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Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger will als erstes Kabinettsmitglied seit 1997 nach Taiwan reisen.

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Erster deutscher Ministerbesuch seit 1997: Stark-Watzingers Taiwan-Reise ist ein historischer, überfälliger Schritt

Der Taiwan-Besuch der Forschungsministerin ist mehr als ein Symbol der Solidarität. Er markiert das Ende einer Ära nervösen deutschen Schweigens – mit großem Potenzial für beide Seiten.

Ein Kommentar von Cornelius Dieckmann

Es war überfällig, seit einem Vierteljahrhundert. Erstmals seit 1997 will mit Bettina Stark-Watzinger (FDP) am Montag wieder ein deutsches Kabinettsmitglied nach Taiwan reisen. Die Bildungs- und Forschungsministerin geht damit einen historischen Schritt, der eigentlich selbstverständlich sein sollte: Deutschland traut sich wieder, auf ranghoher und sichtbarer Ebene auf das bedrohte Land in Ostasien zuzugehen.

Dass dies 26 Jahre gedauert hat, sagt viel über die Mutlosigkeit der deutschen China-Politik. Die Taiwan-Visite des damaligen Wirtschaftsministers Günter Rexrodt (FDP) war der dritte und vorerst letzte deutsche Ministerbesuch in dem Inselstaat. Die folgenden Regierungen Schröder und Merkel empfanden das liberalste Land Asiens vor allem als heikle Sache, um die man besser einen Bogen machte, um nicht die chinesische Parteidiktatur zu verärgern und Zugang zum lukrativen Markt dort zu verlieren.

Die Volksrepublik hat Taiwan zwar nie regiert, schaffte es aber, dass das bloße Wort „Taiwan“ im politischen Berlin zu nervösen Phrasen und betretenem Schweigen führte. Ein unhaltbarer, ein peinlicher Zustand – der irgendwann zur Normalität wurde.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass mit Stark-Watzinger nun eine bisher eher blasse Ministerin die Tür wieder aufstößt. Die FDP-Politikerin ist viel kritisiert worden, jüngst floppte ihr Bildungsgipfel. Ihre Taiwan-Reise jedoch ist ein starker Vorstoß. Und das Ressort stimmt, damit es nicht bei – ebenfalls wichtiger – symbolischer Solidarität für das Land bleibt, sondern auch konkrete politische Ergebnisse zu erhoffen sind.

In den Bereichen Bildung und Wissenschaft liegt die Kooperation mit Taiwan auf der Hand. Das Potenzial dafür, in der Halbleiterforschung vom Weltmarktführer zu lernen, ist gigantisch – hier braucht Deutschland Taiwan, nicht umgekehrt. Schon im November empfing Stark-Watzinger ihren Amtskollegen Wu Tsung-Tsong in Berlin, um über Mikrochips zu beraten.

Dringend geboten wäre auch eine stärkere Institutionalisierung des Schüler- und Studierendenaustauschs. Um die deutsche Expertise zur sinophonen Welt, die eben nicht nur aus China besteht, steht es miserabel. Im 21. Jahrhundert aber braucht es dieses kulturelle und politische Wissen. Taiwans Bildungsministerium fördert bereits Sprachreisen für deutsche Lehrkräfte und entsendet Dozenten an Universitäten der Bundesrepublik – ein guter Anfang.

Natürlich wird Stark-Watzinger für ihre Reise kritisiert werden. Kommentatoren und Politiker aus der alten China-Denkschule werden von „Provokation“ sprechen, es wird mit dem Begriff „Ein-China-Politik“ hantiert werden, ohne dass verstanden wird, was er bedeutet und dass er Ministerkontakte mit Taiwan einschließt. Asien-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik, die auch die Bundesregierung berät, empfehlen ausdrücklich, die Praxis wieder zu normalisieren.

Das Regime in Peking wird protestieren, womöglich seinen Satz für alle Fälle recyclen („Wer mit dem Feuer spielt, wird darin umkommen“), im Wissen, dass die martialischsten Worte auch im Westen in die Schlagzeilen kommen. Deutschland sollte das zur Kenntnis nehmen – und sich davon nicht schrecken lassen.

Eine Ministerin einer demokratischen Regierung besucht eine andere demokratische Regierung. Mehr nicht. Und doch ist dies ein bedeutender, ermutigender Schritt. Es muss der erste von vielen sein.

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