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Eingang der US-Militärbasis Elmendorf-Richardson in Anchorage, Alaska. Hier treffen sich am Freitag Trump und Putin.

© AFP/Drew Angerer

„Es ist mit Protesten zu rechnen“: So blickt Alaska auf den Ukraine-Gipfel von Trump und Putin

Die Geschichte Alaskas ist eng verwoben mit Russland. Ausgerechnet dort trifft sich Trump mit Putin. Begeistert über den geopolitischen Gipfel sind bei weitem nicht alle.

Stand:

Nur die 84 Kilometer breite Beringstraße trennt die ostsibirische Tschuktschen-Halbinsel und Alaska. Zwischen der Großen und der Kleinen Diomedes-Insel liegen sogar lediglich knapp vier Kilometer. Die eine gehört zu Russland, die andere zu den USA. Zumindest geografisch ist es also nicht viel, was beide Länder voneinander trennt.

Da scheint es nahezuliegen, dass US-Präsident Donald Trump Alaska für sein Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin auserkoren hat. In Anchorage, der mit Abstand einwohnerstärksten Stadt des nördlichsten US-Bundesstaats, will er am Freitag die Chancen auf ein Ende des Ukrainekrieges ausloten.

Ob Trump weiß, dass Alaska früher einmal Russland unterstand und dass Nationalisten in Moskau regelmäßig Rückgabeforderungen erheben?

Begeisterung entfacht das geopolitische Gipfeltreffen in dieser dünn besiedelten Region am Rande der Arktis jedenfalls nicht bei allen. Das liegt allerdings wohl weniger an den wiederkehrenden nationalistischen Äußerungen russischer Hardliner als vielmehr an Russlands Invasion in der Ukraine.

So manche seien „verärgert darüber, dass Präsident Putin, gegen den der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen hat, in den Vereinigten Staaten willkommen geheißen wird“, berichtet Brandon Boylan dem Tagesspiegel. Der Politikwissenschaftler forscht an der University of Alaska in Fairbanks zur Rolle der Region in den Beziehungen zwischen den USA und Russland.

Zwar erkennen die USA den Gerichtshof ohnehin nicht an. Doch dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj von dem Treffen ausgeschlossen wird, stößt vielen ebenfalls übel auf. „Es ist deshalb mit Protesten zu rechnen“, so Boylan.

„Der Krieg hat die Sichtweise der Alaskaner auf Russland beeinflusst“, sagt er. Denn durch ihn erhielten Moskaus militärische Aktivitäten in der Beringsee-Region eine neue Bedeutung. Und: Während es gemeinsame Manöver Russlands mit China gebe, seien vereinte Übungen der russischen und US-amerikanischen Küstenwache eingestellt worden.

Viele Angehörige der russischen Minderheit in Alaska sind gegen den Krieg und sorgen sich um ihre Verwandten und Freunde in Russland.

Brandon Boylan, Politikwissenschaftler an der University of Alaska in Fairbanks

Das gilt ebenso für politische Treffen des Arktischen Rats. Sämtliche Mitglieder, inklusive der USA, hatten infolge des russischen Überfalls erklärt, nicht mehr mit Russland zusammenzukommen. Inzwischen haben die USA ihre militärische Präsenz in der Region stark ausgebaut. Zudem, so Boylan, sei die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Alaska und dem russischen Sibirien deutlich schwieriger geworden.

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin treffen in Alaska aufeinander.

© dpa/Uncredited

Hinzu kommt: „Viele Angehörige der russischen Minderheit in Alaska sind gegen den Krieg und sorgen sich um ihre Verwandten und Freunde in Russland“, sagt Boylan.

Alaska ist historisch mit Russland verbunden. 1000 Jahre lang sind die Ureinwohner Alaskas und jene auf der russischen Seite hin- und hergezogen, wie der Autor David Ramseur in einem Buch über die Beziehungen zwischen beiden Regionen beschrieben hat.

Im 18. Jahrhundert hatte das Russische Reich als erste europäische Großmacht Alaska kolonisiert und schließlich Russisch-Amerika gegründet. Viele Besatzer verdienten in dieser Zeit ihr Geld mit Robbenjagd und Pelzhandel.

Als die Bestände der Meeressäuger schrumpften und die Wirtschaft der Siedler einbrach, wurde Alaska dem Zaren Alexander II. zu teuer. Für läppische 7,2 Millionen Dollar verkaufte er das Gebiet 1867 an die USA – damals nicht wissend, welche Schätze an Öl, Gas und Edelmetallen sich dort im Boden verbergen.

Russisch-orthodoxe Kirche St. Innocent in Anchorage. In der Stadt mit rund 290.000 Einwohnern wird Trump Putin empfangen.

© REUTERS/KERRY TASKER

Zwar liegt der Anteil der russischstämmigen Menschen an Alaskas Bevölkerung heute nur noch bei etwas über einem Prozent, doch das kulturelle Erbe sei noch deutlich sichtbar, sagt Boylan. Etwa an orthodoxen Kirchen oder dem Kodiak History Museum, das sich mit der russischen Kolonialzeit befasst.

Diese historische Verbundenheit zwischen Alaskanern und Russen sei seit Russlands Angriffskrieg geschwächt, sagte auch David Ramseur kürzlich der „New York Times“. Allerdings bedeutet das keineswegs, dass alle den Ukraine-Gipfel in Alaska ablehnen. „Die meisten Trump-Anhänger und Republikaner sehen das Treffen positiv“, sagt Boylan.

Und davon gibt es im flächenmäßig größten Bundesstaat der USA eine ganze Menge. Seit Alaska 1960 erstmals bei einer Präsidentschaftswahl abstimmen durfte, konnte – bis auf einmal – stets der republikanische Kandidat die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Trump erhielt hier zuletzt 54,54 Prozent.

Wenn sich die Spannungen zwischen den USA und Russland verschärfen, werden wir das meiner Meinung nach in Alaska wieder am stärksten spüren.

Brandon Boylan, Politikwissenschaftler an der University of Alaska in Fairbanks

So begrüßt denn auch Alaskas republikanischer Gouverneur das Treffen mit Putin. „Seit Jahrhunderten ist Alaska eine Brücke zwischen Nationen. Auch heute noch sind wir ein Tor für Diplomatie, Handel und Sicherheit in einer der kritischsten Regionen der Erde“, schreibt Michael Dunleavy auf X.

Ein Bewohner von Anchorage malt Protestbotschaften auf eine Wand in der Stadt.

© IMAGO/Anadolu Agency/IMAGO/HASAN AKBAS

Seine Parteikollegin, die Senatorin Lisa Murkowski, sagte zuletzt, dass sie zwar weiterhin „zutiefst misstrauisch gegenüber Putin und seinem Regime“ sei, aber hoffe, dass die Gespräche dazu beitragen, den Krieg in der Ukraine zu fairen Bedingungen zu beenden.

Experte Boylan hält es angesichts der Rolle Alaskas in den Beziehungen zwischen den USA und Russland für sinnvoll, dass der Gipfel dort stattfindet. Doch er äußert auch Sorge. „Wenn sich die Spannungen zwischen den USA und Russland verschärfen, werden wir das meiner Meinung nach in Alaska wieder am stärksten spüren“, sagt er.

In jedem Fall, so Buchautor Ramseur, „verschafft es uns für ein paar Stunden Aufmerksamkeit“.

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