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Nach Protesten der Opposition in Georgien: Wahlkommission will Stimmzettel teilweise neu auszählen lassen
Die proeuropäische Opposition in Georgien wirft der Regierungspartei Wahlmanipulation vor. Nun sollen die Stimmen in 14 Prozent der Wahllokale neu ausgezählt werden.
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Nach dem umstrittenen Ausgang der Parlamentswahl in Georgien hat die zentrale Wahlkommission angekündigt, die Stimmzettel in rund 14 Prozent der Wahllokale neu auszählen zu lassen. Die Behörde werde eine Neuauszählung der Stimmzettel „in fünf zufällig ausgewählten Wahllokalen in jedem Wahlbezirk vornehmen“, hieß es am Dienstag in einer Erklärung.
Am Montagabend waren Tausende Menschen dem Protestaufruf der proeuropäischen Opposition gefolgt. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude im Zentrum der Hauptstadt Tiflis, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP sahen.
An den Protesten gegen das offizielle Wahlergebnis nahm auch die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili teil.
Surabischwili bestreitet den von den Behörden erklärten Sieg der prorussischen Regierungspartei. „Es war totaler Betrug“, erklärte Surabischwili, die der proeuropäischen Opposition nahesteht, am Sonntag. Sie erkenne das Wahlergebnis nicht an.
Georgien sei Opfer einer „russischen Spezialoperation“ geworden. Sie rief die Bevölkerung auf, am Montagabend in der Hauptstadt Tiflis gegen das offizielle Wahlergebnis zu protestieren und „der Welt zu zeigen, dass wir diese Wahl nicht anerkennen“. Moskau dementiert eine Einmischung.
Nach der Wahl am Samstag hatte die staatliche Wahlkommission erklärt, nach Auszählung fast aller Stimmkreise habe die Regierungspartei Georgischer Traum rund 54 Prozent erhalten. Sie erhalte damit 89 Parlamentssitze, während auf vier Oppositionsparteien zusammen 61 Mandate entfielen. Oppositionspolitiker hatten diese Angaben bestritten.
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Auch Beobachter unter anderem von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatten von erheblichen Verstößen gegen Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl berichtet. Dies könne sich auf das Ergebnis ausgewirkt haben, hatten die Beobachter erklärt, jedoch nicht von Wahlbetrug gesprochen.
Die Bundesregierung hat noch nicht entschieden, ob sie das Ergebnis der umstrittenen Parlamentswahlen in Georgien anerkennen wird. Man werde den Abschlussbericht der internationalen Wahlbeobachter abwarten, „bevor wir zu einem abschließenden Urteil kommen“, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Sebastian Fischer, am Montag in Berlin.
Bisher ergebe sich ein gemischtes Bild. Der Wahlgang selbst werde als weitgehend geordnet beschrieben, allerdings mit „signifikanten Unregelmäßigkeiten“. Aber das Umfeld der Wahlen sei unter anderem mit Drohungen der Regierungspartei gegen die Opposition negativ gewesen, fügte er hinzu.
Regierungschef sieht Georgien weiterhin auf EU-Kurs
Ministerpräsident Irakli Kobachidse warf der Opposition hingegen am Montag laut georgischen Medien vor, die „verfassungsmäßige Ordnung“ stürzen zu wollen. Seine Regierung sei weiterhin der europäischen Integration verpflichtet. „Unsere wichtigste außenpolitische Priorität ist natürlich die europäische Integration.“
Nach den Spannungen der vergangenen Monate erwarte er einen „Neustart der Beziehungen“ mit der EU, fügte er hinzu. „Alles wird getan werden, um Georgiens vollständige Integration in die EU bis 2030 zu erreichen“, kündigte der Regierungschef an.
Die Ex-Sowjetrepublik an der Südgrenze Russlands ist EU-Beitrittskandidat. Brüssel hat die Annäherung aber auf Eis gelegt wegen mehrerer repressiver Gesetze, die die Regierungspartei Georgischer Traum in diesem Jahr durchgesetzt hat. Die prowestliche Opposition wirft der Regierung vor, die ehemalige Sowjetrepublik am Schwarzen Meer wieder enger an Russland binden zu wollen.
Russland bestreitet Einmischung
Der Kreml dementierte eine Einmischung Russlands in die Parlamentswahl in Georgien. Im Gegenteil hätten „viele Kräfte aus europäischen Staaten und europäischen Institutionen versucht, Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung zu nehmen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau.
Was auch immer Herr Orbán während seines Besuchs sagt, er vertritt nicht die Europäische Union.
EU-Außenbeauftragter Josep Borrell
„Das wurde nicht einmal versteckt, es waren öffentliche Verlautbarungen“, sagte Peskow nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Ganz anders Moskau: „Wir mischen uns nicht in innergeorgische Angelegenheiten ein und haben das auch nicht vor.“
Ungarn gratuliert – USA und EU fordern eine Untersuchung
Derweil traf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán zu einem Unterstützungsbesuch für die Regierungspartei Georgischer Traum in Tiflis ein. Nach der Wahl hatte Orbán am Sonntag seinen Besuch in dem Kaukasusland angekündigt. Der ungarische Regierungschef gilt als enger Verbündeter der Moskau-freundlichen Regierungspartei.
Georgien sei „ein konservativer, christlicher und pro-europäischer Staat“, schrieb Orban bei seiner Ankunft im Onlinedienst X. „Anstelle von nutzlosen Predigten braucht es unsere Unterstützung auf seinem europäischen Weg“, erklärte der ungarische Regierungschef, dessen Land derzeit den rotierenden EU-Ratsvorsitz innehat.
Der rechtsnationalistische Ministerpräsident hatte der Partei bereits kurz nach Schließung der Wahllokale am Samstagabend zu einem „überwältigenden Sieg“ gratuliert.
Wahlbeobachter des EU-Parlaments wurden nach eigenen Angaben am Wahltag „Zeugen von großer Anspannung, Verwirrung und Chaos“. Jedes Gesetz, das die Grundrechte der georgischen Bürger untergrabe und den Werten der EU zuwiderlaufe, müsse aufgehoben werden, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Bezüglich Orbáns Reise nach Georgien erklärte Borrell, der ungarische Ministerpräsident reise „ohne Zweifel“ nach Tiflis, „um seine Unterstützung für die Regierung Georgiens auszudrücken“. „Was auch immer Herr Orbán während seines Besuchs sagt, er vertritt nicht die Europäische Union“, betonte der EU-Außenbeauftragte im spanischen Radiosender RNE. (Reuters/AFP/dpa)
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