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Proteste in Tiflis

© IMAGO/SNA/IMAGO/Stringer

Update

EU-Chefdiplomatin bringt Sanktionen ins Spiel: Barrikaden, Tränengas und Wasserwerfer bei erneuten Protesten in Georgien

Die Lage in der Südkaukasusrepublik Georgien bleibt extrem gespannt. Polizei und Demonstranten liefern sich Straßenschlachten. Jetzt reagiert die neue EU-Außenbeauftragte.

Stand:

Die EU könnte nach Angaben der neuen EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas Sanktionen wegen der jüngsten Entwicklungen in Georgien verhängen. Es sei eindeutig, dass Gewalt gegen friedliche Demonstranten inakzeptabel sei und die georgische Regierung den Willen des georgischen Volkes sowie die georgische Verfassung respektieren sollte, sagte die frühere estnische Regierungschefin am Rande von Gesprächen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.

Man werde gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mögliche Konsequenzen erörtern. Als konkrete Beispiele nannte Kallas Sanktionen, aber auch Einschränkungen bei der Visavergabe.

Zuvor war es in Georgien bei Protesten gegen den Entscheid der Regierung zur Aussetzung von Beitrittsplänen zur EU erneut zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. In der Hauptstadt Tiflis errichteten tausende Menschen am Samstagabend Barrikaden, schlugen Fensterscheiben ein und zündeten Feuerwerkskörper vor dem Parlament.

Vor dem Parlament kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Maskierte Polizisten in Schutzausrüstung setzten Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer ein.

Beobachter schätzten die Zahl der Demonstranten in Tiflis auf einige tausend. Georgischen Medien zufolge gab es Proteste auch in weiteren Städten im ganzen Land.

„Ich gebe zu, dass ich Angst habe, dass viele Menschen verletzt werden, aber ich habe keine Angst davor, hier zu stehen“, sagte der 39-jährige Tamar Gelaschwili, der in Tiflis protestierte, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Hinter einem Fenster des Parlamentsgebäudes in Tiflis waren Flammen zu sehen. Demonstrierende errichteten Barrikaden auf der wichtigsten Straße in Tiflis. Auch in weiteren Städten des Landes gab es Demonstrationen.

Bereits an den Vortagen hatte es Proteste gegen den Entscheid von Ministerpräsident Irakli Kobachidse vom Donnerstag gegeben, die Beitrittsgespräche zur Europäischen Union für die nächsten vier Jahre auszusetzen. Georgien werde von der EU erpresst, hatte Kobachidse zur Begründung gesagt.

Menschen protestieren vor dem Parlamentsgebäude, nachdem Premierminister Irakli Kobachidse erklärt hatte, das Land werde die Gespräche über seinen Beitritt zur Europäischen Union bis 2028 aussetzen.

© imago/ITAR-TASS/IMAGO/Yegikov Mikhail

Bei den Protesten in der Nacht zu Samstag waren 107 Menschen wegen „Ungehorsams gegenüber rechtmäßigen Polizeianordnungen und geringfügigen Rowdytums“ festgenommen worden, wie das georgische Innenministerium mitteilte. Zehn Polizisten hätten Verletzungen erlitten.

Regierungschef Kobachidse dankte am Samstag in einer Pressekonferenz dem Innenministerium und allen Polizisten, die „die verfassungsmäßige Ordnung Georgiens verteidigt und die Souveränität und Unabhängigkeit des Landes erhalten“ hätten.

Innenministerium will weiterhin gegen Demonstrierende vorgehen

Das Innenministerium beteuerte, es werde weiterhin gegen gewalttätige Demonstrierende vorgehen. Einige Demonstranten seine bereits „kurz nach dem Beginn des Protests“ gewalttätig geworden, teilte das Ministerium mit. „Die Polizei wird auf angemessene Weise und im Einklang mit dem Gesetz auf jeden Gesetzesverstoß reagieren“, hieß es weiter.

Georgische Ermittlungsbehörden leiteten eine Untersuchung wegen Amtsmissbrauchs in Form von Gewalt gegen Demonstranten und Medienvertreter ein. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bestätigte eine „unverhältnismäßige und wahllose Gewaltanwendung der Polizei“, die eine „schwere Verletzung der Versammlungsfreiheit“ darstelle.

Am Samstag hatte Kobachidse erklärt, die Gegner des EU-Beitrittsstopps planten eine Revolution nach dem Vorbild der anti-russischen Maidan-Proteste in der Ukraine 2014. Georgien werde das aber nicht zulassen. Eine EU-Mitgliedschaft ist in Georgien bei den Bürgern gleichwohl populär und das Land im Südkaukasus mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern hat das Ziel eines EU-Beitritts in seiner Verfassung verankert.

Die der EU zugewandte georgische Präsidentin Salome Surabischwili erklärte in einer Fernsehansprache ihre „Solidarität“ mit der „Widerstandsbewegung“. Sie hatte die Regierung am Samstag als nicht rechtsmäßig bezeichnet und erklärt, sie werde trotz ihrer im Dezember endenden Amtszeit auf ihrem Posten bleiben.

Das Ergebnis der Parlamentswahl von Ende Oktober, bei dem Kobachidses Partei „Georgischer Traum“ fast 54 Prozent der Stimmen erhalten hatte, sei gefälscht. Ihr Mandat bleibe bestehen, bis ein rechtmäßig gewähltes Parlament gebildet sei.

USA setzen strategische Partnerschaft aus

Indessen kommt aus dem Ausland Kritik am Vorgehen der Sicherheitsbehörden. Die USA setzten ihre strategische Partnerschaft mit Georgien aus, wie der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, mitteilte. Er verurteilte einen „unverhältnismäßigen Gebrauch von Gewalt gegen Georgier, die ihr Recht auf Protest ausüben“.

Die Entscheidung der Regierungspartei Georgischer Traum, den EU-Integrationsprozess auszusetzen sei „Verrat an der georgischen Verfassung“, in der der EU-Beitritt des Landes als Ziel formuliert ist.

Europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien und Polen kritisierten das Vorgehen der Sicherheitsbehörden in Georgien ebenfalls. (Reuters/AFP)

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