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Demonstrators protesting the "foreign influence" law crowd outside the parliament building in central Tbilisi on May 28, 2024. Georgian lawmakers geared up on May 28, 2024 to overturn a presidential veto and push through a controversial "foreign influence" bill that opponents say will place onerous restrictions on foreign-funded NGOs and derail the country's path to the European Union. (Photo by Vano SHLAMOV / AFP)

© AFP/VANO SHLAMOV

Update

EU kündigt Konsequenzen an: Georgiens Parlament beschließt umstrittenes „russisches Gesetz“

Staatspräsidentin Surabischwili wurde überstimmt: Georgiens Abgeordnete haben das Gesetz zur schärferen Kontrolle ausländisch finanzierter NGOs beschlossen. Nun will die EU reagieren.

Stand:

Trotz wochenlanger Massenproteste hat das Parlament von Georgien endgültig ein Gesetz zur schärferen Kontrolle von aus dem Ausland finanzierten Nichtregierungsorganisationen verabschiedet. Als letzten Schritt überstimmten die Abgeordneten in Tiflis am Dienstag ein Veto von Präsidentin Salome Surabischwili gegen das Gesetz. Für die Zurückweisung des Vetos reicht eine einfache Mehrheit aus.  

Das Gesetz wurde dann mit 84 Ja-Stimmen endgültig verabschiedet, nur vier Abgeordnete stimmten mit Nein. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Parlament die Mehrheit hält, verschärft damit die Rechenschaftspflicht von Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. Sie begründet dies mit höherer Transparenz.

Oppositionsabgeordnete spricht von „gedankenloser Politik“

Auch am Dienstag war die Debatte im Parlament wieder von heftigen Vorwürfen von Regierung und Opposition geprägt. Die oppositionelle Abgeordnete Anna Zitlidse warf der politischen Führung eine „gedankenlose Politik“ vor, die den Weg Georgiens in die EU versperre und dem Land viele Probleme bereiten werde. Parlamentschef Schalwa Papuaschwili wiederum beschuldigte die oppositionellen Abgeordneten, nicht im nationalen Interesse, sondern im Interesse anderer Länder zu agieren. „Das ist offener Verrat.“

Vor dem Parlament fanden sich nach Angaben eines Reporters der Deutschen Presse Agentur erneut Tausende Menschen ein, um gegen das Gesetz zu protestieren. Die Polizei war ebenfalls mit einem Großaufgebot vor Ort. Die Demonstranten beschimpften Vertreter des Georgischen Traums als „Sklaven“, „Verräter“ und „Russen“.

Ein Demonstrant setzt sich gegen die „russisches Gesetz“ genannte Regelung zur Kontrolle ausländisch finanzierter Organisationen in Georgien ein.

© AFP/VANO SHLAMOV

Die „russisches Gesetz“ getaufte Regelung ist nach ihrer Ansicht dazu gedacht, kritische Organisationen mundtot zu machen. Sie sehen Parallelen zu dem in Russland erlassenen Gesetz gegen sogenannte ausländische Agenten. Dies wird vom Kreml seit Jahren dazu eingesetzt, die Opposition und unabhängige Medien zu unterdrücken.

EU kritisiert Gesetz erneut und kündigt Konsequenzen an

Die EU hat nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes Konsequenzen angekündigt. „Die EU hat wiederholt betont, dass das vom georgischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen die Grundprinzipien und Werte der EU verstößt“, teilten der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und die EU-Kommission am Dienstagabend mit. Die Entscheidung werde sich negativ auf Georgiens Weg in Richtung EU auswirken. Die EU und ihre Mitgliedstaaten prüften alle Möglichkeiten, auf die Entwicklungen zu reagieren.

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Konkret wird in der Erklärung kritisiert, dass das neue Gesetz in mindestens drei von neun Bereichen für Rückschritte sorgt, die für den EU-Beitrittsprozess wichtig sind. Dies seien der Kampf gegen eine Polarisierung der Gesellschaft und Desinformation sowie Fortschritte bei den Grundrechten und der Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen.

Mit Blick auf die Proteste gegen das Gesetz in Georgien erklärten Borrell und die EU-Kommission: „Wir stehen weiterhin an der Seite des georgischen Volkes und erkennen die Entscheidung der überwältigenden Mehrheit für eine europäische Zukunft des Landes an.“

Weitere Großkundgebung für Dienstagabend geplant

Die vonseiten der Protestbewegung friedlichen Kundgebungen in Tiflis dauern seit Wochen an. Für den Abend war eine weitere Großkundgebung geplant. Viele Demonstranten fürchten, dass der autoritäre Kurs von Georgischer Traum auch den angestrebten EU-Beitritt der Ex-Sowjetrepublik in Gefahr bringt. Vertreter aus Brüssel hatten mehrfach gefordert, dass die Regierung das Gesetz zurückziehen solle. Auch Experten des Europarats kritisierten die Bestimmung jüngst. In seiner jetzigen Fassung gebe es fundamentale Fehler, die erhebliche negative Folgen hätten für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Privatleben und das Recht, sich gesellschaftlich zu engagieren, hieß es aus Straßburg.

Die USA haben bereits Konsequenzen angekündigt. Sie wollen nach Aussage von Außenminister Antony Blinken Visa-Beschränkungen verhängen für „Personen, die für die Untergrabung der Demokratie in Georgien verantwortlich oder daran beteiligt sind, sowie deren Familienangehörige“. Zudem werde die bilaterale Zusammenarbeit zwischen den USA und Georgien auf den Prüfstand gestellt.

Die georgische Regierung ließ sich davon nicht irritieren. Die Sanktionen wies sie als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück und erklärte sie für kontraproduktiv. Immerhin Lob aus Moskau gab es: Kremlsprecher Dmitri Peskow dementierte zwar, dass Russland etwas mit dem Gesetz zu tun habe. Er bezeichnete es aber als „normale Praxis“, um sich vor äußeren Einflüssen zu schützen. Georgien liegt an der Südgrenze Russlands und damit an einer wichtigen weltpolitischen Frontlinie.

Eine Bevölkerungsmehrheit möchte sich von Russland lösen. Der angestrebte Beitritt zu EU und Nato steht in der Verfassung. Seit Dezember hat das Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Gleichzeitig kontrolliert Moskau die abtrünnigen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien, die es als unabhängige Staaten anerkannt hat.

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