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In der Region Xinjiang wird die muslimische Minderheit der Uiguren von der chinesischen Staatsmacht unterdrückt.

© AFP/Johannes Eisele

Europa verhandelt mit China: „Vom Menschenrechtsdialog der EU lässt sich Xi Jinping nicht beeindrucken“

Die EU will den Menschenrechtsdialog mit Peking wieder aufnehmen. Ein Gespräch über Unterdrückung in China, Europas Einflussmöglichkeiten und Machthaber Xi Jinping.

Frau Kinzelbach, sind Menschenrechte verhandelbar?
Menschenrechte sind unveräußerlich, sie gelten ausnahmslos für jeden Menschen. So gesehen sind sie nicht verhandelbar. In der Menschenrechtspolitik stellt sich dennoch die praktische Frage, ob es sich lohnt, mit repressiven Regierungen über Menschenrechte zu verhandeln. Es kommt darauf an, wer am längeren Hebel sitzt.

Die EU will an diesem Freitag nach langer Unterbrechung ihren Dialog mit China über Menschenrechtsfragen wieder aufnehmen. Wie substanziell können die Gespräche werden?
Es ist wichtig, den Ursprung des Menschenrechtsdialogs zu verstehen – er hängt mit dem Tiananmen Massaker von 1989 zusammen. Damals reagierte die EU zunächst mit Sanktionen, die bis auf ein Waffenembargo schnell aufgehoben wurden.

Parallel dazu äußerten europäische Staaten öffentlich Kritik, auch im Rahmen der Vereinten Nationen. Der Menschenrechtsdialog lief seit 1995 hinter verschlossenen Türen und war eine Art Zugeständnis der chinesischen Seite. Vor allem war er ein kluger Schachzug.

Inwiefern?
Die Menschenrechtskritik sollte aus der Öffentlichkeit verbannt werden. Sobald die EU zu schärferen Maßnahmen griff, brach Peking den Dialog ab. Die aktuelle Wiederaufnahme ist Teil einer chinesischen Charmeoffensive..

Das Regime in Peking bekämpft die innenpolitische Opposition, unterdrückt die muslimische Minderheit der Uiguren und steckt Mitglieder der Hongkonger Demokratiebewegung ins Gefängnis – lässt China bei diesen Themen überhaupt mit sich reden?
Nein. Im Menschenrechtsdialog werden diese Themen angesprochen – je nach Geschick und Standhaftigkeit der europäischen Delegation auch mit klaren Worten. Daraufhin sagt die chinesische Seite aber nicht: Stimmt, wir werden unsere Politik ändern.

Ich habe den Verlauf des Menschenrechtsdialogs im Zeitraum von 1995 bis 2010 ausführlich recherchiert und bin zu dem Schluss gekommen, dass er damals keinen Einfluss auf die Menschenrechtslage in China hatte. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass er unter den heutigen Bedingungen besser funktionieren kann, im Gegenteil, denn die Volksrepublik hat international deutlich an Macht gewonnen. Der Menschenrechtsdialog hat ritualhafte Züge und wird nichts bringen.

Mit welchen Mitteln könnte die Europäische Union das kommunistische China dazu bringen, Menschenrechten mehr Beachtung zu schenken?
Die Menschenrechte müssen zuallererst intern erkämpft werden. Das ist in einem digitalen Überwachungsstaat, der vor harter Repression nicht zurückschreckt, extrem schwierig.

Die EU kann versuchen, chinesische Menschenrechtsaktivist:innen und demokratisch orientierte Akteure zu unterstützen oder die Bereitschaft einzelner Personen im Regime, sich an Menschenrechtsverletzungen zu beteiligen, zu brechen.

Die bereits schlechte Menschenrechtslage hat sich unter Xi Jinping nochmal dramatisch verschlechtert.

Katrin Kinzelbach, Professorin für Internationale Politik der Menschenrechte

2021 wurden von der EU-Einreiseverbote verhängt, das war ein kleines Signal in diese Richtung. Ein weiterer Vorschlag ist, unter Berufung auf das sogenannte Weltrechtsprinzip Personen wie den Gouverneur der Uiguren-Provinz Xinjiang festzunehmen, wenn er in die EU reist. Er sollte diese Tage eigentlich London, Paris und Brüssel besuchen, hat seine Reise aber abgesagt, möglicherweise weil Aktivist:innen seine Festnahme forderten. Man darf sich allerdings keine Illusionen machen.

Warum?
Der Parteistaat würde nicht davor zurückschrecken, im Gegenzug unter irgendwelchen Vorwänden europäische Personen festzunehmen, die sich in China aufhalten.

Bisher verbittet sich die chinesische Führung westliche „Belehrungen“, spricht von „Einmischung in innere Angelegenheiten“. Was kann dem entgegnet werden?
Die Menschenrechte sind keine Erfindung des Westens. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurde in internationaler Zusammenarbeit entwickelt, dabei hat der Chinese Zhang Pengchun eine herausragende Rolle gespielt. Außerdem hat die Volksrepublik Menschenrechtsverträge unterzeichnet, also muss sie sich daran halten. Es ist keine Einmischung in innere Angelegenheiten, an internationale Verpflichtungen zu erinnern.

Chinas Machthaber Xi Jinping wird noch über Jahre die Geschicke seines Landes bestimmen. Was heißt das für die Menschenrechte?
Wenn es so kommt, heißt es für die Menschenrechte nichts Gutes, denn die bereits schlechte Menschenrechtslage hat sich unter Xi Jinping nochmal dramatisch verschlechtert.

Allerdings würde ich Vorhersagen mit Vorsicht betrachten. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Nur eines erscheint mir gewiss: Vom Menschenrechtsdialog der EU lässt sich Xi Jinping nicht beeindrucken.

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