstil von Trumps Gefolgsleuten gibt: Nonchalant äußerten sie sich abfällig über Europa, allen voran die als Vance und Hegseth identifizierten Nutzer. Letzterer teilte auch detaillierte Angaben zu Zielen, Waffensystemen und dem zeitlichen Ablauf der Operation.

Vance äußert Bedenken an Trumps Plan

Dabei kam es auch zu Kritik. Trumps Vize Vance schrieb etwa: „Team, ich bin den ganzen Tag auf einer Wirtschaftsveranstaltung in Michigan. Aber ich glaube, wir machen einen Fehler.“ Dazu führte er weiter aus, dass die Öffentlichkeit die Aktion vielleicht nicht verstehen könnte, da sie für die USA weniger bedeutend sei: „Drei Prozent des US-Handels läuft durch den Suezkanal, bei den Europäern sind es 40 Prozent.“

Vance äußerte sich dann abweichend von der Linie der Regierung, wie er es öffentlich wohl nie tun würde: „Ich bin mir nicht sicher, ob sich der Präsident bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu seiner derzeitigen Botschaft zu Europa steht. Es besteht ein weiteres Risiko, dass die Ölpreise moderat bis stark ansteigen. Ich bin bereit, den Konsens des Teams zu unterstützen und diese Bedenken für mich zu behalten. Aber es gibt gute Argumente dafür, die Entscheidung um einen Monat zu verschieben, um zu klären, warum dies wichtig ist, um zu sehen, wo die Wirtschaft steht usw.“

Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen.

Der als J.D. Vance, US-Vizepräsident, gekennzeichnete Account im Gruppenchat

Ich teile deine Abscheu für Europas Schmarotzen. Es ist erbärmlich.

Pete Hegseth, US-Verteidigungsminister, im Gruppenchat

Der Account von Hegseth äußerte für die Bedenken durchaus Verständnis, wies aber darauf hin, dass die Vermittlung von Botschaften immer schwierig sein werde, egal was passiere, denn „niemand weiß, wer die Huthi sind“. Für ihn gehe es um zwei Dinge: Die Wiederherstellung der Schifffahrtsfreiheit, ein zentrales nationales Interesse und die Wiederherstellung der Abschreckung, wo Biden versagt habe.

Der als J.D. Vance identifizierte Account richtete schließlich folgende Nachricht an Pete Hegseth: „Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann lass uns gehen. Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen.“

Hegseth stimmte ihm zu und bekräftigte, wie sehr er es verabscheue, dass sich die Europäer aus seiner Sicht militärisch von den USA mitziehen lassen. „Ich teile deine Abscheu für Europas Schmarotzen. Es ist erbärmlich“. Stephen Miller, Trumps Topberater, meinte, man solle den Europäern klarmachen, dass man nun eine Gegenleistung erwarte. Gleichzeitig schreibt Hegseth: „Wir sind die Einzigen auf dem Planeten, die das können. Niemand sonst auch nur annähernd.“

Dann warb er weiter für die Militär-Aktion. Es sei nun ein guter Zeitpunkt, angesichts der Anweisung des US-Präsidenten, die Schifffahrtswege wieder zu öffnen. „Ich denke, wir sollten loslegen, aber POTUS (President of the United States of America, Anm.) hat noch 24 Stunden Entscheidungsspielraum.“

Flammen-Emojis und geballte Faust

Als schließlich die ersten Bomben auf Sanaa fallen, freute man sich in der Chat-Gruppe: „Ein guter Anfang“, schreibt CIA-Direktor John Ratcliffe. Waltz antwortet mit drei Emojis: einer Faust, einer amerikanischen Flagge und Feuer. Andere schließen sich an, darunter „MAR“ (Abkürzung für Marco Rubio, Anm.), der schreibt: „Good Job Pete and your team!“, und Susie Wiles, die kommentiert: „Hut ab vor allen (…) Wirklich großartig. God bless.“ Steve Witkoff antwortet mit fünf Emojis: zwei Hände, die beten, ein gestreckter Bizeps und zwei amerikanische Flaggen.

Während des Chatverlaufs hatte Journalist Goldberg immer wieder Zweifel, ob das alles wirklich sei. Doch schließlich war er überzeugt. Nach Stunden entfernte er sich aus der Signal-Gruppe, wissend, dass deren Ersteller, Michael Waltz, eine Benachrichtigung bekommen würde. Doch es passierte nichts, keine Nachfragen. Überhaupt schien niemand bemerkt zu haben, dass er dabei war – geschweige denn, wer er war, so Goldberg.

Sein Bericht schlägt nun hohe Wellen. Das Weiße Haus hat den Vorfall bestätigt. Brian Hughes, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, räumte ein, dass der Chatverlauf höchstwahrscheinlich authentisch sei.

Nur Verteidigungsminister Hegseth dementiert weiterhin vehement, dass es um Pläne für einen Militärschlag ging. „Niemand hat Kriegspläne getextet“, antwortete er auf eine Reporter-Frage.

Der frühere TV-Moderator des rechtskonservativen Sender Fox News verunglimpfte Goldberg als „betrügerischen und diskreditierten sogenannten Journalisten“, der es sich zum Beruf gemacht habe, eine Kampagne gegen die Regierung zu fahren und immer wieder Falschmeldungen zu verbreiten.

Trump selbst hatte zuvor erklärt, er habe von dem Gruppenchat noch nicht gehört, sei aber ohnehin „kein großer Fan“ des „Atlantic“-Magazins. 

Unklar ist, welche Konsequenzen der US-Präsident dennoch daraus ziehen wird: Einem „Politico“-Bericht zufolge könnte Trump zwar seinem Berater Mike Waltz die Schuld dafür geben, dass die nationale Sicherheit der USA gefährdet sei. Genauso gut könnte er aber über seinen Vizepräsidenten Vance frustriert sein, weil er in dem Chat von der Außenpolitik der Regierung abgewichen ist. (Mit Agenturen)

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